Spitzenkaffee — Sein Weg vom Baum in die Tasse
VON UNSEREM KORRESPONDENTEN IN BRASILIEN
DIE Finnen bezeichnen ihn als ihr Nationalgetränk. Viele Italiener machen aus der Zubereitung eine Zeremonie. In Deutschland, Frankreich, Mexiko, den Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern ist er ein grundlegender Bestandteil des Frühstücks. Nach Tee ist er weltweit das Lieblingsgetränk. Worum handelt es sich? Für ungefähr ein Drittel der Weltbevölkerung kann es darauf nur eine Antwort geben: Kaffee!
Die Beliebtheit von Kaffee läßt sich nicht leugnen, ganz gleich, wie man selbst dazu steht. Was gehört alles zur Herstellung eines erstklassigen Kaffees? Wo wächst er? Wie wird er verarbeitet? Gibt es wirklich große Unterschiede zwischen den verschiedenen Kaffeesorten? Welche Faktoren beeinflussen die Qualität, den Geschmack und den Preis des Kaffees?
Woher stammt er?
Kaffee wird aus den gerösteten Samen des Kaffeebaums gemacht, eines großen immergrünen Strauchs mit glänzenden tiefgrünen Blättern, der in subtropischen Regionen wächst. In der Blütezeit ist der Baum mit wunderschönen weißen Blüten übersät, die einen angenehmen Jasminduft verbreiten. Nach wenigen Tagen verblühen sie, und es bilden sich Trauben mit kirschähnlichen, grünen Früchten, die immer größer werden und mit zunehmendem Reifegrad unterschiedliche Färbungen annehmen, von verschiedenen Grünschattierungen über ein goldenes Braun bis hin zu Rot oder Gelb.
Obgleich es ungefähr 70 verschiedene Kaffeebaumarten gibt — von Zwergsträuchern bis hin zu 12 Meter hohen Bäumen —, liefern nur 2 Arten, Coffea arabica oder schlicht Arabica und Coffea canephora, auch als Robusta-Kaffee bekannt, 98 Prozent der Weltproduktion. Die edelsten Kaffees erhält man von den Arabica-Varietäten, vor allem von denjenigen, die auf höher gelegenen Plantagen angebaut werden. Diese Bäume können 4 bis 6 Meter hoch werden, obwohl sie gewöhnlich auf einer Höhe von 3 Metern gehalten werden. Robusta-Kaffee, der zumeist für Pulverkaffee verwendet wird, hat einen höheren Koffeingehalt und ist geschmacksneutraler.
Anbau eines Qualitätskaffees
Was gehört alles dazu, um einen Qualitätskaffee herzustellen? Kurz gesagt: Viel Arbeit! Es beginnt mit eigens in einer Pflanzschule gezogenen Sämlingen, die so angelegt ist, daß die Stecklinge genau die richtige Menge Sonne und Schatten erhalten. Nach zirka sechs Monaten werden die Setzlinge auf ein mit Dünger und Mineralien vorbereitetes Feld gepflanzt. Die Kaffeepflänzchen werden entsprechend den Konturen des Hangs reihenweise gesetzt. Der Abstand zwischen den Pflanzen muß groß genug sein, damit sich die Pflanzen ausbreiten können und auch Platz zur Pflege der Bäume und zum Ernten da ist.
Die Bäume brauchen, um ertragfähig zu sein, das ganze Jahr über ständige Pflege. Unter anderem muß das Unkraut entfernt werden, das dem Boden wichtige Nährstoffe entziehen kann. Außerdem müssen regelmäßig Fungizide und Insektizide ausgebracht werden, um die Bäume gegen Krankheiten wie Kaffeerost und Schädlinge wie den Kaffeebohnenkäfer zu schützen.
Es dauert mindestens zwei Jahre, bis die Jungpflanzen Frucht tragen. In der Erntezeit gibt es dann mit einem Schlag jede Menge zu tun. Am idealsten ist es, nur die vollreifen Kirschen von Hand zu pflücken, und zwar Beere für Beere, wie es beispielsweise in Kolumbien und Costa Rica gehandhabt wird.
Die auf diese Weise geernteten Kirschen werden gewöhnlich im sogenannten nassen Verfahren aufbereitet. Dabei werden die Kirschen in einen Entpulper gefüllt, der das meiste Fruchtfleisch von den Samen entfernt. Als nächstes werden die Samen ein bis drei Tage in großen Bottichen gelagert, wo das restliche Fruchtfleisch durch natürliche Enzyme mittels Gärung zersetzt wird. Die Samen werden gewaschen, um die letzten Reste des Fruchtfleischs zu entfernen. Entweder werden sie in der Sonne auf Betonterrassen oder auf Platten zum Trocknen ausgebreitet oder durch Heißlufttrockenapparate geleitet. Die trockenen Hautschichten, die die Bohnen umgeben und aus der Hornschale und der Silberhaut bestehen, werden danach maschinell entfernt. Da beim nassen Verfahren der Prozeß der Gärung genutzt wird und nur vollreife Kirschen verwendet werden, entsteht ein milder Kaffee von erstklassiger Qualität.
