Kaffee — gestern und heute
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Brasilien
WIE wäre es mit einem frisch aufgebrühten, kochendheißen cafezinho? In gewissen Gegenden der Welt ist der Kaffeegenuß nicht mehr so verbreitet, aber die Brasilianer stehen immer noch in dem Ruf, von früh bis spät Kaffee zu trinken.
Trotz der hohen Kaffeepreise hat man es nicht eilig, auf andere Getränke auszuweichen. Mehr als 30 Prozent der Weltbevölkerung sind heute noch Kaffeetrinker.
Brasilien ist der größte Kaffeeproduzent und -exporteur der Welt. In den ersten vier Monaten des Jahres 1977 erreichte die Ausfuhr dieses „braunen Goldes“ die Rekordzahl von 4,5 Millionen Sack, was einem Gesamtwert von einer Milliarde Dollar entsprach.
Brasilien ist jedoch nicht die eigentliche Heimat des Kaffees. Würde es dich interessieren, zu erfahren, wie es dazu gekommen ist, daß man heute fast überall Kaffee trinkt, ferner, wo der Kaffee herstammt und wie er nach Brasilien gekommen ist?
Ursprung und Verwendung
Das Wort „Kaffee“ ist von dem arabischen Wort qahwa, was Kraft bedeutet, abgeleitet, woraus sich das türkische Wort kahve entwickelte, das für unser Wort „Kaffee“ Pate stand. Die Entdeckung des Kaffees verliert sich in der Sage. Nach einer Überlieferung soll Kaldi, ein junger Araber, der Ziegen hütete, beobachtet haben, daß die Ziegen, nachdem sie an den Beeren und Blättern eines gewissen immergrünen Strauches geknabbert hatten, übermütig umhersprangen. Neugierig geworden, begann er, einige dieser geheimnisvollen kleinen Beeren zu zerkauen, und stellte fest, daß sie belebend wirkten. Das sprach sich herum, und der „Kaffee“ wurde geboren.
Ursprünglich genoß man den Kaffee als Speise, dann als Wein; später diente er als Arznei, und schließlich wurde er zum alltäglichen Getränk. In der ärztlichen Praxis wurde und wird er noch bei Migräne, gewissen Herzleiden, chronischem Asthma und bei Wassersucht verschrieben. (Übermäßiger Kaffeegenuß kann jedoch die Sekretion von Magensäure zu stark anregen, Nervosität hervorrufen und den Herzschlag beschleunigen. Auch das „Sodbrennen“, das heute so verbreitet ist, wird dem übertriebenen Kaffeegenuß zugeschrieben.) Die Kaffeespeise bereitete man zu, indem man die ganzen Beeren zerquetschte, Fett dazugab und dann aus dieser Mischung runde Kuchen formte. Noch heute gibt es einige afrikanische Stämme, die den Kaffee „essen“. Später gewann man aus den Kaffeebeeren, auch Kirschen genannt, eine Art Wein. Andere bereiteten daraus ein Getränk, indem sie die trockenen Schalen mit kochendem Wasser übergossen. Noch später trocknete man die Samen und röstete sie. Dann wurden sie mit den Schalen gemischt, und daraus braute man ein Getränk. Schließlich begann jemand, die Bohnen in einem Mörser — dem Vorläufer der Kaffeemühlen — zu mahlen.
Kaffee in Brasilien
Obwohl wahrscheinlich Äthiopien die Heimat des Kaffees ist, waren doch die Araber die ersten, die ihn — im 15. Jahrhundert — anbauten. Aber ihrem Beispiel folgten bald andere. Im Jahre 1610 wurden in Indien die ersten Kaffeebäume gepflanzt, und im Jahre 1614 begannen die Niederländer sich mit dem Kaffeeanbau zu befassen. Im Jahre 1720 kehrte Gabriel Mathieu Desclieux, ein französischer Marineoffizier, nach Martinique — eine Insel der Antillen — zurück. In seinem Gepäck führte er Kaffeepflänzchen mit. Nur eines überdauerte die Fahrt. Von dort gelangte der Kaffee auch auf andere Inseln der Antillen, dann nach Französisch-Guayana, und um das Jahr 1727 brachte ihn ein brasilianischer Armeeoffizier namens Francisco de Melo Palheta nach Belém (Brasilien). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fing man in Campinas und in anderen Städten des Bundesstaates São Paulo an, Kaffee anzubauen. Bald danach gab es auch in anderen Bundesstaaten, insbesondere in Paraná, Kaffeepflanzungen.
Heutzutage sind die Arbeitsabläufe auf den Kaffeeplantagen streng durchorganisiert. Man zieht in Baumschulen, die im Schatten großer Bäume liegen, Sämlinge heran. Etwa vierzig Tage nachdem man den Kaffeesamen in die Erde gelegt hat, keimt er. Sein Aussehen, hat ihm die Bezeichnung „Streichholz“ eingetragen. Ein Jahr lang werden die jungen Pflänzchen in der Baumschule sorgfältig gehegt und gepflegt. Dann werden sie auf die Felder verpflanzt.
