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Erwachet! 1995
g95 8. 5. S. 10-12

Warum bohrt man so tief?

Von unserem Korrespondenten in Deutschland

WEM ist schon bewußt, daß ungefähr 9 Kilometer von seinem Zuhause entfernt die Temperatur glühendheiße 300 °C beträgt? Aber keine Sorge, diese Hitze herrscht weit unter uns in einer Tiefe von 9 000 Metern! Und damit wir uns die Füße nicht versengen, schützt uns ein Schutzschild — die Erdkruste.

Diese Kruste steht im Mittelpunkt des Interesses beim Kontinentalen Tiefbohrprogramm der Bundesrepublik Deutschland in der Nähe von Windischeschenbach, einem Dorf unweit der tschechischen Grenze. Ursprünglich hatte man vor, die Bohrung bis in eine Tiefe von 10 Kilometern vorzutreiben, um diesen Schutzschild näher zu erforschen. Wie wir später noch sehen werden, mußte die Bohrung allerdings wegen der Hitze nach 9 Kilometern eingestellt werden. Aber warum hat man sich eigentlich die Mühe gemacht, ein so tiefes Loch zu bohren?

Tiefbohrungen sind nichts Neues. Die Chinesen sollen um 600 v. u. Z. Bohrungen auf Salzsole bis in eine Tiefe von etwa 500 Metern durchgeführt haben. Im Zuge der industriellen Revolution hat das unbändige Verlangen des Westens nach Rohstoffen die Entwicklung der Tiefbohrtechnik forciert. In jüngster Zeit stecken hinter den Bohrungen jedoch weitaus dringlichere Gründe als rein kommerzielle Interessen: Das Leben des Menschen steht auf dem Spiel. Inwiefern? Und was kann man durch Tiefbohrungen in den Erdboden erreichen?

Warum ist die Tiefbohrung so wichtig?

Erstens gehen eine Reihe der Mineralvorkommen durch schnellen Verbrauch zur Neige. Könnten diese Mineralien aus einer größeren Tiefe gewonnen werden, wo sie sich vielleicht noch in ihrer Entstehungsphase befinden? Diese Frage wird durch Tiefbohrungen womöglich beantwortet.

Zweitens fordern Erdbeben, bedingt durch die zunehmende Bevölkerungsdichte der Erde, einen immer höheren Tribut. Ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in erdbebengefährdeten Gebieten. Dazu gehören auch die Einwohner von mehr als einem Drittel der größten Städte der Erde. Was haben Erdbeben mit Bohrungen zu tun? „Erkenntnisse aus der Lithosphärenforschung [die Lithosphäre ist die Gesteinshülle der Erde] sollen genauere Prognosen ermöglichen“ wird in der Broschüre Das Loch ausgeführt. Der Mensch hat demnach triftige Gründe für sein Bemühen, die Geheimnisse der Erde zu erforschen.

Die Kosten für Tiefbohrungen sind allerdings sehr hoch. Für das deutsche Projekt wurden 528 Millionen Mark veranschlagt. Lassen sich die Geheimnisse unseres Planeten nicht auch auf andere Weise ans Tageslicht bringen? Einerseits ja, andererseits nein. Die Wissenschaft leitet vieles über den inneren Aufbau der Erde von oberirdischen Instrumenten ab. Ein übertiefes Bohrloch ist jedoch die einzige Möglichkeit, die Richtigkeit solcher Vermutungen nachzuweisen und Gestein zu untersuchen, das sich noch bis in die Gegenwart unter extremen Druck- und Temperaturbedingungen befindet. Man könnte also sagen, die Tiefbohrung versucht der Sache auf den Grund zu gehen.

So weit ganz allgemein zum Thema Bohren. Warum statten wir dem Standort in Windischeschenbach nicht einfach einen Besuch ab? In Sorge wegen der wissenschaftlichen Fachausdrücke? Nicht nötig. Der Geologe, der uns führen wird, hat versprochen, alles ganz einfach zu erklären.