In Brasilien, dem weltweit wichtigsten Kaffee-Erzeugerland, arbeiten die meisten Kaffeeanbauer bei der Ernte nach der derriça-Methode. Der Kaffee wird von Hand geerntet, indem alle Kirschen, ungeachtet ihres Reifegrads, gleichzeitig vom Zweig abgestreift werden. In neuerer Zeit wird die Ernte von einigen Kaffeeanbauern vollständig oder zum Teil maschinell durchgeführt, um die Qualität und die Ertragfähigkeit zu steigern. Dabei wird zum Beispiel ein Preßluftwerkzeug verwendet, das einen langen Arm mit vibrierenden „Fingern“ hat, die die Zweige schütteln, so daß nur die reifen Kirschen herunterfallen.
Die heruntergefallenen Kirschen werden zusammengerecht und entweder von Hand oder maschinell verlesen und von Blättern, Schmutz und kleinen Zweigen befreit. Dann kommen die Kirschen in große Körbe, die 60 Liter fassen. Die verlesenen Kirschen werden in Betontrögen oder in einer speziell dafür entwickelten Anlage gewaschen. Beim Waschen werden ältere, angefaulte oder vertrocknete Kirschen ausgesondert.
Nach dem Waschen breitet man den Kaffee auf einer großen Betonterrasse aus, um ihn in der Sonne 15 bis 20 Tage zu trocknen. In dieser Zeit werden die Bohnen zirka alle 20 Minuten gewendet, damit sie gleichmäßig trocknen. Mitunter benutzt man auch Trocknungsapparate, um das Trocknen zu beschleunigen. Der Feuchtigkeitsgehalt des Kaffees muß überwacht werden, damit der Kaffee nicht zu trocken wird und die Bohnen nicht spröde werden und zerspringen. Das würde die Qualität mindern. Sobald der ideale Feuchtigkeitsgehalt von 11 bis 12 Prozent erreicht ist, befreit man die Kaffeebohnen maschinell von den Hülsen und verpackt sie dann zu je 60 Kilogramm in Jutesäcke. An diesem Punkt wird der Kaffee gewöhnlich an eine Genossenschaft geliefert, wo die Qualität beurteilt und er weiterverarbeitet wird.
Beurteilung der Qualität
In der Genossenschaft werden die Kaffeesäcke einer nach dem anderen von den Lkws abgeladen. Bevor die Arbeiter ihre Ladung abgeben, sticht eine Kontrollperson mit einem langen, scharfen Werkzeug in jeden Sack und entnimmt ihm eine kleine Probe. Die Proben aus allen Säcken von ein und derselben Lkw-Ladung werden schließlich zu einer einzigen Probe zusammengefaßt, etikettiert und beurteilt.
Nachdem die Proben entnommen worden sind, wird der Kaffee der verschiedenen Lkw-Ladungen vermischt und weiter aufbereitet, um die Qualität zu steigern. Zuerst schüttet man ihn in eine Maschine, die alle Unreinheiten beseitigt, dann durch ein maschinelles Sieb, das die Bohnen nach Größe sortiert, und schließlich auf eine vibrierende Platte, die die Bohnen nach Gewicht sortiert. Anschließend passieren die Bohnen einen elektronischen Separator, der eventuell vorhandene schwarze oder grüne Bohnen aussondert, die den Geschmack des aufgebrühten Kaffees beeinträchtigen würden. Die anderen Bohnen kommen in ein Lager und werden später in Säcke abgefüllt. In den Säcken befinden sich nun gleich große und qualitativ gleichwertige Bohnen, die für den Verkauf an Exporteure oder einheimische Händler bereitstehen.
Was geschieht mit den Proben, die man vorher entnommen hat? Sie werden in Kategorien eingeteilt, um den Preis zu bestimmen, den der jeweilige Kaffeeanbauer erhält. Zunächst ordnet man die Proben nach Klassen, indem man bei einer 300-Gramm-Probe die Anzahl der fehlerhaften Bohnen und Verunreinigungen ermittelt. Dazu zählen schwarze, grüne und aufgeplatzte Bohnen sowie Hülsen, Zweige und Steine. Danach werden die Bohnen durch verschiedene Siebe geschüttet und nach Größe geordnet.
