Die heutige Jugend — Herausforderungen, vor denen sie steht
„DIE Forschung zeigt, daß die Teenagerjahre zweifellos zu den verwirrendsten und aufreibendsten Lebensabschnitten gehören.“ Das schrieb Dr. Bettie B. Youngs in ihrem Buch Helping Your Teenager Deal With Stress. In vergangenen Zeiten waren Jugendliche damit ausgelastet, einfach nur jung zu sein. Heutzutage müssen sie nicht nur mit den Schwierigkeiten des Heranwachsens fertig werden, sondern auch mit dem gewaltigen Druck des Erwachsenenlebens.
Dr. Herbert Friedman schrieb in dem Magazin Weltgesundheit: „Noch nie zuvor hat sich der Übergang von der Kindheit zum Erwachsenendasein unter so dramatischen Veränderungen abgespielt — das bezieht sich z. B. auf das explosive Bevölkerungswachstum, die damit einhergehende beschleunigte Urbanisierung oder die technologischen Umwälzungen im Bereich Kommunikation und Reisen, die beinahe über Nacht völlig neue Bedingungen geschaffen haben.“
Kathy, eine Jugendliche, sagt: „Es ist so schwer, in einer Zeit wie der heutigen aufzuwachsen.“ Drogenabhängigkeit, Selbstmord, Alkoholmißbrauch — das sind die Reaktionen einiger Jugendlicher auf die Belastungen unserer ‘kritischen Zeiten, mit denen man schwer fertig wird’ (2. Timotheus 3:1).
Umwälzungen in der Familie
Dr. Youngs erinnert sich: „Unsere Eltern hatten Zeit für uns. Viele hatten eine Mutter, die sich ganztags der Kindererziehung widmete.“ Aber heute „können oder wollen viele Frauen nicht zu Hause bleiben und sich ganztags um ihre Kinder kümmern. Sie sind berufstätig und müssen Karriere und Familie unter einen Hut bringen. Der Tag hat nicht genug Stunden; irgendwo müssen Abstriche gemacht werden. Nur allzuoft betreffen die Abstriche die Zeit, die eine Mutter ihrem Kind widmen kann, und den Beistand, den sie ihm leisten kann. In der kritischsten Lebensphase ist der Teenager oft mit seinen körperlichen, geistigen und emotionellen Veränderungen auf sich selbst gestellt“ (Helping Your Teenager Deal With Stress).
In den 90er Jahren werden sich die Familienstrukturen zweifellos weiterhin entscheidend wandeln, und zwar zufolge von Scheidungen (50 Prozent der Ehen in den Vereinigten Staaten werden geschieden), der Geburt unehelicher Kinder und des Trends zum Zusammenleben ohne Trauschein. Bereits jede vierte Familie in den Vereinigten Staaten ist eine Einelternfamilie. Durch Wiederverheiratung wächst die Zahl der Stieffamilien.
Sind Kinder in solchen Familienstrukturen eher für emotionelle und psychische Schäden anfällig? Man behauptet beispielsweise, daß Kinder, die mit nur einem Elternteil aufwachsen, mehr zu Einsamkeit, Traurigkeit und Unsicherheit neigen als Kinder, die in traditionellen Familien leben. In vielen Eineltern- oder Stieffamilien leiden die Kinder zwar offensichtlich keinen Schaden, doch die Bibel läßt deutlich erkennen, daß Gott für Kinder vorgesehen hat, von Vater und Mutter erzogen zu werden (Epheser 6:1, 2). Abweichungen von dieser idealen Situation bringen mit Sicherheit zusätzliche Belastungen mit sich.
Auch in Entwicklungsländern ist das Familienleben in einer Umwälzung begriffen. Dort war die traditionelle Struktur die Großfamilie, in der alle erwachsenen Familienglieder bei der Kindererziehung mitredeten. Urbanisation und Industrialisierung führen zu einer raschen Auflösung der Großfamilie — und berauben die Jugendlichen der notwendigen Unterstützung.
Eine junge Afrikanerin schreibt: „Es gibt keine Tanten oder andere Verwandte, die mir sagen und raten könnten, was es heißt heranzuwachsen. Die Eltern setzen voraus, daß die Schule dies Thema behandelt — und diese überläßt es den Eltern. Niemand meint mehr, die Kinder gehörten der gesamten Gemeinschaft.“a
Wirtschaftliche Sorgen
Junge Leute machen sich auch große Sorgen wegen der sich verschlechternden Wirtschaftslage der Welt. Vier von fünf Jugendlichen leben in Entwicklungsländern und sehen lebenslanger Armut und Arbeitslosigkeit entgegen. Der 17jährige Luv aus Indien sagt: „Unter den Jugendlichen in unserem Land ist die Arbeitslosigkeit zur Zeit sehr groß. Überrascht es da, daß junge Leute unglücklich sind und krank werden, Lastern zum Opfer fallen, von zu Hause weglaufen oder sogar Selbstmord begehen?“
Jugendliche im wohlhabenden Westen haben auch ihre Geldsorgen. In der Zeitschrift Children Today wird zum Beispiel folgendes über eine Umfrage unter Teenagern in den Vereinigten Staaten berichtet: „Als die Teenager über bestimmte Themen befragt wurden, die ihnen Sorgen machen, erwähnten sie oft Geld- und Zukunftsfragen.“ Zu den zehn Hauptsorgen der Jugendlichen gehörten „Ausbildungskosten“, „die drohende Wirtschaftskrise“ und „zu geringer Verdienst“.
