HEBRÄER
Studienanmerkungen zu Kapitel 1
An die Hebräer: Titel wie dieser waren offensichtlich nicht im Originaltext enthalten. Wie alte Handschriften zeigen, wurden sie später hinzugefügt, zweifellos um die Bibelbücher leichter auseinanderhalten zu können. Der Titel „An die Hebräer“ steht im Papyruskodex P46, der auf etwa 200 u. Z. datiert wird. Er enthält die älteste bekannte Abschrift des Hebräerbriefs. (Siehe Mediengalerie, „Der Brief von Paulus an die Hebräer“.) Andere maßgebende Bibelhandschriften wie der Codex Sinaiticus und der Codex Vaticanus aus dem 4. Jh. u. Z. enthalten den Titel ebenfalls.
Gott sprach vor langer Zeit … zu unseren Vorfahren: Über die Jahrhunderte hinweg sprach Gott zu seinem Volk durch eine Reihe von Propheten. Einige von ihnen nennt oder zitiert Paulus im Hebräerbrief, darunter Abraham (1Mo 20:7; Heb 7:1), Moses (5Mo 34:10; Heb 9:19), Jeremia (Jer 31:31-34; Heb 8:8-12), Habakuk (Hab 2:3, 4; Heb 10:37, 38) und Haggai (Hag 2:6; Heb 12:26). Wie Paulus herausstellt, hat Gott jedoch „jetzt, am Ende dieser Tage“, durch seinen Sohn, Jesus Christus, gesprochen (Heb 1:2 und Anm.).
bei vielen Gelegenheiten und auf vielfältige Weise: Im Griechischen beginnt der Hebräerbrief mit zwei Wörtern, die ähnlich klingen und eine ähnliche Bedeutung haben: polymerṓs („bei vielen Gelegenheiten“) und polytrópōs („auf vielfältige Weise“). Die Propheten Jehovas sprachen nicht alle auf einmal zum Volk, sondern zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Umständen. Außerdem übermittelte Jehova den Propheten die Botschaften auf unterschiedliche Weise: Zu manchen sprach er direkt und ließ sie die Botschaft aufschreiben (2Mo 34:27). Andere ließ er Träume haben oder Visionen sehen (Jes 1:1; Da 2:19; 7:1; Hab 1:1). Zu wieder anderen schickte er Engel (Sach 1:7, 9). Die Propheten wiederum verkündeten Gottes Botschaften ebenfalls auf unterschiedliche Weise: durch öffentliche Reden, in schriftlicher Form, mithilfe von Anschauungsmaterial oder durch symbolische Handlungen (Jer 7:1, 2; Hes 4:1-3; Hos 1:2, 3; Hab 2:2).
Jetzt, am Ende dieser Tage: Offensichtlich meint Paulus hier das Ende des jüdischen Systems (1Ko 10:11 und Anm.). Dieses System begann mit der Gründung der Nation Israel im Jahr 1513 v. u. Z. Damals sprach Gott durch Moses zu seinem Volk. Doch Jehova kündigte an, noch einmal einen Propheten wie Moses zu berufen, über den Moses selbst sagte: „Auf ihn sollst du hören“ (5Mo 18:15, 18, 19). Dieser angekündigte Prophet war Jesus Christus (Joh 5:46). Paulus spricht von Jesus, wenn er schreibt, dass Gott durch einen Sohn zu uns gesprochen hat. Als Sohn Gottes war Jesus weit bedeutender als die Propheten vor ihm, die alle unvollkommen waren. Damit leitet Paulus ein Thema ein, um das sich ein Großteil des Hebräerbriefs dreht: Die Überlegenheit der christlichen Religion gegenüber der jüdischen.
