HEBRÄER
Studienanmerkungen zu Kapitel 4
Da somit das Versprechen, in seine Ruhe zu gelangen, noch gültig ist: Wie Paulus unter Leitung des heiligen Geistes zeigt, war Gottes Aussage in Ps 95:11 mehr als eine bloße Verurteilung der rebellischen Israeliten. Sie enthielt auch ein Versprechen. Die Israeliten ließen sich die Gelegenheit entgehen, in Gottes Ruhe zu gelangen. Doch Paulus konzentriert sich im Hebräerbrief nicht auf ihr Versagen. Vielmehr führt er hier ein faszinierendes Thema ein, nämlich dass das Versprechen, in Gottes Ruhe zu gelangen, „noch gültig ist“. Die Möglichkeit steht Christen offen. (Siehe Anm. zu Heb 4:3, 10.) Der vorliegende Vers ist die erste von vielen Stellen im Hebräerbrief, wo Paulus von einem Versprechen bzw. einer Verheißung Gottes spricht. (Weitere Stellen sind z. B. Heb 6:12, 17; 9:15; 10:36; 11:9.) Der Gedanke, dass Gott Menschen Gutes verspricht, ist ein wiederkehrendes Motiv des Briefes und macht Mut. In der klassischen griechischen Literatur kommt es so gut wie nie vor, dass ein Gott Menschen etwas verspricht.
müssen wir aufpassen: Wtl. „sollten wir uns fürchten“. In einem Bibelkommentar heißt es dazu: „Die Art Furcht, die hier empfohlen wird, führt zu Vorsicht und Sorgfalt.“
dieses Ziel verfehlt: Die Israeliten, die gegen Gott rebellierten, weigerten sich, an der Umsetzung seines Vorhabens mitzuarbeiten. Sie ließen sich die Gelegenheit entgehen, in Gottes Ruhe zu gelangen. Mit ihrer Einstellung disqualifizierten sie sich, in das verheißene Land einzuziehen. (Siehe Anm. zu Heb 3:11.) Paulus warnt die hebräischen Christen davor, sich so zu verhalten, dass sie nicht in die versprochene Ruhe gelangen würden.
die gute Botschaft wurde uns genauso verkündet: Nach dem Auszug aus Ägypten hatte Jehova für die Israeliten eine gute Botschaft: Wenn sie ihm gehorchten, würde er sie ins verheißene Land führen, wo sie in seine Ruhe gelangen könnten. Sie würden ein besonderes Verhältnis zu ihm genießen und eines Tages „eine königliche Priesterschaft“ bilden (2Mo 19:5, 6; 23:20-25, 31). Doch sie glaubten Jehovas Versprechen nicht und hörten nicht auf ihn. Letztendlich verwarf er das Volk Israel und verkündete die gute Botschaft anderen, die dann Christi geistgesalbte Nachfolger wurden. Wenn sie entsprechend ihrem Glauben lebten und auf Gott hörten, würden sie in seine Ruhe gelangen, seine Anerkennung haben und im himmlischen Königreich als Könige und Priester dienen (1Pe 2:9; Off 5:10).
weil sie mit denen, die zuhörten, nicht im Glauben verbunden waren: Den meisten Israeliten zur Zeit von Moses haben die Worte, die ihnen als gute Botschaft verkündet wurden, „nichts genützt“. Sie glaubten nicht an Jehovas Versprechen und weigerten sich, die Anweisung zu befolgen, das verheißene Land zu erobern. Sie waren nicht wie die wenigen, „die zuhörten“, d. h. Israeliten wie z. B. Josua und Kaleb, die Glauben hatten und auf Jehova hörten (4Mo 14:1-11, 35-38).