Gewöhnlich liegen die Felder an Abhängen. Die Jungsträucher werden nicht in geraden Reihen gepflanzt, sondern in Schlangenlinien. Das erleichtert die Feldarbeit mit den Maschinen und verhindert Bodenerosion. Den ersten Ertrag liefern die Bäumchen nach vier Jahren. Man bewässert sie, um ihr Wachstum zu fördern und um einen hundertprozentigen Ertrag zu erhalten.
Der Kaffeepflanzer muß einen ständigen Kampf gegen Schädlinge wie den Kaffeebohrer oder gegen Krankheiten wie den Blattrost führen. Diese Krankheit wird durch einen Pilz hervorgerufen, der die Blätter angreift und bewirken kann, daß der Baum abstirbt. Der Kaffeebohrer zerstört die Bohnen, indem er kleine Löcher hineinnagt. Natürlich gibt es wirksame Fungizide und Insektizide, aber ihr ständiger Gebrauch steigert die Produktionskosten.
Die Aufbereitungsverfahren
Man kennt zwei Aufbereitungsverfahren: das „nasse“ und das „trockene“. Die nasse Aufbereitung ergibt, wie allgemein anerkannt wird, eine bessere Qualität, da dafür nur reife Kaffeekirschen ausgewählt werden. Aber weil die „trockene“ Methode einfacher und billiger ist, wird in Brasilien meistens diese Methode angewandt.
Zuerst werden alle Kirschen — auch die grünen und die trockenen — vom Strauch auf Tücher geschüttelt. Mit großen Sieben werden sie dann „gesichtet“. Als nächstes werden die Kirschen in Wasserkanälen gewaschen und daraufhin zum Trockenplatz gebracht. Dort werden sie sortiert, und danach läßt man sie in einer dünn aufgehäuften Schicht in der Sonne trocknen. Die gedörrten Beeren werden dann bis zur weiteren Verarbeitung in mit Holz ausgekleidete Behälter gelegt.
Der Trockenvorgang spielt übrigens eine äußerst wichtige Rolle für die Erzielung tadelloser Ware. Auf einigen Pflanzungen werden deshalb mit Holz befeuerte Trockner verwendet, damit die Früchte, besonders bei Regenwetter, schneller trocknen.
In anderen lateinamerikanischen Ländern und auch anderswo ist die „nasse“ Aufbereitung üblich. Allerdings ist diese Aufbereitungsmethode langwieriger und teurer. Zuerst wird in einem sogenannten Pulper, einer Quetschmaschine, das Fruchtfleisch losgerissen. Die Kerne fallen in große Gärbottiche, wo sie etwa 24 Stunden liegenbleiben. Danach lassen sich die Fruchtfleischreste, „Honig“ genannt, in Wasserkanälen leicht entfernen. Nun wird der Kaffee wie bei dem „trockenen“ Verfahren zum Trocknen an die Sonne gelegt. Es gibt auch Pflanzer, die den Kaffee in Trockenmaschinen (gelochte, sich drehende Trommeln, durch die heiße Luft streicht) trocknen. Zum Schluß werden die Bohnen maschinell von den Häutchen befreit und poliert. Wenn die Kaffeebeeren mit der Hand gepflückt werden, ergibt das die beste Qualität. Auch das Aussortieren, nachdem die Beeren gewaschen sind, wird mit der Hand gemacht.
Dann folgt der letzte Schritt: Die Kaffeebohnen werden in Jutesäcke abgefüllt, in denen sie verschickt werden. Ein Sack zu 60 Kilogramm (in Brasilien das übliche Maß) gilt weltweit als statistische Einheit. Die Säcke werden in sauberen, gut gelüfteten Lagerräumen gestapelt. Nun ist der Kaffee bereit zum Verkauf.
Sorten, Handel und Preise
Das Instituto Brasileiro do Café (IBC: brasilianisches Kaffeeinstitut) leistet den brasilianischen Kaffeepflanzern technische und wirtschaftliche Hilfe und kontrolliert den Binnenmarkt und den Außenhandel. Die Kaffeesorten werden nach Geschmack und Geruch beurteilt. Ein chemischer Qualitätstest ist bisher unmöglich gewesen. Entscheidend sind immer noch Geruchs- und Geschmackssinn. Die Kaffeesorten werden je nach Anbaugebiet, Aufbereitungsmethode und Trocknungsmethode als absolut weich, als weich (angenehm im Geschmack und mild), als hart (säuerlich oder scharf schmeckend) und als Riokaffee (eine sehr harte Sorte, die in Rio de Janeiro bevorzugt wird) bezeichnet. Andere Sorten sind für den Handel weniger wichtig.
In den vergangenen zwanzig Jahren hat der Kaffee 50 Prozent der brasilianischen Ausfuhr ausgemacht. Im Kaffeeanbau und Kaffeehandel sind 15 500 000 Personen beschäftigt. Aber Camilo Calazans de Magalhães, Präsident des IBC, sagte warnend, daß sich im Jahre 1978 zum erstenmal in der Geschichte des Kaffeehandels eine noch nie dagewesene Situation ergeben werde. Zum erstenmal werde man vollständig von der Ernte abhängig sein, weil im Ausland alle Vorräte an brasilianischem Kaffee bis dahin erschöpft sein würden. Das IBC befürchtet außerdem große Verluste bei den nächsten Ernten (1977/78 und 1978/79) durch Fröste, Schädlinge und Krankheiten.