den er zum Erben von allem eingesetzt … hat: Ein Erbe ist jemand, der das Recht hat, das Eigentum oder die Autorität einer anderen Person zu erhalten. In den Christlichen Griechischen Schriften werden die Wörter für „Erbe“ und „erben“ meistens in Verbindung mit Menschen verwendet, die von Gott belohnt werden (Mat 5:5 und Anm.; 19:29; 25:34 und Anm.; 1Ko 6:9). Im vorliegenden Vers geht es darum, dass Gott seinen erstgeborenen Sohn „zum Erben von allem eingesetzt“ hat: Er hat Jesus alle Macht im Himmel und auf der Erde übertragen (Ps 2:8; Mat 28:18; Heb 1:6; 2:8; 1Pe 3:22; Off 11:15). Nur der Vater, Jehova, steht über Jesus (1Ko 15:27, 28; Php 2:9-11).
durch den er die Weltsysteme gemacht hat: Das griechische Wort für „Weltsystem“ (oder „Ära“, „Zeitalter“) kann im vorliegenden Vers auf mindestens zwei Arten verstanden werden. Erstens: Es kann sich auf bestimmte Zustände beziehen, die einen Zeitabschnitt charakterisieren. Im Hebräerbrief erwähnt Paulus Anbeter Gottes, die in verschiedenen Zeiten lebten: vor der Sintflut, zur Zeit der Patriarchen und zur Zeit des Gesetzesbundes mit dem Volk Israel. In jeder dieser Epochen konnten Menschen Gott so anbeten, wie es ihm gefiel. Allerdings wies Jehova von Anfang an darauf hin, dass es eines Tages möglich sein würde, durch seinen Sohn vollständig mit ihm versöhnt zu werden. In der christlichen Ära führte Jehova den neuen Bund ein, der auf dem Opfer Jesu beruht. Christus spielt als „der Vermittler“ dieses Bundes eine Hauptrolle in der Umsetzung des Vorhabens Gottes. Deshalb kann gesagt werden, dass das christliche „Weltsystem“ durch ihn „gemacht“ wurde (Heb 1:3; 2:9; 12:24; siehe auch Worterklärungen zu „Weltsystem; Systeme“). Zweitens: Der Ausdruck „Weltsysteme“ kann sich hier auf das Universum beziehen, also auf die materielle Schöpfung Gottes, zu der die Sonne, der Mond, die Sterne, die Erde usw. gehören. Als Jehovas „Werkmeister“ spielte Jesus bei der Schöpfung eine wichtige Rolle (Spr 8:30; Joh 1:3; vgl. Heb 11:3).
Er spiegelt Gottes Herrlichkeit wider: Wtl. „Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit“. Mit dieser und anderen Formulierungen beschreibt Paulus das einzigartige Verhältnis zwischen dem auferstandenen Christus und seinem himmlischen Vater. Das mit „widerspiegeln“ übersetzte griechische Substantiv kommt in den Christlichen Griechischen Schriften nur hier vor. Es bezeichnet wörtlich den Glanz, der von etwas ausgeht, und kann in zwei Richtungen verstanden werden: 1. im Sinn von direktem Licht, das eine Lichtquelle aussendet; 2. im Sinn von indirektem Licht, das aus einer anderen Quelle stammt und reflektiert wird. Jesus ist nicht die Quelle der Herrlichkeit seines Vaters, sondern „das Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1:15; vgl. Joh 5:19). Die vorliegende Übersetzung passt also zur biblischen Lehre. Außerdem handelt es sich um einen Parallelgedanken zu der nächsten Aussage im Vers: „Er … ist das genaue Abbild seines Wesens.“
das genaue Abbild seines Wesens: Das mit „das genaue Abbild“ übersetzte griechische Wort (charaktḗr) bedeutet wtl. „Prägung“, „Abdruck“. In der klassischen griechischen Literatur bezog es sich auf Holzschnitzereien, Metallgravuren, Prägungen in Ton oder auf Münzen sowie Brandzeichen bei Tieren. Hier beschreibt es, dass der auferweckte Jesus das Wesen seines himmlischen Vaters perfekt abbildet. Schon als vollkommener Mensch spiegelte Jesus Jehovas Persönlichkeit in dem für einen Menschen größtmöglichen Umfang wider. (Siehe Anm. zu Joh 14:9.) Doch nach seiner Auferstehung gab Jehova ihm „eine übergeordnete Stellung“; seitdem ist Jesus seinem Vater noch ähnlicher (Php 2:9; Heb 2:9). Er ist unsterblich und hat „Leben in sich selbst“ (Joh 5:26 und Anm.; Rö 6:9; Off 1:18). Damit ist er jetzt „das genaue Abbild seines [Gottes] Wesens“ (Heb 1:2-4).