wir, die wir glauben, gelangen in die Ruhe: Wie der Zusammenhang zeigt, bezieht sich Paulus hier auf Jehovas Ruhetag. Dieser Tag begann, als Jehova seine Schöpfungswerke beendet hatte (Heb 4:4, 5, 10). Über den Ruhetag heißt es im Schöpfungsbericht: „Gott segnete dann den siebten Tag und erklärte ihn für heilig“ (1Mo 2:2, 3). Damit war gemeint, dass alles, was Jehova mit der Erde und den Menschen vorhatte, am Ende dieses Tages erfolgreich umgesetzt sein würde. Alles wäre dann so, wie Gott es wollte. Obwohl der Teufel sowie Adam und Eva durch ihre Rebellion viel Unruhe stifteten, hat sich Jehovas Vorhaben nicht geändert. Wie Paulus den hebräischen Christen unter Leitung des Geistes versichert, konnten sie sich Jehova in seiner Ruhe anschließen. Sie würden in seine Ruhe gelangen, wenn sie gehorsam an der Umsetzung seines Vorhabens mitarbeiteten. Dazu gehörte, dass sie Jehova und seinen Versprechen glaubten (Heb 3:19; 4:6).
Dabei sind seine Werke … vollendet:Mit der Erschaffung Evas beendete Jehova seine Arbeiten an der irdischen Schöpfung. Die Argumentation von Paulus lässt sich wie folgt zusammenfassen: Gottes Ruhetag begann schon vor langer Zeit. Seitdem lädt er Menschen ein, sich ihm in seiner Ruhe anzuschließen. Viele lehnen diese Einladung ab, doch sie steht immer noch allen offen, die Glauben zeigen.
„Gott ruhte am siebten Tag von allen seinen Werken“: Paulus zitiert aus 1Mo 2:2, wo es um den siebten Tag der Schöpfungswoche geht. Wie es dort über Gott heißt, „fing er an … zu ruhen“. Die entsprechende hebräische Formulierung lässt darauf schließen, dass Gottes Ruhetag noch andauerte. Dafür sprechen auch folgende Punkte: Alle anderen Schöpfungstage hatten einen Abschluss. Sie endeten jeweils mit der Aussage: „Es wurde Abend und es wurde Morgen“ (1Mo 1:5, 8, 13, 19, 23, 31). Über den siebten Tag wird das nicht gesagt. Ein weiteres Argument liefert Heb 4:7, wo Paulus Davids inspirierte Worte aus Ps 95:7 zitiert. Paulus bezieht das Wort „heute“ aus dem Psalm auf Gottes Ruhetag und zeigt damit an, dass dieser Tag zur Zeit Davids noch nicht beendet war (Ps 95:7-11; siehe Anm. zu Heb 4:7). Passend dazu folgert Paulus, dass Gottes Ruhetag auch im 1. Jh. noch andauerte und es für Christen möglich war, „in Gottes Ruhe“ zu gelangen (Heb 4:3, 10, 11).
aufgrund von Ungehorsam nicht hineingelangten: In Heb 3:19 macht Paulus eine ähnliche Aussage. Dort schreibt er, dass die Israeliten „wegen ihres Unglaubens nicht [in Gottes Ruhe] hineingelangen konnten“. Weil sie Jehovas Versprechen, ihnen zu helfen und sie zu beschützen, nicht glaubten, widersetzten sie sich seinen Anweisungen. Dieser Ungehorsam führte dazu, dass sie weder ins verheißene Land noch in Gottes Ruhe gelangten. (Siehe Anm. zu Heb 3:11; 4:2.) Die Bibel macht deutlich: Zu echtem Glauben gehört Gehorsam (Joh 3:16 und Anm., 36; vgl. Jak 2:20-23).
indem er nach langer Zeit in Davids Psalm sagt: Paulus zitiert aus Ps 95:7, 8 und gibt David als Schreiber an. (Aus dem hebräischen Text geht nicht hervor, wer Ps 95 geschrieben hat, doch in der Septuaginta hat er eine Überschrift, nach der David der Verfasser ist.) David schrieb die Worte tatsächlich „nach langer Zeit“: Es waren rund 450 Jahre vergangen, seit Gott den aufständischen Israeliten verwehrt hatte, in seine Ruhe einzutreten (4Mo 14:22, 23; Heb 3:7, 11; 4:3, 5). Und der Beginn von Gottes Ruhetag lag sogar schon fast 3000 Jahre zurück (1Mo 2:2; siehe Anm. zu Heb 4:4).