Eine ganz erstaunliche Bohranlage

Wir hatten nicht erwartet, einen Bohrturm über dem Bohrloch prangen zu sehen, der so hoch ist wie ein 20geschossiges Gebäude. Auch für den Laien wird das Projekt durch diesen Bohrturm höchst interessant. Doch das ist nicht alles.

Nehmen wir zum Beispiel den Standort. Bei den Planungen für das übertiefe Loch haben sich die Wissenschaftler nicht einfach irgendeinen Ort ausgesucht. In der Zeitung Die Zeit war darüber zu lesen: „Wer erfahren möchte, wie Erdbeben zustande kommen, muß sich auf die Stellen konzentrieren, an denen [unterirdische] Platten aufeinanderstoßen oder auseinanderdriften.“ Windischeschenbach ist ein solcher Ort, denn er liegt direkt an der Nahtstelle zweier subterraner Kontinentalplatten, das heißt langsam wandernder Teile der Erdkruste.

In der Vergangenheit soll eine derart starke Kollision der zwei Platten stattgefunden haben, daß die tiefer gelegenen Teile der Erdkruste so weit angehoben wurden, daß sie mit moderner Technik erbohrbar werden. Wenn man durch verschiedene Gesteinsschichten bohrt, erhält man ein „geologisches Schaschlik“, wie unser Begleiter es nennt. Wie tief ist das Loch?

Am 12. Oktober 1994 wurde im Informationsgebäude in Leuchtschrift eine maximale Tiefe von 9 101 Metern angezeigt. Wer kann sich eine Vorstellung davon machen, wie tief das ist? Nun, wenn es einen Fahrstuhl bis zur Bohrlochsohle gäbe, würde unsere Fahrt in die Tiefe fast eineinhalb Stunden dauern. Das wäre allerdings eine Reise, die wir nie wieder vergessen würden. Warum nicht? Weil mit jedem Kilometer, den wir uns abwärts bewegen würden, die Temperatur um 25 bis 30 °C zunähme. Bei der gegenwärtig erreichten Tiefe würden wir demnach glühendheiße 300 °C antreffen. Wir sind froh und dankbar, daß zu unserer Besichtigung keine Exkursion zur Bohrlochsohle gehört. Doch in Verbindung mit der Temperatur gibt es noch einen anderen interessanten Aspekt des Projekts.

Das Bohrloch überschreitet bei ungefähr 9 000 Metern die kritische Schwelle von 300 °C. Warum kritisch? Weil festes Gestein bei dieser Hitze und unter diesem hohen Druck verformbar wird. Nie zuvor hat man diese Veränderung in natürlicher Umgebung untersucht.

Auch das Steuerungssystem der Bohrung ist bemerkenswert. Um sich das Ganze einmal in Miniatur vorzustellen, nehme man einen 100 Meter langen Draht, der einen Durchmesser von 2 Millimetern hat — in etwa die Stärke einer dicken Nähnadel. Und jetzt versuche man, am anderen Ende einen Minibohrer anzusetzen. Es würde nicht lange dauern, und das Loch wäre krumm und schief oder der Bohrer abgebrochen, vielleicht ja auch beides.

Um das Loch möglichst senkrecht zu bohren, wurden Geräte entwickelt, die automatisch den gewünschten Kurs verfolgen, indem sie Abweichungen korrigieren. Dieses Vertikalbohrsystem hat sich als so erfolgreich erwiesen, daß in einer Tiefe von 6 000 Metern die Bohrlochsohle nur um 8 Meter von der Vertikalen abweicht. Wirklich eine Leistung, ein Loch zu bohren, das, wie unser Begleiter sich ausdrückt, „vermutlich so gerade ist wie sonst keins auf der Welt“.