er erhält alles … aufrecht: Als Beleg für Jesu weitreichende Autorität schreibt Paulus hier, dass Jehova seinen Sohn ermächtigt hat, „alles“ im Universum aufrechtzuerhalten. (Vgl. Kol 1:16, 17.) Das griechische Verb für „aufrechterhalten“ kann unter anderem „tragen“, „stützen“ bedeuten. An dieser Stelle vermittelt es den Gedanken, etwas am Dasein zu erhalten oder instand zu halten. Jesus spielt außerdem eine wichtige Rolle dabei, Jehovas Vorhaben umzusetzen.
durch sein machtvolles Wort: Wtl. „durch das Wort seiner Macht“. Paulus meint hier wahrscheinlich die Macht Jehovas. Letztendlich ist Jehova der Ursprung aller Macht und Kraft, doch wenn er möchte, kann er sie auch auf andere übertragen (Jes 40:26, 29-31; Luk 5:17; Php 2:13; 4:13).
setzte er sich an die rechte Seite der Majestät: Jesus hat die Reinigung von Sünden möglich gemacht, indem er „für alle Zeiten ein einziges Opfer für Sünden dargebracht“ hat (Heb 10:12, 13). Zur Belohnung auferweckte Jehova ihn als Geistwesen und gab ihm „im Himmel und auf der Erde alle Macht“; damit hat Jesus jetzt eine weit höhere Stellung im Himmel als vorher (Mat 28:18; Php 2:9-11; Heb 2:9; 1Pe 3:18). Die Formulierung „an die rechte Seite der Majestät“ spielt möglicherweise auf Ps 110:1 an (Heb 1:13 und Anm.; 8:1; 12:2). Rechts neben einem König zu sitzen, war ein Zeichen besonderer Macht, Autorität und Ehre. Jesus hat nach Jehova, „der Majestät“, die wichtigste Stellung im Universum (Rö 8:34; 1Ko 15:27, 28; Eph 1:20; siehe Anm. zu Apg 7:55).
So ist er besser geworden als die Engel: Im Hebräerbrief verwendet Paulus häufig das Wort für „besser“, um die Überlegenheit des christlichen Glaubens herauszustellen. (Siehe „Einführung in Hebräer“.) Jesus ist insofern „besser geworden als die Engel“, als er einen besonderen Namen geerbt hat. Dieser Name steht für die große Autorität, die Jehova ihm übertragen hat. (Siehe Anm. zu Php 2:9.) Jehova hat ihn „zum Erben von allem eingesetzt“ (Heb 1:2 und Anm.). Auch hat er nicht irgendeinen der Engel, sondern Jesus zum König, Apostel und Hohen Priester nach der Art Melchisedeks gemacht (Heb 1:8; 3:1; 5:8-10; 7:1-3; vgl. Off 11:15). Und nur Jesus wurde „ein für alle Mal“ als Loskaufsopfer geopfert (Heb 1:3; 9:28).
Zu welchem Engel hat Gott … jemals gesagt: In den Hebräischen Schriften werden die Engel als Gruppe manchmal „Söhne Gottes“ (Hi 38:7; Ps 89:6) oder „Söhne des wahren Gottes“ genannt (1Mo 6:2, 4; Hi 1:6; 2:1). Doch nirgends bezeichnet Gott einen einzelnen Engel als „mein Sohn“ (Mat 3:17; 17:5). Im vorliegenden Vers erklärt Paulus, dass Jesus Christus über den Engeln steht und ein einzigartiges Verhältnis zu Jehova, dem Vater, hat. Dazu zitiert er zwei Verse, in denen die Worte „mein Sohn“ jeweils im Singular vorkommen, und wendet sie auf Jesus an.