Josua: Josua, der Sohn von Nun, wird in den Christlichen Griechischen Schriften zwei Mal erwähnt. (Siehe Anm. zu Apg 7:45.) Der Name Josua kommt aus dem Hebräischen und bedeutet „Jehova ist Rettung“ (Jos 1:1, Fn.). Auf Griechisch lautet der Name Iēsoús, was im Deutschen normalerweise mit „Jesus“ wiedergegeben wird. (Siehe Anm. zu Mat 1:21.) Der Zusammenhang macht allerdings deutlich, dass mit Iēsoús hier Josua gemeint ist, der die Israeliten ins verheißene Land führte. Wie Paulus zeigt, würden sich Gottes Versprechen durch einen bedeutenderen Führer als Josua erfüllen, nämlich durch Jesus Christus.
von einem anderen Tag gesprochen: Josua führte die Israeliten zwar ins verheißene Land, aber es wurde für sie nicht auf Dauer ein Ort der Ruhe. Nach Josuas Tod wandte sich das Volk wieder von Jehova ab, und schon bald versank das Land in Götzendienst, Krieg und Unterdrückung (Ri 2:10-15). Weil die Israeliten Jehovas Vorhaben auch diesmal nicht unterstützten, durften sie nicht an seinem heiligen Ruhetag teilnehmen. Doch wie Paulus unter Leitung des Geistes ausführt, sprach Gott „in Davids Psalm“ später „von einem anderen Tag“ der Ruhe (Heb 4:7, 8). Diesen Tag bezeichnete Jehova dort als „heute“ (Ps 95:7). Damit machte er deutlich, dass es immer noch möglich war, in seine Ruhe zu gelangen. Wie Paulus in Heb 4:9 andeutet, sollten sich Christen diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. (Siehe Anm. zu Heb 4:3.)
bleibt … noch eine Sabbatruhe: Das mit „Sabbatruhe“ wiedergegebene griechische Wort sabbatismós ist nicht das übliche Wort für „Sabbat“. (Siehe z. B. Mat 12:1; 28:1 und Anm.; Luk 4:16.) Gemäß einem Bibelkommentar meint das Wort „nicht den Sabbat als solchen“, sondern „betont Festlichkeit und Freude, wie sie in der Verehrung und dem Lobpreis Gottes zum Ausdruck kommen“. In einem Fachwörterbuch wird sabbatismós definiert als „besondere Zeit der Ruhe für Gottes Volk nach dem Vorbild des traditionellen Sabbats“. Paulus bezieht sich darauf, dass der Sabbat in Zukunft seiner eigentlichen Bedeutung gerecht werden wird. Als „Herr über den Sabbat“ wird Jesus der Menschheit völlige Ruhe schenken, indem er sie von den schmerzhaften Folgen erlöst, die Sünde und Tod mit sich bringen (Mat 12:8 und Anm.). Möglicherweise gebraucht Paulus dieses spezielle Wort – das an keiner anderen Stelle in den Christlichen Griechischen Schriften oder in der Septuaginta vorkommt –, um deutlich zu machen, dass er sich nicht auf den traditionellen jüdischen Sabbat bezieht. Wie die Bibel an anderen Stellen zeigt, sind Christen nicht verpflichtet, einen wöchentlichen Sabbat zu halten. (Siehe Worterklärungen zu „Sabbat“; siehe auch Kol 2:14, 16 und Anm.)
wer in Gottes Ruhe gelangt ist: Als Gott seine irdische Schöpfung für beendet erklärte, entschied er sich zu ruhen. Er wollte, dass während seiner Ruhezeit alles so umgesetzt werden würde, wie er es für die Erde vorgesehen hatte (1Mo 2:2, 3). Paulus fordert die hebräischen Christen auf, an der Umsetzung des Vorhabens Gottes mitzuarbeiten. Dazu mussten sie von ihren „eigenen Werken“ ruhen und Christus als den von Gott gesandten Erlöser anerkennen. Sie würden nicht aufgrund von eigenen Bemühungen als gerecht betrachtet werden – auch nicht durch das Einhalten des Gesetzes, das inzwischen ungültig war (Rö 10:4; Kol 2:13, 14; Heb 7:12; vgl. Anm. zu Heb 6:1). Außerdem durften sie nicht in „denselben Ungehorsam“ verfallen wie die untreuen Israeliten (Heb 4:11; siehe Anm. zu Heb 4:3).
