Krabben — Eine Delikatesse von einer Farm?
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN ECUADOR
JA, DIESE Delikatesse unter den Meeresfrüchten, an der sich Millionen erfreuen, kommt oftmals von einer Farm. Allerdings ist sich der Verbraucher dessen wahrscheinlich nicht bewußt, denn eine Zuchtgarnele von der Farm unterscheidet sich kaum, wenn überhaupt, von einer Zuchtgarnele aus dem Meer. Viele Garnelenteiche in Ecuador werden sogar mit Junggarnelen aufgefüllt, die direkt aus dem Meer gefischt wurden.
Die nicht mehr als eineinhalb Zentimeter großen Junggarnelen werden von den Fischern, den larveros, mit Netzen in von Mangroven gesäumten Buchten entlang der Küste oder in der Brandung gefangen. Dann werden sie zur Aufzucht in die Teiche gebracht. Doch das allein deckt nicht den Bedarf an Krabben. Um die Teiche mit Junggarnelen zu füllen, verlassen sich viele Krabbenfarmen daher auf Zuchtbetriebe, die sich moderner Aquakulturtechniken bedienen. Schauen wir uns einmal an, wie eine solche Krabbenfarm funktioniert.
Ein Besuch in einer Zuchtanlage
Die Zuchtanlage, die wir besuchen, befindet sich an einem herrlichen Strand an der Pazifikküste. Eine Krabbenzuchtanlage muß in der Nähe eines großen Gewässers mit Salzwasser liegen, damit ihr komplexes Wasserverteilungssystem funktioniert. Das Meerwasser wird in die Anlage gepumpt, gefiltert, nötigenfalls erwärmt und in verschiedene Tanks geleitet.
Unterwegs begegnen wir einer Gruppe leger gekleideter, freundlicher Leute — Meeresbiologen, Techniker und Arbeiter. Als erstes schauen wir uns den Begattungsraum an. Hier werden ausgewachsene Garnelen aus dem Meer in 17 000 Liter fassenden Begattungstanks gehalten. „Diese Garnelen sind nicht für den Verzehr gedacht“, erklärt uns unser Führer. „Man hat sie als ausgewachsene Tiere gefangen und zu Brutzwecken hierhergebracht.“
Im Begattungsraum hält man sich streng an bestimmte Beleuchtungszeiten. Zwischen 15 Uhr und Mitternacht — die Zeit der Paarung — werden die schwachen Lampen ausgeschaltet, und die Arbeiter suchen mit Taschenlampen nach laichbereiten Weibchen. Die Weibchen der Art Penaeus vannemei sind leicht auszumachen, denn die Männchen heften an die Unterseite der Weibchen ein Samenpaket. Sowie die Arbeiter ein laichbereites Weibchen entdecken, wird es herausgeholt und in einen kleineren, 260 Liter fassenden Tank, den Laichtank, gebracht.
Dort wird jeweils nur ein laichbereites Weibchen auf eine Platte am oberen Ende eines kegelförmigen Behälters gesetzt, bis es die Eier — 180 000 oder mehr — ausstößt. Dabei kommen die Eier mit dem gallertartigen Samenpaket in Berührung und werden befruchtet. Anschließend fließt das Wasser mitsamt den Eiern durch das trichterähnliche untere Ende des Laichtanks. Die Techniker führen Buch, wie viele Eier bei jedem Laichvorgang ausgestoßen werden.
Stunden nach dem Laichen werden die Larven in kontrollierten Mengen in sogenannte Aufzuchttanks gesetzt. Diese gleichen riesigen Badewannen und können ungefähr 11 000 Liter Wasser fassen. In den folgenden 20 bis 25 Tagen sind diese Tanks das Zuhause für die heranwachsenden Larven, die sich von Algen und getrockneten Meerestierchen ernähren.
Wo die Krabben heranreifen
Die Krabben, nun im Spätlarvenstadium, werden zu den Farmen gebracht. Dort erhalten die Zuchtkrabben aus der Zuchtanlage eine ähnliche Pflege wie ihre Verwandten aus dem Meer. Die Larven werden in kleine Becken gesetzt, um zu prüfen, wie gut sie sich an die veränderte Wassertemperatur und den Salzgehalt im Wasser gewöhnen. Nach ein paar Tagen sind sie so weit, daß man sie in große Teiche umsiedeln kann. Diese künstlichen Teiche sind mit einem Kanal verbunden, in den ständig Meerwasser gepumpt wird. Die angrenzenden Teiche sind ungefähr 5 bis 10 Hektar groß. Dort läßt man die Junggarnelen 3 bis 5 Monate heranwachsen.
Während der Wachstumsperiode wird der Sauerstoffgehalt des Wassers in den Teichen täglich kontrolliert. Außerdem wird jede Woche überprüft, wie schnell die Garnelen wachsen, und dementsprechend das Ernährungsprogramm umgestellt. Man bemüht sich um eine wöchentliche Gewichtszunahme von 1 bis 2 Gramm.
Erntezeit
Zum Ernten der Garnelen wird der Teich abgelassen; sowie die Garnelen in die Nähe des Ausflusses geraten, werden sie mit einem Netz herausgefischt oder herausgepumpt. Dann werden die frisch geernteten Krabben abgespritzt, mit Eis bedeckt und umgehend zu einer Firma transportiert, wo sie abgepackt werden. Sofern der Großkunde keine besonderen Wünsche hat, wird der Kopf von den Krabben abgetrennt, aber der Schwanz ungeschält gelassen. Die Krabben werden gewaschen, nach Größe sortiert, schließlich verpackt und versandfertig eingefroren, gewöhnlich zweieinhalb Kilo pro Kiste.
Wenn man sich also das nächste Mal Krabben schmecken läßt, kommt einem vielleicht in den Sinn, daß diese köstlichen Meeresfrüchte auf dem Teller durchaus irgendwo in Lateinamerika oder Asien in einem Teich gezüchtet wurden.
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Größe der Krabben bei der Ernte
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Fischer fangen Jungkrabben mit einem Netz
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Der Aufzucht dienende Wannen
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Reinigung der Krabben in der Firma, wo sie verpackt werden
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Verpackung der nach Größe sortierten Krabben