Was zeigen die Tatsachen?
Religion — Fördert sie den Krieg oder den Frieden?
OBWOHL in der Welt im großen und ganzen Frieden herrscht, „toben über zwei Dutzend Kleinkriege irgendwo in einem Land, ... die Tausende von Menschenleben fordern“, hieß es in einer Meldung der Associated Press. Wie der Zeitungskolumnist C. L. Sulzberger schreibt, zeigt es sich bei näherer Prüfung, „daß wahrscheinlich die Hälfte der Kriege oder sogar noch mehr, die jetzt in der Welt geführt werden, entweder regelrechte Religionskriege sind oder Kriege, bei denen es zum Teil um religiöse Streitfragen geht“. Zum Beispiel:
In Libanon, einem der Kriegsschauplätze, befehden sich immer noch politische Gruppen der Christen und Moslems, die, wie es in der Meldung der Associated Press hieß, „schon seit Jahrhunderten miteinander verfeindet sind“. Gekämpft wird hauptsächlich zwischen maronitischen Christen und sunnitischen Moslems. Aber auch griechisch-orthodoxe und unierte Christen, Drusen und schiitische Moslems sind in die Kämpfe verwickelt. Seit 1975 hat dieser Bürgerkrieg mindestens 42 000 Tote gefordert. Wenn man die Größe des Landes in Betracht zieht, kann man ihn ohne weiteres als den blutigsten in der Geschichte bezeichnen.
„In Nordirland hat das Gemetzel im Namen der Religion im Laufe von 12 Jahren 2 079 Menschen — darunter 144 Polizeibeamten — das Leben gekostet“, hieß es in der Zeitung Los Angeles Times. Obschon es im Grunde um Menschen und Bürgerrechte geht — um die Rechte der katholischen Minderheit im Gegensatz zu denen der protestantischen Mehrheit —, ist doch auch die Religion in diesen Kampf verwickelt; und beide Seiten wollen die Probleme militärisch lösen. Die Folgen? Das Land, „das früher ruhig, etwas hinterwäldlerisch und ein Bollwerk der strengen Moral gewesen ist, hat heute eine freizügig lebende Gesellschaft, verdorben und verändert durch hitzige Wortgefechte und Gewalttätigkeiten“, schrieb Barry White in der Zeitung Toronto Star.
Auf den Philippinen hat „das Verteidigungsministerium je 4 000 US-Dollar Belohnung für die Festnahme — tot oder lebendig — von zwei philippinischen Rebellenpriestern ausgesetzt“, meldete die New York Times. In einer anderen Zeitungsmeldung hieß es: „Man hat beobachtet, daß vier katholische Priester, die ihre Gemeinde im Stich gelassen haben, ... jetzt kommunistische Aufständische befehligen, die gegen die Regierungstruppen kämpfen.“ Während sich, wie die Zeitschrift Newsweek berichtete, im Norden des Landes „aktivistische Priester bewaffnen“, kämpfen Moslems im Süden einen heiligen Krieg gegen die katholische Mehrheitsregierung.
Aber nicht nur an diesen Orten gibt es kriegerische Auseinandersetzungen, in die auch die Religion verwickelt ist. Gekämpft wird außerdem auf Zypern zwischen Türken und Griechen, in Indien zwischen Hindus und Moslems, im Nahen Osten zwischen Arabern und Israelis, in Birma zwischen Christen und Buddhisten und in Ägypten zwischen Moslems und Kopten. Auch in Lateinamerika sind in politischen und in Guerillabewegungen Geistliche vertreten. Natürlich spielen bei diesen Kriegen noch andere Faktoren eine Rolle. Aber warum sind die Religionen in diese Auseinandersetzungen verwickelt? Und warum sind sie nicht fähig, ihnen Einhalt zu gebieten?
[Karte auf Seite 5]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Krisengebiete
El Salvador
Brasilien
Nordirland
Zypern
Ägypten
Libanon
Pakistan
Kambodscha
Philippinen
[Bild auf Seite 4]
Ulster: religiös-fanatische Jugendliche mit Molotowcocktails
[Bild auf Seite 5]
Philippinen: Religiös-fanatische Aufständische werden an der Waffe ausgebildet.