„Du bist mein Sohn. Heute bin ich dein Vater geworden“: Paulus zitiert aus Ps 2:7, um zu zeigen, dass Jesus über den Engeln steht. Dort geht es im Zusammenhang um einen von Jehova eingesetzten König. Offensichtlich bezog sich der prophetische Psalm ursprünglich auf David. Er wurde in dem Sinn Gottes Sohn, dass Gott ihn zum König auswählte. Jesus dagegen wurde auf einzigartige Weise als Gottes Sohn anerkannt. Jehova selbst verkündete bei Jesu Taufe: „Das ist mein Sohn“ (Mat 3:17 und Anm.; Joh 1:14). Wie Paulus gemäß Apg 13:33 unter Leitung des Geistes erklärte, erfüllten sich diese Worte auch bei Jesu Auferstehung. (Siehe Anm. zu Rö 1:4; siehe auch Heb 5:5, wo Paulus noch einmal aus Ps 2:7 zitiert.)
„Ich werde sein Vater sein und er mein Sohn“: Das Zitat stammt aus 2Sa 7:14. (Siehe auch 1Ch 17:13; 28:6.) Im Kontext geht es dort um den Bund, den Jehova mit David schloss (2Sa 7:11-16). Jehova versprach, für David ein Königshaus, d. h. eine Königsdynastie, zu errichten und Davids Sohn Salomo als seinen eigenen Sohn anzunehmen. Wie Paulus im vorliegenden Vers unter Leitung des Geistes zeigt, erfüllte sich diese Prophezeiung in vollem Maß an Jesus Christus.
wenn er seinen Erstgeborenen wieder in die bewohnte Erde einführt: Paulus hat hier ein zukünftiges Ereignis im Sinn. Diese Schlussfolgerung wird durch Heb 2:5 gestützt, wo er von einer „künftigen bewohnten Erde“ spricht. (Siehe Anm.) Paulus bezieht sich auf eine Zeit, zu der Gott seinen Erstgeborenen wieder – diesmal unsichtbar – in die Welt senden würde, um der Menschheit Aufmerksamkeit zu schenken. (Siehe Anm. zu Luk 2:1; Apg 1:11.)
Alle Engel Gottes sollen ihm ihre Ehrerbietung erweisen: Paulus zitiert hier aus der Septuaginta. Das Zitat stammt entweder aus 5Mo 32:43 oder aus Ps 97:7 oder ist eine Kombination der beiden Textstellen. In 5Mo 32:43 steht in der Septuaginta: „Alle Söhne Gottes sollen sich vor ihm niederwerfen!“, und in Ps 97:7 (96:7, LXX) heißt es: „Fallt vor ihm nieder, alle seine Engel!“ Die Engel werden in der Bibel oft „Söhne Gottes“ genannt. (Siehe Anm. zu Heb 1:5.) Im massoretischen Text ist in 5Mo 32:43 der Satz „Alle Söhne Gottes sollen sich vor ihm niederwerfen!“ nicht enthalten. Allerdings hat man unter den Schriftrollen vom Toten Meer ein hebräisches Fragment von 5. Mose gefunden, das in dem entsprechenden Vers einen ähnlichen Wortlaut enthält wie die Septuaginta. Es ist das bislang einzige hebräische Textzeugnis mit dieser Lesart. Offensichtlich basierte die griechische Übersetzung auf dem gleichen oder einem ähnlichen hebräischen Ausgangstext.