Tun wir deshalb unser Möglichstes: Siehe Anm. zu 2Ti 2:15.
Das Wort Gottes: In diesem Zusammenhang bezieht sich der Ausdruck „das Wort Gottes“ auf Aussagen bzw. Versprechen Gottes, die sein Vorhaben betreffen. Zuvor ist Paulus darauf eingegangen, was Gott den Israeliten versprochen hatte (Heb 3:7 bis 4:11). Er hatte vor, sie zu seinem besonderen Eigentum zu machen und sie in das verheißene Land zu bringen. Dort hätten sie ihn in Reinheit anbeten und seinen Segen genießen können (2Mo 3:8; 19:5, 6; 5Mo 12:9, 10). Gott ließ sein Vorhaben und seine Versprechen in der Bibel schriftlich festhalten. Daher kann der Ausdruck „das Wort Gottes“ hier im erweiterten Sinn auf die gesamte Bibel bezogen werden. (Vgl. 2Ti 3:16 und Anm.)
Das Wort Gottes ist lebendig: Gottes Wort – sein in Worte gefasstes Vorhaben – ist in verschiedener Hinsicht lebendig. Jahre zuvor hatte sich Stephanus ähnlich ausgedrückt. Er bezeichnete das Gesetz, das die Israeliten am Berg Sinai erhalten hatten, als „lebendige, heilige Aussprüche“ oder wtl. „lebendige Worte“ (Apg 7:38; siehe auch Rö 3:2 und Anm.). Dieses „Wort“ war „lebendig“, weil es allen, die sich daran hielten, Leben in Aussicht stellte (5Mo 32:47). Außerdem sollte Gottes Wort in ihrem Herzen etwas Lebendiges sein (5Mo 30:14). Und das Wichtigste: Da Jehova Gott ewig lebt und kontinuierlich an der Erfüllung seines Wortes arbeitet, besteht sein Wort für immer und erreicht alles, was er will (Jes 55:10, 11).
übt Macht aus: Oder „ist kraftvoll (wirksam)“. Im Fall der Israeliten, die Gottes Vorhaben nicht unterstützten, übte „das Wort Gottes“ in dem Sinn Macht aus, dass es den Unglauben in ihrem Herzen offenlegte (Heb 3:8, 16-19). Paulus wollte, dass die hebräischen Christen aus diesem inspirierten Bericht lernten. Gottes kraftvolles Wort würde auch in ihrem Leben Macht entfalten. Es konnte sichtbar machen, wie es in ihrem Herzen aussah, ihren Glauben vertiefen und ihnen helfen, sich zum Positiven zu verändern. (Vergleiche Anm. zu Php 2:13 und 1Th 2:13, wo Paulus jeweils ein verwandtes Verb verwendet.)
zweischneidige Schwert: Mit dem hier verwendeten griechischen Wort für „Schwert“ (máchaira) ist wahrscheinlich ein eher kurzes Schwert gemeint. (Ein Beispiel dafür ist in der Mediengalerie unter „Römisches Schwert“ zu sehen; vergleiche dagegen Off 1:16; 2:12; 6:8, wo das griechische Wort rhompháia mit „langes Schwert“ übersetzt ist.) Manche Schwerter waren „zweischneidig“, d. h., die Klinge war auf beiden Seiten scharf. Dieses Sprachbild betont die durchdringende Kraft des Wortes Gottes. Es ist – wie Paulus im weiteren Verlauf ausführt – kraftvoller und effektiver als jedes von Menschen gemachte Werkzeug.
