Die Weltbevölkerung — Was bringt die Zukunft?
BAUFÄLLIGE Wohnhäuser, unhygienische Zustände, Mangel an Nahrung und sauberem Wasser, Krankheiten, Unterernährung — diese und zahlreiche andere Probleme gehören zum täglichen Leben eines Großteils der Weltbevölkerung. Doch wie wir gesehen haben, schaffen es die meisten der unter solchen Bedingungen lebenden Menschen irgendwie, ihr Leben zu meistern.
Aber was bringt die Zukunft? Werden die Menschen diese schlimmen Zustände auf unbestimmte Zeit ertragen müssen? Und wie steht es noch dazu mit den düsteren Prognosen, die Umweltexperten und andere als Folge der kontinuierlichen Bevölkerungsentwicklung stellen? Sie sagen, daß wir unsere Heimat ruinieren, indem wir das, worauf wir angewiesen sind — Luft, Wasser und Boden —, verschmutzen. Auch weisen sie auf den Treibhauseffekt hin: Gase wie Kohlendioxyd, Methan und Fluorchlorkohlenwasserstoffe (Kühl- und Aufschäummittel) werden ausgestoßen, was zur Erwärmung der Atmosphäre und zu Veränderungen der globalen Wetterlage führt — mit katastrophalen Folgen. Bedeutet das schließlich das Ende der Menschheit, wie wir sie kennen? Untersuchen wir einige entscheidende Faktoren einmal näher.
Gibt es zu viele Menschen?
Wird die Weltbevölkerung unbegrenzt wachsen? Gibt es irgendwelche Hinweise, wie weit die Entwicklung fortschreiten wird? Es ist eine Tatsache, daß die Weltbevölkerung wächst — trotz Bemühungen in Richtung Familienplanung. Die jährliche Zunahme beträgt etwa 90 Millionen (diese Zahl entspricht der Einwohnerzahl Mexikos). Allem Anschein nach besteht in nächster Zukunft keine Aussicht, die Entwicklung aufzuhalten. Vorausschauend stimmen allerdings die meisten Demographen darin überein, daß sich die Bevölkerungszahl letzten Endes auf einem bestimmten Stand einpendeln wird. Die Frage ist jedoch, bei welchem Stand und wann.
Nach Hochrechnungen des UN-Bevölkerungsfonds könnte die Weltbevölkerung auf 14 Milliarden anwachsen, bis sie sich einpendelt. Nach anderen Schätzungen hingegen wird sie höchstens 10 bis 11 Milliarden erreichen. Wie auch immer — die entscheidenden Fragen lauten: Wird es zu viele Menschen geben? Hat die Erde für das Zwei- bis Dreifache der jetzigen Bevölkerung Platz?
Statistisch betrachtet, würden bei einer Bevölkerungszahl von 14 Milliarden auf einen Quadratkilometer 104 Menschen kommen. Wie wir gesehen haben, beträgt die Bevölkerungsdichte in Hongkong 5 592 je Quadratkilometer. Derzeit liegt die Bevölkerungsdichte in den Niederlanden bei 430 und in Japan bei 848, und das sind Länder, die einen überdurchschnittlichen Lebensstandard haben. Selbst wenn die Weltbevölkerung auf das vorausgesagte Ausmaß anwächst, ist somit die Anzahl der Menschen nicht das eigentliche Problem.
Wird es genug Nahrung geben?
Wie steht es mit der Nahrungsmittelversorgung? Kann die Erde 10 oder 14 Milliarden Menschen ernähren? Offensichtlich könnte die gegenwärtige Nahrungsmittelerzeugung den Bedürfnissen so vieler Menschen nicht gerecht werden. Tatsächlich hört man immer wieder von Lebensmittelknappheit, Unterernährung und Hungertod. Heißt das, wir produzieren nicht genug Nahrung für die jetzige Bevölkerung, ganz zu schweigen vom Zwei- oder Dreifachen?