Das Auswechseln des Bohrers — ein „roundtrip“

Der Bohrmeißel wird nicht über Tage, sondern vor Ort durch einen sogenannten Untertagemotor angetrieben. Demzufolge rotiert der Bohrstrang beim Bohren nicht in seiner ganzen Länge. Wie auch immer, das Bohren in solchen Tiefen ist ein beschwerlicher Vorgang. Ein Bohrmeißel arbeitet sich jede Stunde mühsam um ein bis zwei Meter tiefer in das Gestein vor und wird nach ungefähr 50 Metern ausgewechselt. Während wir immer näher an den Bohrturm herangeführt werden, können wir beobachten, wie der Bohrstrang genau zu diesem Zweck aus dem Loch herausgezogen wird, nämlich um den Bohrmeißel auszutauschen.

Riesige Roboterhände greifen nach den 40 Meter langen einzelnen Teilen des Bohrstrangs und schrauben sie auseinander. Dieses sogenannte Pipehandling-System ist eine weitere faszinierende Besonderheit an diesem Projekt. Ganz neu konzipiert, ermöglicht es eine gewisse Zeiteinsparung bei dem ermüdenden Auseinander- und Zusammenschrauben des Bohrstrangs, dem „roundtrip“, wie Bohrfachleute den Ein- und Ausbau nennen. An dieser Arbeit führt kein Weg vorbei. Unter einem gelben Schutzhelm kommt ein freundlich lächelndes Gesicht zum Vorschein, und uns wird erklärt: „Um den Bohrmeißel auszutauschen, muß immer alles herausgezogen werden.“

Was können Gesteinsproben aussagen?

Wir sind verblüfft, beim Besichtigen des Labors Regale über Regale voller Gesteinsproben zu sehen. Wie werden diese Proben der Erde entnommen? Es gibt zwei unterschiedliche Verfahren.

Eines ist die Kernbohrung, bei der man zylindrische Gesteinskerne gewinnt. Bei den Untersuchungen dieser Kerne im Labor darf keine Zeit verloren werden. Wieso diese Eile? Weil das Gestein in der Kruste einem hohen Druck ausgesetzt war. Wie sich ein Kern während seiner ersten Tage an der Erdoberfläche „entspannt“, daraus können Geophysiker viele Rückschlüsse hinsichtlich dieses Drucks ziehen.

Die üblichere Methode, Bohrproben zu gewinnen, wird beim herkömmlichen Bohren angewendet. Eine Spülflüssigkeit wird durch das Bohrgestänge gepumpt, um den Bohrmeißel zu kühlen und Gesteinsfragmente (Bohrklein) herauszuspülen. Die Bohrspülung kehrt durch Druck mit dem Bohrgut an die Oberfläche zurück, wo sie gefiltert wird. Die Spülflüssigkeit wird wieder verwendet, und das Bohrklein wird analysiert. Was verraten die Analysen?

Man untersucht das Gestein, bestimmt dessen Zusammensetzung und mißt auch die elektrische Leitfähigkeit und die magnetischen Eigenschaften. Alle Daten über das Vorkommen von Erzlagerstätten werden abgespeichert. Die Dichte des Gesteins gibt Aufschluß über die Geschwindigkeit, mit der sich eine seismische Welle im Erdboden fortsetzt.

Untersuchungen haben auch zutage gebracht, daß es eine ständige Wasserzirkulation zwischen der Erdoberfläche und Tiefen von mehr als 4 000 Metern gibt. „Dies wirft ein ganz neues Licht auf die Problematik der Entsorgung von Schadstoffen in Bergwerken und Schächten“ wird in der Naturwissenschaftlichen Rundschau festgestellt.

Am Ende unserer Besichtigung angekommen, verabschieden wir uns ganz herzlich von „unserem“ Geologen. Seine Erklärungen zu diesem Projekt waren geprägt von der Sachlichkeit eines Experten, für den das Außergewöhnliche zum Normalzustand geworden ist. Für Wissenschaftler wird in Windischeschenbach vielleicht nur Erde bewegt, aber für uns war dieser Besuch fast schon „weltbewegend“.

[Bilder auf Seite 10]

Oben: Messungen an Bohrkernen

Links: Modell der Erdkruste

[Bildnachweis]

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