Ironischerweise sind Experten allerdings der Ansicht, daß selbst finanziell begünstigte Jugendliche auf lange Sicht Geldschwierigkeiten haben. In dem Magazin Newsweek hieß es: „In den 80er Jahren arbeiteten drei Viertel der [US-]Schulabgänger durchschnittlich 18 Stunden in der Woche und brachten oft über 200 Dollar im Monat nach Hause“ — wahrscheinlich mehr Taschengeld, als ihre Eltern hatten. Wie vorherzusehen war, wurde dieser „Verdienst sofort für Auto, Kleidung, Stereoanlage und andere Annehmlichkeiten der Jugend ausgegeben“.
Der Autor Bruce Baldwin erklärt, daß solche Jugendlichen „mit der Erwartung aufwachsen ..., das schöne Leben sei stets mühelos zu erlangen, ob sie persönlich Verantwortung und Leistungsmotivation entwickeln oder nicht“. Aber sie „erleben ein böses Erwachen, wenn sie zu Hause ausziehen. Die künstliche häusliche Umgebung kann so weit von den realen Erwartungen der Arbeitswelt und den Forderungen der Erwachsenenwelt entfernt sein, daß sie eine Art Kulturschock erleiden.“
Verschiebung der Sittenkodexe und der Werte
Eine drastische Verschiebung der Moral und anderer Werte verursacht bei Jugendlichen ebenfalls Verwirrung. „Als meine Großmutter jung war, kam das Wort ‚Sex‘ nicht vor“, sagt Ramani, ein junges Mädchen aus Sri Lanka. „Über Sex in der Ehe wurde nicht gesprochen, nicht einmal in der Familie oder mit dem Arzt, und Sex außerhalb der Ehe gab es nicht.“ Doch die alten Tabus sind so gut wie verschwunden. „Sexuelle Beziehungen unter Teenagern sind fast selbstverständlich geworden“, berichtet sie.
Das Ergebnis einer Umfrage unter 510 Gymnasiasten in den Vereinigten Staaten, wonach ihre zweitgrößte Sorge darin besteht, „sich Aids zuzuziehen“, überrascht daher nicht. Aber nun, wo sich die Tür zur „neuen Moral“ geöffnet hat, scheint die Bereitschaft zu fehlen, sie wieder zu schließen, da Jugendliche die Aufforderung zur Monogamie kaum ernst nehmen und mit Geschlechtsbeziehungen schon gar nicht bis zur Ehe warten wollen. Ein junger Franzose fragte: „Können wir uns in unserem Alter verpflichten, jemandem unser Leben lang treu zu sein?“ Aids und andere sexuell übertragbare Krankheiten werden also weiterhin die Gesundheit und das Leben vieler Jugendlicher bedrohen.
Wie sieht die Zukunft aus?
Junge Menschen haben noch eine andere nagende Sorge. Die Aussicht, eine ruinierte Erde zu erben, beunruhigt sie — eine des Ozons beraubte Atmosphäre, steigende Temperaturen zufolge eines weltweiten Treibhauseffekts, ausradierte Regenwälder, zum Atmen ungeeignete Luft und zum Trinken ungeeignetes Wasser. Die Gefahr eines Atomkriegs, obwohl sie zur Zeit nicht so ausgeprägt ist, veranlaßt einige zu der Überlegung, ob die Menschheit überhaupt eine Zukunft hat.
Offensichtlich stehen junge Menschen also heute vor gewaltigen Herausforderungen. Ohne Hilfe und Anleitung ist ihr gegenwärtiges und künftiges Glück ernstlich gefährdet. Und ohne Hoffnung für die Zukunft ist kein Gefühl der Sicherheit möglich. Glücklicherweise steht für die heutige Jugend Hilfe zur Verfügung.
[Fußnote]
a Diese und andere Äußerungen von Jugendlichen aus Entwicklungsländern sind dem Magazin Weltgesundheit vom April 1989 entnommen.
[Bild auf Seite 6]
Aufgrund von Familienzerrüttung durch Scheidung und Trennung fehlt vielen Jugendlichen die nötige Unterstützung der Eltern