ihm ihre Ehrerbietung erweisen: Oder „ihm huldigen“, „sich vor ihm verbeugen“. Gemeint ist Jesus Christus. Gott, der Höchste, hat seinem Sohn die zweithöchste Stellung gegeben und ihn damit über alle Engel gestellt. Daher kann Gott den Engeln befehlen, seinen Sohn zu ehren bzw. sich vor ihm zu verbeugen. Diese Aufforderung passt zu Php 2:9-11, wo Paulus schreibt, dass „jeder – ob im Himmel, auf der Erde oder unter dem Erdboden – seine Knie im Namen Jesu“ beugen soll. (Siehe Anm. zu Php 2:9, 10.) Das im vorliegenden Vers mit „Ehrerbietung erweisen“ übersetzte griechische Verb (proskynéō) hat ein breites Bedeutungsspektrum. Fachwörterbücher geben als mögliche Bedeutungen an: „auf die Knie fallen“, „sich niederwerfen“, „anbeten“, „verehren“, „huldigen“, „unterwürfig grüßen“. Für die korrekte Wiedergabe ist der jeweilige Kontext entscheidend. (Siehe Anm. zu Luk 24:52.) Viele Bibelübersetzer verwenden im vorliegenden Vers das Wort „anbeten“ und erwecken so den Eindruck, Jesus sei Gott. Wie jedoch aus anderen Bibelpassagen deutlich wird, ist Jesus nicht der allmächtige Gott. Allein Jehova hat das Recht, angebetet zu werden (Mat 4:10; Off 4:10, 11; 22:8, 9). Es gibt also gute Gründe, proskynéō hier im Sinn von „Ehrerbietung erweisen“ oder „sich verbeugen“ zu übersetzen. Ähnliche Wiedergaben findet man auch in anderen Bibelübersetzungen. Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus aus dem 1. Jh. u. Z. beschreibt mit proskynéō, wie sich Besiegte gegenüber römischen Statthaltern oder deren Vertretern verhielten (Geschichte des jüdischen Krieges, 2. Buch, Kap. 16, Abs. 4).
Seine Engel macht er zu Geistern: Paulus zitiert aus Ps 104:4 (103:4, LXX) nach der Septuaginta. Weder dem Psalmenschreiber noch Paulus ging es um die bloße Tatsache, dass Engel Geistwesen sind. Vielmehr beschrieben sie, wie Gott seine Engel einsetzt. Sowohl das hebräische als auch das griechische Wort für „Geist“ kann eine starke Kraft bezeichnen, z. B. den Wind (Ps 1:4; 147:18; 148:8; siehe auch Joh 3:8 und Anm.). Wie ein starker Wind werden die Engel von Gott ausgeschickt und gelenkt. Dieser Gedanke klingt auch im zweiten Teil des Verses an, wo die Engel als Gottes Diener (wtl. „Arbeiter für die Öffentlichkeit“) bezeichnet werden. Jehova gebraucht die Engel, um seine Diener auf der Erde zu unterstützen. Manchmal lässt er Engel auch zu einer Feuerflamme werden: Er vollstreckt durch sie seine Strafurteile an den Bösen. (Vgl. 2Kö 19:20, 34, 35; Mat 16:27; 2Th 1:7, 8.)
Gott ist dein Thron für immer: Jehova Gott ist in dem Sinn Jesu Thron, dass sich Jesu königliche Macht oder Autorität auf Jehova stützt. Er hat seinem Sohn „Herrschaft, Ehre und ein Königreich“ gegeben (Da 7:13, 14; Luk 1:32). In Heb 1:8, 9 zitiert Paulus aus Ps 45:6, 7. Der griechische Text erlaubt die Wiedergabe „Dein Thron, o Gott, steht für immer“, die so oder ähnlich in vielen Bibeln zu finden ist. Es gibt jedoch gute Gründe, ihn wie in der Neuen-Welt-Übersetzung (und einigen anderen Bibeln) wiederzugeben: „Gott ist dein Thron für immer.“ Zum einen heißt es im folgenden Vers: „Darum hat dich Gott, dein Gott, … gesalbt.“ Das zeigt, dass die in Heb 1:8 (und in Ps 45:6) angesprochene Person nicht der allmächtige Gott, sondern ein Anbeter Gottes ist. Zum anderen war Ps 45:6, 7 ursprünglich an einen von Gott eingesetzten israelitischen König gerichtet und nicht an Gott selbst. Der Psalm kann als Prophezeiung verstanden werden, die sich schließlich an einem anderen von Gott eingesetzten großen König erfüllen sollte – dem Messias.