Seele und Geist trennt: Wie Paulus hier deutlich macht, kann das Wort Gottes, seine Botschaft, so tief in einen Menschen eindringen wie ein scharfes Schwert. In der Bibel bezieht sich das griechische Wort für „Seele“ im Allgemeinen auf ein lebendes Geschöpf und meint etwas Stoffliches, Greifbares, Sichtbares. (Siehe Worterklärungen zu „Seele“; siehe auch Anm. zu 1Ko 15:44.) Im vorliegenden Vers steht „Seele“ somit für das Äußere eines Menschen, während mit „Geist“ seine Geisteshaltung oder innere Einstellung gemeint ist. (Siehe Worterklärungen zu „Geist“.) Gottes inspiriertes Wort dringt so weit durch, „dass es Seele und Geist trennt“ – es offenbart das, was man von außen nicht sieht. Durch die Art und Weise, wie jemand auf Gottes Botschaft reagiert, wird sein wahres Ich sichtbar, seine Ansichten und Beweggründe.
Gelenke vom Mark: Auch dieses Sprachbild betont, wie tief Gottes Wort in das Innere eines Menschen vordringen kann. Die Gelenke (Verbindungen zwischen Knochen) und das Mark befinden sich im Körper; sie sind von außen nicht zu sehen. Da Mark nur im Innern von Knochen vorkommt, wurde das griechische Wort auch als Bild für den Kern bzw. den innersten Teil einer Sache verwandt. Durch die Kombination der beiden Wörter zeigt Paulus anschaulich, dass Gottes Wort sogar die tiefsten Gedanken und Empfindungen eines Menschen durchdringen und beeinflussen kann.
Es kann Gedanken und Absichten des Herzens beurteilen: Das mit „kann beurteilen“ (wtl. „fähig zu richten“) übersetzte griechische Wort beinhaltet den Gedanken, etwas genau zu untersuchen, zu unterscheiden und zu bewerten. Die Urteilskraft des Wortes Gottes ist so stark, dass es sogar zwischen „Gedanken“ und „Absichten“ unterscheiden kann – Begriffe, die sehr nah beisammenliegen. Wie jemand auf Gottes Wort reagiert, offenbart seine Gedanken, also über was er nachdenkt. Doch Gottes Wort kann auch seine Absichten offenlegen, also warum er so denkt, wie er denkt. Der letzte Satz in Heb 4:12 verdeutlicht, wie tief Gottes Wort in das „Herz“ eindringt: Es kann Gedanken, Ansichten, Wünsche, Beweggründe und Ziele beurteilen und bringt so das gesamte Innere eines Menschen zum Vorschein. (Siehe Anm. zu Mat 22:37; Eph 5:19.)
dem wir Rechenschaft geben müssen: Bei diesem Ausdruck könnte man an einen Herrn denken, der von seinen Dienern einen Rechenschaftsbericht verlangt. (Vergleiche Mat 18:23; 25:19; Luk 16:2, wo das griechische Wort für „Rechenschaft“ in diesem Sinn verwendet wird.) Derjenige, vor dem sich alle Menschen verantworten müssen, ist Gott (Ps 62:12; Spr 24:12; Pr 12:13, 14; Rö 2:6; 14:12; 2Th 1:7-9; 1Pe 1:17; 4:5). Paulus will natürlich nicht andeuten, dass Gott seine Diener beobachtet, um sie für Fehler zu bestrafen. Vielmehr schaut Jehova mit einem liebevollen Blick auf sie und möchte sie belohnen (Spr 19:17; Jes 40:10; Mat 6:4, 6; Heb 11:6).
einen großen Hohen Priester: Paulus hat Jesus schon zuvor in seinem Brief als Hohen Priester bezeichnet (Heb 3:1; siehe Anm. zu Heb 2:17). Hier fügt er dem Titel noch das Adjektiv „groß“ hinzu. (Vgl. Heb 10:21.) Wie er weiter ausführt, ist Jesus größer bzw. bedeutender als alle Hohen Priester aus der Linie Aarons (Heb 4:14 bis 7:28).