In jüngster Zeit sind die größten Kaffee-Erzeuger der Welt von Unheil in verschiedener Form heimgesucht worden. Das führte zu Verknappung, Preisanstieg und Spekulation. Diese Entwicklung begann im Juli 1975. In Brasilien kam es zu einem außergewöhnlichen Kälteeinbruch, dem fast die Hälfte der Pflanzungen zum Opfer fielen, d. h. 200 bis 300 Millionen Kaffeebäume. In Kolumbien herrschte große Dürre, und darauf kam es zu fürchterlichen Regengüssen, die die Pflanzungen verwüsteten. In Angola und Uganda beeinträchtigten die politischen Unruhen die Ausfuhr. Und Guatemala wurde von einem Erdbeben heimgesucht. Das alles führte zu der „Kaffeekrise“.
Die Vorräte schwanden, und die Spannung auf dem Kaffeemarkt stieg. Als erstes zog der Preis des brasilianischen Kaffees an, ihm folgte der kolumbianische Arabische Kaffee, der wegen seiner besseren Qualität traditionsgemäß teurer ist. Der afrikanische Robusta-Kaffee, der gewöhnlich weniger geschätzt wird, stieg ebenfalls im Preis. Alles wurde noch verschlimmert, als Brasilien jeden Sack Kaffee mit einer Ausfuhrsteuer von 100 Dollar (US) belegte, und im April 1977 stieg diese Steuer auf 134 Dollar (US) je Sack.
Durch Spekulationen wurde die bereits gespannte Lage auf dem Rohkaffeemarkt noch weiter verschärft. Kaffee wird nämlich im voraus gekauft. Der Kaffeehandel ist ein richtiges Glücksspiel. Händler und Röster sehen eine „Hausse“ voraus und kaufen große Mengen, die jedoch erst Monate später geliefert werden. Diese Bewegung gewinnt immer größere Geschwindigkeit, und die Preise schnellen in die Höhe. Das IBC gestattet die Eintragung der Auslandsverkäufe schon Monate vor der Auslieferung der Waren, vorausgesetzt, man zahlt innerhalb von 48 Stunden die Registrierungsgebühr. Exporteure riskieren daher häufig, Verkäufe anzumelden, die sie in Wirklichkeit noch nicht getätigt haben. Das ermöglicht es ihnen, ihre Kunden zu begünstigen oder die Gelegenheiten auszunutzen, wenn die Preise hoch sind.
Obschon die Kaffeepreise gestiegen sind, zahlen die Brasilianer noch nicht soviel für ihren Kaffee, wie man anderswo zahlt. Die brasilianische Regierung schützt die einheimischen Kaffeeröster, und der Preis je Kilogramm soll unter dem Kaffeepreis bleiben, der im Ausland dafür bezahlt wird (im Juli 1977 betrug er 4.08 US-Dollar). Aus der Statistik geht jedoch hervor, daß die Brasilianer jetzt weniger Kaffee trinken. Im Jahre 1976 wurden in Brasilien pro Kopf nur noch 3,5 Kilogramm gemahlener Kaffee verbraucht, während im Jahre 1970 der Verbrauch noch bei 5,7 Kilogramm stand.
Die Erzeuger sind offenbar mit der neuen Preispolitik zufrieden, denn sie erhalten vom Verbraucher mehr Geld. Auch den Arbeitern auf den Kaffeepflanzungen geht es finanziell besser. Um die Preise hoch zu halten, kaufte Brasilien große Mengen mittelamerikanischen und afrikanischen Kaffee. Plötzlich befanden sich die brasilianischen Exporteure jedoch in der mißlichen Lage, keine ausländischen Käufer mehr zu haben. Gleich darauf sanken im Ausland die Kaffeepreise, und im Juli 1977 setzten sie zufolge eines Manövers an der New Yorker und an der Londoner Börse ihre Talfahrt fort. Gegenüber den Rekordpreisen, die sie drei Monate zuvor notiert hatten, bedeutete das einen Preisrückgang von 50 Prozent. Die Exporteure sind nervös. Die Käufer fragen: Wird Brasilien den Preis senken?
Der Conselho Monetário Nacional in Brasilien nahm einen Plan zum Wiederaufbau und zur Verbesserung der Kaffeepflanzungen Brasiliens an. Danach sollten in der Zeit von 1977/78 weitere 150 Millionen Kaffeebäume gepflanzt werden. Das bedeutet, daß Brasilien dann insgesamt 3 000 000 000 Bäume haben wird, die im Jahre 1980 rund 28 Millionen Sack Kaffee liefern werden. Man braucht also nicht zu befürchten, daß der Kaffee aussterben wird. Zwar ist dieses Getränk teurer geworden, aber sein Genuß, der gestern schon so verbreitet war, bleibt uns auch heute nicht versagt.