Schließlich kommt der Geschmackstest. Die Probe wird leicht geröstet und gemahlen. Dann wird etwas davon in mehrere Gläser gefüllt. Nachdem kochendes Wasser hinzugefügt und das Ganze umgerührt worden ist, überprüft ein erfahrener Kaffeetester den Duft oder das Aroma jeder Kaffeeprobe. Danach läßt er die Proben abkühlen und wartet, bis sich der Kaffee gesetzt hat. Mit einer kleinen Schöpfkelle entnimmt er eine Probe, nimmt sie in den Mund und spuckt sie schnell wieder aus. Dann geht er schnell zum nächsten Glas und wiederholt die Prozedur. Nachdem er alle Proben getestet hat, bewertet er den Kaffee — von mild (angenehm, weich, fast süß) bis stark (mit einem kräftigen, jodähnlichen Geschmack).
Ein Kaffeetester muß einen feinen Geschmackssinn und enorm viel Erfahrung und Wissen haben, um die vielen feinen Kaffeearomen genau zu unterscheiden. Das Testen ist nicht nur maßgeblich für den Preis des Kaffees, sondern auch unentbehrlich für den nächsten Schritt bei der Herstellung eines qualitativ hochwertigen Kaffees.
Mischen und Rösten
Beim Mischen — gewöhnlich mischt man den Rohkaffee — liegt die Kunst darin, sich ergänzende Kaffeesorten so miteinander zu kombinieren, daß ein ausgewogenes Produkt entsteht, das sich durch hervorragende Eigenschaften im Geschmack, Aroma, Gehalt und Aussehen auszeichnet. Die Herausforderung für Kaffeemischer ist, ein köstliches Getränk von gleichbleibender Qualität mit seinen ganz typischen Merkmalen herzustellen.
Auch der nächste Schritt, das Rösten, ist für die Qualität des Kaffees entscheidend. Während dieses Vorgangs gehen in der Bohne komplexe chemische Veränderungen vor sich, die ihr das typische Kaffeearoma verleihen. Die Bohnen werden, je nachdem, welches Aroma gewünscht ist und wie der Kaffee später aufgebrüht werden soll, hell, etwas dunkler oder ganz dunkel geröstet. Zu starkes Rösten kann die Bohnen allerdings glänzend werden lassen, weil dadurch aromatische Öle verlorengehen. Die Folge ist ein bitterer Kaffee mit wenig Aroma.
Um einen qualitativ hochwertigen Kaffee zu erhalten, ist auch die richtige Mahlmethode unabdingbar. Die Mahlfeinheit hängt davon ab, wie man den Kaffee aufbrühen will. Für einen Kaffee, der mit Filterpapier oder Stoffilter aufgebrüht wird, muß man das Pulver mittelstark mahlen, wohingegen man für türkischen Kaffee, der nicht gefiltert wird, extrem fein gemahlenen Kaffee verwendet.
Sowie der Kaffee gemahlen ist, wird er abgepackt und verschickt. In Plastik abgepackter Kaffee hält ungefähr 60 Tage, vakuumverpackter Kaffee hingegen bis zu einem Jahr. Wenn die Kaffeepackung geöffnet worden ist, sollte der Kaffee in luftdichten Behältern aufbewahrt werden, vorzugsweise im Kühlschrank.
Sich eine schöne Tasse Kaffee kochen
Nach all der vielen Arbeit beim Pflanzen, Pflegen, Ernten, Verarbeiten, Beurteilen, Mischen, Rösten und Mahlen kommen wir endlich zu dem Teil, auf den wir gewartet haben — wir kochen uns eine schöne Tasse Kaffee! Man kann Kaffee auf vielerlei Weise kochen oder aufbrühen. So gibt es türkischen Kaffee, Filterkaffee und italienischen moka, um nur einige zu nennen — jeder dieser Kaffees muß anders zubereitet werden. Im allgemeinen wird allerdings empfohlen, auf einen Liter Wasser sechs bis acht Eßlöffel Kaffeepulver zu verwenden. Man sollte nur so viel kochen, wie man gleich trinkt. Das Kaffeepulver sollte nur einmal verwendet werden, und die Kaffeekanne, der Filter und andere Utensilien werden nach Gebrauch am besten sofort mit Wasser gespült.
Wenn man sich das nächste Mal hinsetzt und das Aroma und den Geschmack seines Lieblingskaffees genießt, ob es nun ein brasilianischer cafezinho, ein kolumbianischer tinto, ein italienischer Espresso oder eine selbstzusammengestellte Mischung ist, könnte man ja einmal kurz darüber nachdenken, wieviel Arbeit es gekostet hat, damit ein qualitativ hochwertiger Kaffee den weiten Weg vom Baum in unsere Tasse findet.
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In der Pflanzschule erhalten die Stecklinge genau die richtige Menge Sonne und Schatten
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Plantagen mit fruchttragenden Kaffeebäumen
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Die Kaffeekirschen werden von den Zweigen abgestreift
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Brasilianische Erntearbeiter sortieren Blätter und Schmutz von Hand aus
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Die Proben werden klassifiziert, indem man bei je 300 Gramm die Anzahl der fehlerhaften Bohnen und Verunreinigungen ermittelt
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Ein Kaffeetester muß über viel Erfahrung verfügen