Diese Frage ist schwer zu beantworten, weil es darauf ankommt, was man unter „genug“ versteht. Während sich in den ärmsten Ländern der Welt Hunderte von Millionen nicht einmal eine minimale gesunde Ernährung leisten können, leiden die Menschen in den reichen Industrieländern an den Folgen einer zu reichhaltigen Ernährung — Schlaganfälle, Krebserkrankungen, Herzkrankheiten und so weiter. Wie wird die Ernährungslage davon berührt? Man hat errechnet, daß fünf Kilo Feldfrüchte nötig sind, um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren. Folglich verbraucht ein Viertel der Erdbewohner, nämlich die Fleischesser, fast die Hälfte der gesamten Feldfrüchte.
Was die produzierte Gesamtnahrungsmenge betrifft, ist folgende Aussage aus dem Buch Bread for the World (Brot für die Welt) beachtenswert: „Wenn die derzeit weltweit produzierten Nahrungsmittel unter allen Erdbewohnern gerecht verteilt würden, ohne etwas zu verschwenden, hätte jeder genug. Gerade genug vielleicht, aber immerhin genug.“ Diese Feststellung wurde 1975 getroffen — vor über 15 Jahren. Wie sieht die Lage heute aus? Gemäß dem Institut für Weltressourcen „hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten die weltweite Nahrungsmittelproduktion zugenommen und die Nachfrage überstiegen. Infolgedessen sind in den letzten Jahren die Preise für die Hauptnahrungsmittel an den internationalen Märkten erheblich gesunken.“ Andere Studien zeigen, daß die Preise für Reis, Mais, Sojabohnen und andere Grundnahrungsmittel in diesem Zeitraum um die Hälfte oder mehr gefallen sind.
Im Grunde geht es bei dem Ernährungsproblem also nicht so sehr um die Menge, die erzeugt wird, sondern um das Konsumniveau und -verhalten. Die Gentechnologie ermöglicht es, neue Reis-, Weizen- und andere Getreidesorten zu erzeugen, mit denen die derzeitige Produktion verdoppelt werden kann. Doch die Fachkenntnisse auf diesem Gebiet werden zum großen Teil für landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Tabak und Tomaten eingesetzt, die die Reichen zufriedenstellen, statt die Mägen der Armen zu füllen.
Wie steht es mit der Umwelt?
Forschern wird mehr und mehr bewußt, daß die Bevölkerungsentwicklung nur einer der Faktoren ist, die das künftige Wohl der Menschheit bedrohen. In ihrem Buch The Population Explosion zeigen Paul und Anne Ehrlich zum Beispiel auf, daß die Wirkung menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt durch folgende einfache Gleichung ausgedrückt werden kann: Wirkung = Bevölkerung × Wohlstandsniveau × Einfluß der Technologie auf die Umwelt.
Nach dieser Rechnung, so argumentieren die Autoren, sind Länder wie die Vereinigten Staaten übervölkert — nicht, weil dort zu viele Menschen leben, sondern weil ihr Wohlstandsniveau von einem hohen Verbrauch natürlicher Ressourcen und von Technologien abhängt, die die Umwelt stark belasten.
Das scheint durch weitere Studien bestätigt zu werden. Der New York Times zufolge sagte der Wirtschaftswissenschaftler Daniel Hamermesh, daß der Ausstoß von Treibhausgasen in engerer Verbindung zu dem Grad der wirtschaftlichen Aktivität steht als zu der Zahl der Menschen, die an dem Ausstoß der Gase beteiligt sind. Der Durchschnittsamerikaner erzeuge 19mal soviel Kohlendioxyd wie der Durchschnittsinder. Und es sei durchaus möglich, daß beispielsweise ein wirtschaftlich pulsierendes Brasilien mit einem langsamen Bevölkerungswachstum seine Tropenwälder schneller verbrenne als ein verarmtes Brasilien mit einem rapiden Bevölkerungswachstum.