das Zepter deines Königtums: Das Zepter in Jesu Hand steht für seine königliche Autorität (Ps 110:2; siehe Worterklärungen zu „Zepter“). Paulus zitiert hier aus Ps 45:6, wo vorausgesagt wurde, dass der von Jehova eingesetzte messianische König seine Macht immer richtig einsetzen würde. Deshalb wird sein Zepter als „Zepter des Rechts [oder „der Aufrichtigkeit“]“ bezeichnet.
Gerechtigkeit hast du geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst: Paulus zitiert weiter aus Ps 45:6, 7, wo eine inspirierte Prophezeiung über den von Gott eingesetzten messianischen König zu finden ist. Jesus bewies während seines Dienstes auf der Erde, dass er Gerechtigkeit liebt und Gesetzlosigkeit hasst (Mat 21:12, 13; 23:27, 28, 33; Joh 2:13-17; Heb 7:26; 1Pe 2:22). Wie die Bibel an vielen Stellen zeigt, ist die Liebe zu dem, was in Gottes Augen richtig ist, untrennbar verbunden mit dem Hass auf alles, was falsch ist (Ps 97:10; 119:113, 163; Jes 61:8; Am 5:15).
mit dem Öl der Freude gesalbt: In biblischer Zeit war es üblich, einen König bei seiner Ernennung mit Öl zu salben (1Sa 10:1; 1Kö 1:39; 2Kö 9:6). Öl verband man mit Freude und Jubel (Jes 61:3; Joel 2:23, 24). Paulus zitiert hier aus Ps 45:7, wo die Salbung des Messias zum König vorausgesagt wird. Die Freude des Messias würde bei diesem besonderen Ereignis größer sein als die Freude seiner Gefährten, womit die Könige aus der Linie Davids gemeint sind. Anders als sie würde der Messias direkt von Jehova gesalbt werden, und das nicht mit Öl, sondern mit heiligem Geist. Jesus wurde bei seiner Taufe zum Hohen Priester und zum zukünftigen König gesalbt. Allerdings bezieht sich die Salbung, die Paulus hier erwähnt, anscheinend auf den freudigen Moment im Himmel, als Jesus nach Ablauf der „Zeiten der anderen Völker“ als König eingesetzt wurde (Luk 21:24 und Anm.). Diese Krönungsfeier im Himmel löste bestimmt noch mehr Freude aus als die Salbung Salomos oder jeder andere festliche Anlass auf der Erde (1Kö 1:39, 40).
Am Anfang hast du, o Herr, die Fundamente der Erde gelegt: Paulus zitiert Ps 102:25 (101:26, LXX) nach der Septuaginta, wo zusätzlich die Anrede „Herr“ steht. Er bringt hier ein weiteres Argument dafür, dass Jesus den Engeln überlegen ist. Der Psalmenschreiber richtete seine Worte zwar an Gott (Ps 102:1, 24), doch Paulus wendet sie auf Jesus an, weil Jesus derjenige ist, durch den Jehova alles erschuf – er war sozusagen sein Werkzeug. Das belegen Heb 1:2 und andere Textstellen (Joh 1:2-4; Kol 1:15-17 und Anm. zu Vers 15 und 16; siehe auch Spr 8:23-31). Weil Jehova und Jesus bei der Schöpfung eng zusammenarbeiteten, treffen die Aussagen „Am Anfang hast du … die Fundamente der Erde gelegt“ und „Der Himmel ist das Werk deiner Hände“ auf beide zu. Ähnlich ist es bei der Bezeichnung „unser Retter“, die sowohl für Jehova als auch für Jesus verwendet wird (Tit 1:3, 4 und Anm.).