der durch den Himmel gegangen ist: Im Folgenden erläutert Paulus, warum Jesus als Hoher Priester besser ist als die Hohen Priester, die in der Stiftshütte oder im Tempel dienten. Entsprechend dem mosaischen Gesetz betrat der Hohe Priester ein Mal im Jahr das Allerheiligste, um mit dem Blut des Sühnopfers für das Volk Sühne zu leisten (Heb 9:7). Jesus, der große Hohe Priester, betrat nach seiner Auferstehung dagegen den Himmel, um direkt vor Gott den Wert seines Blutes darzubringen. Sein Opfer ermöglicht allen, die an ihn glauben, die vollständige und dauerhafte Vergebung ihrer Sünden (Heb 9:11, 12, 23, 24; 10:1-4).
wir haben als Hohen Priester nicht jemand, der … nicht mitfühlen kann: Paulus schreibt nicht einfach, dass Jesus mit uns mitfühlen kann. Um seiner Aussage mehr Gewicht zu verleihen, verwendet er eine doppelte Verneinung: „wir haben … nicht jemand, der … nicht“. Damit betont er, wie deutlich sich Jesus von den unvollkommenen Hohen Priestern vor ihm abhebt. In der Geschichte Israels gab es Hohe Priester, die mit Hilfsbedürftigen nicht immer mitfühlend umgingen.
mit unseren Schwächen … mitfühlen kann: Das griechische Wort für „mitfühlen“ bedeutet, dass man sich in die Lage und die Empfindungen anderer hineinversetzen kann. (Siehe auch Heb 10:34, wo Paulus dasselbe griechische Verb verwendet.) Durch sein Leben auf der Erde wurde Jesus noch mitfühlender. Er war ganz und gar Mensch und erlebte Verlust, Enttäuschung, Erschöpfung, Misshandlung und Demütigung. (Siehe Anm. zu Heb 2:17.) Darüber hinaus zeigte er immer wieder tiefes Mitgefühl mit Menschen, die unter der Last der Sünde litten. (Siehe auch Anm. zu Mar 5:34; Joh 11:33, 35.)
in allem auf die Probe gestellt: Siehe Anm. zu Heb 2:18; 4:15; 5:8.
Nähern wir uns also ganz offen: Christen können sich Jehova trotz ihrer Unvollkommenheit nähern: Sie dürfen ihm dienen und im Gebet offen mit ihm sprechen. Das ist möglich, weil Jesus als „großer Hoher Priester“ das Lösegeld auf sie anwendet (Heb 4:14; 10:19-22, 35; siehe Anm. zu Eph 3:12; Heb 3:6). Die Form des griechischen Verbs, das mit „Nähern wir uns“ übersetzt ist, zeigt, dass Christen jederzeit und ohne Zögern vor Gottes Thron erscheinen dürfen. Sie können „ganz offen“ (oder „mit Freimut der Rede“) mit Jehova sprechen. Allerdings wäre ein zu lockerer Ton oder fehlende Ehrfurcht unangebracht. Gebete sollten würdig und respektvoll sein und in dem vollen Vertrauen gesprochen werden, dass Jehova gern zuhört (1Jo 3:21, 22; 5:14).
dem Thron der unverdienten Güte: In der Bibel wird das Wort „Thron“ oft als Bild für die Autorität eines Herrschers verwendet. Der Ausdruck „Thron der unverdienten Güte“ beschreibt also, wie Jehova seine Autorität ausübt, nämlich mit überströmender Liebe und Güte. (Siehe Worterklärungen zu „Unverdiente Güte“.) In seiner Güte hat Jehova die Möglichkeit geschaffen, dass sich unvollkommene Menschen ihm, dem Allerhöchsten, nähern können. Paulus ermutigt die hebräischen Christen, diese große, unverdiente Güte in Anspruch zu nehmen. Gott gewährt sie durch Jesus Christus, den „großen Hohen Priester“, aufgrund des Lösegelds (Heb 4:14; siehe Anm. zu Joh 1:14). Wenn sich Christen Jehova im Gebet nähern, können sie darauf vertrauen, dass ihnen „zur richtigen Zeit“, also wann immer sie es brauchen, „Barmherzigkeit erwiesen wird“ und sie „unverdiente Güte finden“.