Eine ähnliche Aussage machte Alan Durning vom Worldwatch-Institut: „Die reichste Milliarde Menschen in der Welt hat eine so habsüchtige und verschwenderische Zivilisation geschaffen, daß der Planet Erde in Gefahr ist. Der Lebensstil dieser Reichen — der Autofahrer, Fleischesser, Limotrinker und Wegwerfkonsumenten — stellt eine ökologische Bedrohung dar, die an Schwere von nichts, außer vielleicht vom Bevölkerungswachstum, übertroffen wird.“ Er wies darauf hin, daß dieses „wohlhabendste Fünftel“ der Menschheit fast neun Zehntel der Fluorchlorkohlenwasserstoffe und über die Hälfte der anderen Treibhausgase produziert, die die Umwelt gefährden.
Das Kernproblem
Aus dem bisher Erörterten wird deutlich, daß man am Kernproblem vorbeigehen würde, wenn man dem Bevölkerungswachstum allein die Schuld an den Nöten der Menschheit geben würde. Das eigentliche Problem ist nicht, daß der Lebensraum knapp wird oder daß die Erde nicht genug Nahrung produzieren kann, um jedem eine gesunde Ernährung zu ermöglichen, oder daß bald alle Ressourcen aufgebraucht sind. Das sind lediglich Symptome. Das eigentliche Problem besteht darin, daß immer mehr Menschen nach einem immer höheren Konsumniveau streben, ohne die Folgen ihrer Handlungsweise zu bedenken. Dieser unersättliche Wunsch nach mehr belastet die Umwelt bis an ihre äußersten Grenzen. Mit anderen Worten: Das Kernproblem ist nicht so sehr die Anzahl der Menschen als vielmehr die menschliche Natur.
Alan Durning schrieb: „In einer empfindlichen Biosphäre kann das endgültige Schicksal der Menschheit davon abhängen, daß wir ein Bewußtsein für die Notwendigkeit größerer Selbstbeschränkung entwickeln, gegründet auf eine allgemeine Haltung, die auf eine Einschränkung des Konsums und auf die Suche nach nichtmateriellem Reichtum ausgerichtet ist.“ Dieser Standpunkt ist vernünftig, aber die Frage ist, ob man annehmen kann, daß sich die Menschen überall freiwillig selbst beschränken, den Konsum einschränken und nichtmateriellen Reichtum anstreben werden. Das wird kaum der Fall sein. Nach dem heute vorherrschenden zügellosen und hedonistischen Lebensstil zu urteilen, wird eher das Gegenteil eintreten. Die meisten scheinen nach dem Motto zu leben: „Laßt uns essen und trinken, denn morgen werden wir sterben“ (1. Korinther 15:32).
Selbst wenn sich genug Leute aufrütteln ließen und ihr Leben änderten, wäre es nicht möglich, den Trend sehr bald umzukehren. Man denke an die vielen Gruppen von Umweltschützern und an die alternativen Lebensstile, die im Laufe der Jahre aufgekommen sind. Einige haben Schlagzeilen gemacht, aber hatten sie einen echten Einfluß auf die Lebensweise der Allgemeinheit? Kaum. Was ist das Problem? Nun, das gesamte System — kommerziell, kulturell und politisch — setzt sich aus einer Wegwerfgesellschaft zusammen, in der die Kurzlebigkeit der Waren vorprogrammiert ist. Von daher kann es keine Veränderung geben ohne eine am Fundament ansetzende umfassende Sanierung. Und das würde erfordern, die Menschheit von Grund auf zum Umdenken zu bewegen.
Gibt es eine strahlende Zukunft?
Man kann die Situation mit der einer Familie vergleichen, die in einem komplett eingerichteten Haus wohnt, das ihr ein Wohltäter überlassen hat. Damit sich die Bewohner richtig zu Hause fühlen, dürfen sie von allen Einrichtungen in dem Haus nach Belieben Gebrauch machen. Was wäre jedoch, wenn die Familie die Möbel beschädigen, den Boden aufreißen, die Fenster zerschlagen, die Abwasserrohre verstopfen und die Stromleitungen überlasten würde, kurzum, wenn sie das Haus völlig zu ruinieren drohte? Würde der Besitzer tatenlos zusehen? Wahrscheinlich nicht. Er würde zweifellos etwas unternehmen, um die zerstörerischen Bewohner aus seinem Haus zu entfernen und es wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu bringen. Niemand würde wohl bestreiten, daß dieses Vorgehen gerechtfertigt wäre.
