Nie mehr ein gewalttätiges Leben
MEIN Freund und ich rannten, so schnell wir konnten; als wir den Fluß in der Nähe meines Heimatortes erreichten, sprangen wir kopfüber hinein und schwammen wie wild ans andere Ufer.
War das ein Spiel? Ganz und gar nicht! Hier ging es um Leben und Tod. Hinter mir sah ich Polizisten, die mit ihren Waffen auf uns zielten. Um dem Kugelhagel zu entkommen, tauchte ich bis zum gegenüberliegenden Ufer. Die Schüsse waren sogar unter Wasser zu hören.
Wir erreichten das andere Ufer — die Flucht aus dem Gefängnis war uns geglückt. Wir hatten wegen Autodiebstahls und Einbruchs gesessen.
Schon vorher war die Polizei öfter wegen krimineller Handlungen hinter mir hergewesen. Mit nur 17 Jahren hatte ich damals bereits ein langes Vorstrafenregister. Schließlich wurden mein Freund und ich geschnappt und kamen wieder ins Gefängnis, diesmal für zweieinhalb Jahre.
Selbst im Gefängnis war ich gewalttätig. Weil ich so oft mit anderen Häftlingen raufte, gab man mir einen weißen Sträflingsanzug. Dadurch konnten die Gefängniswärter mich und andere Unruhestifter besser im Auge behalten.
Noch gewalttätiger nach der Entlassung
Als ich aus dem Gefängnis entlassen wurde, hatte ich mich jedoch kein bißchen gebessert. Im Gegenteil, ich war noch gewalttätiger als zuvor. Es dauerte nicht lange, und ich war der gefürchtete Boß in mehreren Straßen. Wer immer mich herausforderte, fand in mir sofort einen kampfbereiten Gegner.
Einmal provozierte mich eine Gruppe junger Männer. Ich griff sie an und hatte schon einige verletzt, bevor die Polizei die Schlägerei stoppen konnte — und das, obwohl ich mir eine Woche zuvor bei einem Kampf die rechte Hand gebrochen hatte!
Ein anderes Mal forderten zwei Freunde und ich eine Gruppe Männer aus einem Nachbarort heraus. Der Bandenführer stürzte sich mit einer Eisenstange auf mich. Ich konnte ihn zwar entwaffnen, aber dann machte er sich von mir frei und lief davon. Er wollte nur unter der Bedingung weiterkämpfen, daß er seine Eisenstange zurückerhielt, und ich gab sie ihm. Er kam zurück, und ich entwaffnete ihn wieder, doch diesmal ging ich sicher, daß er mir nicht entwischte, ohne daß ich ihm eine Tracht Prügel verabreicht hatte.
Eines Abends stellte ich mich nur so „aus Spaß“ an eine Straßenecke in Harlem (New York) und forderte andere zum Kampf auf. Einige ließen sich darauf ein, und es kam zu mehreren Schlägereien. Allmählich bekam ich den Ruf eines gefährlichen Schlägers. Bei diesen Raufereien schlug man mich mit Flaschen, Wagenhebern und Knüppeln und fiel mit Messern und anderen Waffen über mich her. Selbst das bewog mich nicht, mein gewalttätiges Leben aufzugeben.
Es kommt noch schlimmer
Ich fand schnell heraus, daß man mit Drogenhandel viel Geld machen kann. Da ich selber Drogen nahm, kannte ich mich in der Drogenszene aus. Bald stellte ich Leute an, die für mich Drogen verkauften; so wurde ich immer gewalttätiger.
Einmal überfielen wir einen Dealer in der Hoffnung, seine Drogen stehlen zu können. Mit Pistole und Messer bewaffnet, brachen wir in sein Haus ein und nahmen drei Männer und eine Frau als Geiseln, während wir auf der Suche nach Stoff das Haus durchkämmten.
Bei einer anderen Gelegenheit wollten ein Freund und ich, mit Skimützen maskiert und mit Schrotflinten ausgerüstet, einen reichen Mann berauben, um Geld für Drogen zusammenzubekommen. Wir lauerten ihm bei seinem Haus auf, aber er erschien nicht, und so verschwanden wir wieder. Wäre er gekommen, hätten wir unser Vorhaben zweifellos ausgeführt.
Mit 20 Jahren war ich somit schon tief in Gewalttaten, Drogen und schwere Verbrechen verstrickt. Mir stand bestenfalls ein Leben hinter Gittern in Aussicht — ich war sehr unglücklich.
Oft fragte ich mich, wer wohl entscheiden sollte, was richtig und was falsch ist. Ich kam zu dem Schluß, daß es immer derjenige bestimmte, der in der Gesellschaft mehr Macht hatte. Da also Menschen entschieden, was recht und was unrecht ist, und ich sowieso keinerlei Respekt vor menschlicher Autorität hatte, folgerte ich, daß ich, genauso wie jeder andere auch, berechtigt sei, diese Frage für mich selbst zu entscheiden. Bald sollte ich eine bessere Antwort finden.
Ein weit besserer Weg
Meine Schwester, die einen meiner Gefängniskumpane geheiratet hatte, studierte mit Jehovas Zeugen die Bibel. Jedem in der Familie erzählte sie, was sie aus der Bibel lernte — außer mir! Meine Angehörigen rieten mir, meiner Schwester aus dem Weg zu gehen. Sie meinten, sie würde nur noch über diese „verrückte Religion“ sprechen.