Sie werden vergehen: Paulus zitiert hier aus Ps 102:26, wo gesagt wird, dass der Himmel und die Erde im Gegensatz zu Jehova vergänglich sind (Heb 1:10). Wenn Gott es wollte, könnten sie zerstört werden. Außerdem ist die stoffliche Welt dem natürlichen Zerfall unterworfen. Deshalb heißt es: „Wie ein Gewand werden sie sich allesamt abnutzen.“ Jehova versichert seinen Dienern jedoch: Alles in seiner Schöpfung, was er bestehen lassen will, kann und wird er auch bestehen lassen (Ps 148:4-6; siehe auch Ps 104:5; Pr 1:4).
aber du wirst bleiben: Unter Leitung des Geistes wendet Paulus Ps 102:26 auf Jesus an. (Siehe Anm. zu Heb 1:10.) Es geht ihm darum, einen Gegensatz herauszustellen zwischen dem Sohn Gottes („Du wirst bleiben“) und dem Himmel und der Erde („Sie werden vergehen“). Seit seiner Auferstehung besitzt Jesus Unverweslichkeit und „unzerstörbares Leben“ (Heb 7:16 und Anm.). Damit ist Gottes Sohn noch beständiger als Himmel und Erde, an deren Erschaffung er beteiligt war (1Mo 1:26; Kol 1:15).
deine Jahre werden nie enden: Paulus wendet diese Worte aus Ps 102:27 auf Jesus an. (Siehe Anm. zu Heb 1:10.) Als Jesus auferweckt wurde, erhielt er Unsterblichkeit (1Ti 6:16 und Anm.; Heb 7:15, 16). Das bedeutet nicht nur, dass er ewig lebt, sondern auch, dass sein Leben nicht zerstört werden kann. (Vgl. Anm. zu 1Ko 15:53.)
Setz dich an meine rechte Seite: Am Ende seiner Abhandlung darüber, dass Jesus den Engeln überlegen ist, kommt Paulus zu seinem Hauptargument. Wie schon Petrus und Jesus selbst wendet er die Worte aus Ps 110:1 auf den Christus an (Mat 22:41-45; Mar 12:35-37; Luk 20:41-44; Apg 2:34, 35; Heb 10:12 und Anm., 13). Nach seiner Auferstehung wartete Jesus an der rechten Seite Gottes – dem Ehrenplatz – darauf, zur festgelegten Zeit als messianischer König eingesetzt zu werden. (Siehe Anm. zu Apg 7:55; Heb 1:3.) Zu diesem Zeitpunkt würden seine Feinde als Schemel für seine Füße hingelegt werden, d. h., er hätte volle Gewalt über sie. (Siehe Anm. zu Heb 10:13; siehe auch 1Ko 15:25, wo Paulus Ps 110:1 auf Jesus bezieht.)
heiligen Dienst: Oder „öffentlichen Dienst“. (Siehe Anm. zu Heb 1:7.)
ausgesandt, um … zu dienen: In vorchristlicher Zeit beauftragte Gott häufig Engel, seinen treuen Anbetern auf der Erde zu helfen und sie zu beschützen (1Kö 19:5-8; 2Kö 6:15-17; Ps 34:7; Da 6:22). Im 1. Jh. standen Engel gesalbten Christen zur Seite, die Verfolgung und Gefahren durchmachten (Apg 12:6-11; 27:23, 24). Dadurch zeigten die Engel außergewöhnliche Demut. Sie waren bereit, einfachen Menschen zu dienen, von denen manche eines Tages eine höhere Stellung als sie erhalten würden (1Ko 6:3).
die die Rettung erben werden: Die im Hebräerbrief angesprochenen gesalbten Christen würden in besonderem Sinn „die Rettung erben“: Sie würden mit Christus im Himmel regieren (Mat 19:28; 2Ti 2:10-12; Heb 3:1). Paulus weist hier zum wiederholten Mal auf die Überlegenheit des christlichen Glaubens hin. Da das jüdische Religionssystem nicht mehr Gottes Segen hatte, konnte es seinen Anhängern weder irgendwelche Vorteile bieten noch Rettung ermöglichen (Luk 13:35).