Was ist nun von der Menschheitsfamilie zu sagen? Sind wir nicht mit Bewohnern eines erstklassig eingerichteten Hauses zu vergleichen, das uns unser Schöpfer, Jehova Gott, überlassen hat? Ja, denn der Psalmist sagte treffend: „Jehova gehört die Erde und das, was sie erfüllt, das ertragfähige Land und die, die darauf wohnen“ (Psalm 24:1; 50:12). Gott hat uns nicht nur mit allem versorgt, was für das Leben unerläßlich ist — Licht, Luft, Wasser und Nahrung —, sondern er hat das Notwendige auch reichlich und in großer Vielfalt bereitgestellt, so daß wir uns am Leben erfreuen können. Doch wie haben sich die Menschen als Bewohner verhalten? Leider nicht besonders gut. Wir ruinieren buchstäblich unsere schöne Heimat. Was wird der Besitzer, Jehova Gott, dagegen unternehmen?
Gott wird die „verderben, die die Erde verderben“ (Offenbarung 11:18). Und wie wird er vorgehen? Die Bibel antwortet: „In den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das nie zugrunde gerichtet werden wird. Und das Königreich selbst wird an kein anderes Volk übergehen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und ihnen ein Ende bereiten, und selbst wird es für unabsehbare Zeiten bestehen“ (Daniel 2:44).
Was können wir von der Herrschaft des für immer bestehenden Königreiches Gottes erwarten? Der Prophet Jesaja gibt uns eine Vorschau auf die Zukunft:
„Sie werden gewiß Häuser bauen und sie bewohnen; und sie werden bestimmt Weingärten pflanzen und deren Fruchtertrag essen. Sie werden nicht bauen und ein anderer es bewohnen; sie werden nicht pflanzen und ein anderer essen. Denn gleich den Tagen eines Baumes werden die Tage meines Volkes sein; und das Werk ihrer eigenen Hände werden meine Auserwählten verbrauchen. Sie werden sich nicht umsonst abmühen, noch werden sie zur Bestürzung gebären; denn sie sind der Nachwuchs, bestehend aus den Gesegneten Jehovas, und ihre Nachkommen mit ihnen“ (Jesaja 65:21-23).
Eine strahlende Zukunft für die Menschheit! In dieser von Gott herbeigeführten neuen Welt wird die Menschheit nicht mehr unter Wohnungsnot, Nahrungsmittel- und Wasserknappheit, Gesundheitsproblemen und Benachteiligung leiden. Endlich wird sich die gehorsame Menschheit unter Gottes Leitung die Erde unterwerfen und sie füllen können, ohne daß Übervölkerung droht (1. Mose 1:28).
[Kasten auf Seite 13]
Warum sind Nahrungsmittel oft teuer?
Obwohl die eigentlichen Kosten für die Nahrung gesunken sind, werden im allgemeinen steigende Lebensmittelpreise registriert. Warum? Ein einfacher Grund dafür ist die Verstädterung. Um die Menschenmassen in den stetig wachsenden Städten der Welt zu ernähren, müssen Nahrungsmittel über große Entfernungen transportiert werden. In den Vereinigten Staaten zum Beispiel „reisen Lebensmittel im Durchschnitt 2 100 Kilometer vom Feld zum Eßtisch“, ergab eine Studie des Worldwatch-Instituts. Der Verbraucher zahlt nicht nur für die Nahrung, sondern auch für die versteckten Kosten, die durch Verarbeitung, Verpackung und Transport entstehen.
[Diagramm auf Seite 10]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Die Erdatmosphäre fängt die Sonnenwärme ein. Doch die erzeugte Wärme — in Form von Infrarotstrahlung — kann wegen der Treibhausgase nicht so leicht entkommen, so daß die Erde weiter aufgeheizt wird.
Treibhausgase
Entweichende Strahlung
Gefangene Infrarotstrahlung
[Bilder auf Seite 12]
Fünf Kilo Feldfrüchte sind nötig, um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren. Folglich verbraucht ein Viertel der Erdbewohner, nämlich die Fleischesser, fast die Hälfte der gesamten Feldfrüchte.