Die tödliche Ernte der Umweltverschmutzung
ALS der Musicalhumorist Tom Lehrer in den 60er Jahren über das Thema Umweltverschmutzung sang und Besuchern der Vereinigten Staaten davon abriet, das Wasser zu trinken und die Luft einzuatmen, lachte man darüber.
Heute ist allen das Lachen vergangen. Schließlich ist die Umweltverschmutzung nichts zum Lachen. Hausbrand- und Industrieemissionen sowie Autoabgase und radioaktive Niederschläge vergiften die Luft, und Chemikalien und Öl gelangen in das Trinkwasser und machen es ungenießbar. Saurer Regen und Giftmüll verderben den Boden. Namen wie Tschernobyl, Love Canal, Amoco Cadiz und Bhopal, die einst nur ein Achselzucken verursacht hätten, rufen heute besorgte Gesichtszüge hervor. Die Zivilisation ist auf Abwege geraten, und Millionen Menschen sind von langwierigen Krankheiten oder einem plötzlichen Tod bedroht.
Die Umweltverschmutzung ist vor allem deshalb so erschreckend, weil sie meist unsichtbar ist. Die Luft mag einem frisch und sauber vorkommen, aber sie kann radioaktiv verseucht sein. An Lebensmitteln und Wasser mag man nichts Verdächtiges sehen, und doch können sie voll giftiger Chemikalien sein. In Wahrheit ist die Umweltverschmutzung eine heimtückische Mörderin.
Die sichtbare Ernte der Umweltverschmutzung
Die Umweltverschmutzung mag zwar unsichtbar sein, aber die tödliche Ernte, die sie hält, ist um so auffälliger. Wohin man auch sieht — die Menschen leiden an Krebs und an Erkrankungen der Atemwege, Gebäude und Denkmäler werden zerfressen, Fauna und Flora werden dezimiert, in den Flüssen schwimmt kein Fisch mehr, und die Wälder sterben.
Jetzt hat sich ein weiteres Phänomen hinzugesellt, das ebenfalls das unverkennbare Markenzeichen der Umweltverschmutzung trägt. Die Ozonhülle der Erde hat ein Loch. Und es reißt immer weiter auf. Einige geben der Luftverschmutzung mit Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen aus Sprühdosen die Schuld. Ist zu erwarten, daß zufolge der Zerstörung der Ozonschicht, die die schädliche Sonnenstrahlung herausfiltert, die Zahl der Hautkrebserkrankungen in die Höhe schnellt oder daß gar noch Schlimmeres geschieht?
Die Umweltverschmutzung hat derart katastrophale Ausmaße angenommen, daß schleunigst etwas geschehen muß, wenn eine globale Tragödie verhindert werden soll. Angesichts des geschärften Bewußtseins der Schwere dieses Problems haben sich Ökologengruppen gebildet, und sogar neue politische Parteien sind deswegen in Machtpositionen gelangt. In der Bundesrepublik Deutschland konnten zum Beispiel die ökologisch orientierten Grünen im Januar 1987 bei der Bundestagswahl 8,3 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen.
Darf man hoffen, daß die gegenwärtige Sorge der Menschen mit Erfolg in positives Handeln umgemünzt und daß unser Planet von der heimtückischen Mörderin, der Umweltverschmutzung, befreit werden kann? Können wir uns persönlich vor ihr schützen?
[Kasten auf Seite 4]
Unser verschmutzter Planet
Brasilien: „Die Einheimischen [von Cubatão] nennen es ‚Tal des Todes‘ ... Die Bäume und der Boden sind ohne Leben, und immer mehr Kinder werden tot geboren oder sterben. Das einzige, was lebt, ist die Umweltverschmutzung“ (Latin America Daily Post).
China: „Die meisten Städte im Nordosten Chinas [leiden] so stark unter der Luftverschmutzung, daß es am späten Nachmittag allen, die sich auf der Straße aufhalten, außer abgehärteten Einheimischen, in der Lunge beißt oder ihnen die Augen tränen“ (Time).
Dänemark: „Nur eine Reihe kalter, windiger Sommer mit häufigen Nordweststürmen kann die dänische Ostsee vor einer ökologischen Katastrophe retten. ... [Ein Gebiet] ist so stark von Sauerstoffmangel betroffen, daß Fische und Meerestiere nicht überleben können“ (Basler Zeitung).
Bundesrepublik Deutschland: „Eine ... Giftmischung, durch Löschwasser [bei einem Großbrand in einem Chemikalienlager] in den Rhein gelangt, ... macht die 15jährige Rheinsanierung [und das Tier- und Pflanzenleben im Rhein] zunichte. ... Über eine Strecke von 280 Kilometern ... ist dem Rhein durch das Sandoz-Unglück schwerster ökologischer Schaden zugefügt worden“ (Der Spiegel).
Sowjetunion: „Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ... war ein Wendepunkt in der Geschichte der modernen Zivilisation. Und es war eine Katastrophe, die auf Jahrhunderte hinaus materiell weiterwirken wird. ... Daß in Europa 570 Millionen Menschen in unterschiedlichem Ausmaß zusätzlicher Radioaktivität ausgesetzt waren, sind und für 300 Jahre sein werden, hat bisher nicht übersehbare Konsequenzen“ (Psychologie heute).
Vereinigte Staaten: „Wissenschaftler ... [haben] erneut Bedenken geäußert, daß der saure Regen nicht nur den Tod von Seen herbeiführt, sondern auch das Wachstum der Wälder behindert und möglicherweise die Gesundheit der Menschen durch die Verunreinigung des Trinkwassers gefährdet“ (Maclean’s).