Ich wurde neugierig. Was sagte sie bloß, das andere so verärgerte? Es interessierte mich, aber meine Schwester sprach darüber nicht mit mir. Wieso nicht? Sie dachte, ich sei viel zu schlecht, um etwas über die Bibel erfahren zu wollen.
Eines Abends lud ich mich jedoch selbst bei ihr zum Essen ein. Während des Essens bat ich meine Schwester und ihren Mann: „Erzählt mir von dieser neuen Religion!“ Sie taten es — sechs Stunden lang! Alles, was sie sagten, war so einleuchtend, daß ich gleich am nächsten Abend wieder hinging, um noch mehr darüber zu hören.
Nach diesem zweiten Gespräch war ich davon überzeugt, etwas gefunden zu haben, wofür zu leben es sich lohnt — das Leben bekam für mich einen Sinn. Sofort begann ich, die Zusammenkünfte im Königreichssaal der Zeugen Jehovas zu besuchen und meinen Freunden zu erzählen, was ich lernte.
Es dauerte eine Weile, bis ich meinen Lebensstil änderte. Aber ich studierte weiter, lernte immer mehr über die Anforderungen Jehovas und achtete darauf, keine der dem Bibelstudium dienenden Zusammenkünfte im Königreichssaal zu versäumen. So erlangte ich die geistige Kraft dafür, mein Leben Schritt für Schritt zu ändern.
Zuerst hörte ich auf, Drogen zu verkaufen. Das verärgerte einige meiner früheren Kameraden, doch weil ich immer noch den Ruf hatte, gewalttätig zu sein, tat man mir nichts. Als nächstes nahm ich keine harten Drogen mehr und gab meine unmoralische Lebensweise auf. Schließlich bekam ich auch das Problem mit dem Rauchen in den Griff. Innerhalb von acht Monaten hatte ich so weit Fortschritte gemacht, daß ich die Voraussetzungen für die Taufe erfüllte, und so ließ ich mich 1970 taufen.
Endlich war mir die Antwort auf meine Frage, wer zu entscheiden hat, was recht und was unrecht ist, völlig klar. Jehova, unser Lebengeber, hat das Recht dazu und kann von seinen Geschöpfen auch berechtigterweise erwarten, daß sie dementsprechend leben.
Ich habe oft darüber nachgedacht, wie die Veranschaulichung aus Jesaja 65:25 auf mich zutrifft. Diese Prophezeiung zeigt, daß in Zukunft der gefährliche Löwe so friedlich wie der strohfressende Stier wird. In ähnlicher Weise habe ich mich von einem Schläger zu einem verträglichen Menschen mit einer friedfertigen Einstellung gewandelt.
Nun mußte ich noch meinen schlechten Ruf loswerden. Deshalb ging ich regelmäßig von Tür zu Tür, um mit den Menschen über die Bibel zu sprechen. Einmal öffnete mir ein junger Mann und erschrak zu Tode, als er mich sah, weil er dachte, ich wolle ihm etwas antun. Schnell erklärte ich ihm die biblische Friedensbotschaft und ließ ihn völlig verblüfft, aber sehr erleichtert zurück.
Kurz nach meiner Taufe heiratete ich eine Zeugin Jehovas. Leider entschied sich meine Frau 1974 dafür, nicht länger Gottes Willen zu tun. Sie stellte mir ein Ultimatum: Ich sollte entweder meine Religion aufgeben, oder sie würde mich verlassen und unsere zwei kleinen Kinder mitnehmen. Das war die schwerste Zeit meines Lebens. Dennoch wollte ich meinen Dienst für Gott nicht aufgeben und fuhr fort, seinen Willen zu tun.
Ein neuer Lebensweg
Jehova belohnte mich dafür, daß ich ihm treu blieb. 1977 lernte ich eine liebe Schwester kennen, und wir heirateten. Sie hatte einen fünfjährigen Sohn. Meine Frau und ich nahmen den Vollzeitdienst auf, um uns ganz der Aufgabe zu widmen, andere über Gott und seinen Vorsatz zu belehren. Als unser Sohn größer war, begann auch er mit dem Vollzeitdienst. Heute nimmt er in der Versammlung verschiedene Aufgaben wahr.
Meine Frau und ich hatten seitdem das Vorrecht, in viele Länder zu reisen und dort als freiwillige Helfer bei Bauprojekten tätig zu sein. Das schließt den Bau von Zweigbüros in verschiedenen Ländern ein, was zur Förderung des weltweiten Bildungswerkes der Zeugen Jehovas beiträgt.
Zu Hause, in unserem Heimatland, sind wir damit beschäftigt, anderen die Bibel näherzubringen und beim Bau von Königreichssälen mitzuhelfen. Ich diene auch in einem regionalen Baukomitee im Süden der Vereinigten Staaten. Und mein ehemaliger Gefängniskumpan — der Ehemann meiner Schwester — dient mit mir als Ältester in derselben Versammlung der Zeugen Jehovas.
Ich bin Jehova dankbar, daß er mir geholfen hat, mein Leben in den Griff zu bekommen und ihm eine völlig neue Richtung zu geben. Dadurch, daß ich mir von ihm zeigen lasse, was recht und was unrecht ist, wird mein Leben immer schöner. (Eingesandt.)