Junge Leute fragen sich:
Warum muß gerade ich der Jüngste in der Familie sein?
Das jüngste Kind wird leicht als das „Küken“ der Familie betrachtet.
„Ich hasse es, für die Fehler meiner älteren Schwestern büßen zu müssen.“
„Mein großer Bruder schlägt mich, wenn er Probleme hat.“
„ICH bin die Jüngste von fünf Kindern“, schreibt Lilia. „Und das ist wahrhaftig kein Zuckerschlecken. Oft bin ich das fünfte Rad am Wagen, weil sich keiner mit dem ‚Küken‘ abplagen will. Meine Geschwister hassen es, auf mich aufzupassen. Ich komm’ mir ständig wie eine Last vor. Manchmal fühl’ ich mich wie ein Einzelkind, weil ich mich die meiste Zeit selbst beschäftigen muß.“
Faye ist die Jüngste von vier Kindern. Sie erinnert sich an früher: „Meine Eltern haben meinen Geschwistern stets mehr geglaubt als mir. Und meine Geschwister hatten ihre eigenen Freunde. Ich wurde zu einem Einzelgänger.“
Bist du das jüngste Kind in der Familie? Dann bringst du vielleicht ähnliche Klagen vor. Andere finden es womöglich lustig, wenn sie hören, daß du als „Küken“ der Familie bezeichnet wirst. Aber du findest es wahrscheinlich überhaupt nicht lustig, das jüngste Kind zu sein.
Die Nachteile
Hast du manchmal das Gefühl, daß immer nur dein älterer Bruder oder deine ältere Schwester bevorzugt werden? Dieses Empfinden kann durchaus berechtigt sein. In biblischen Zeiten wurde der Erstgeborene auf einzigartige Weise begünstigt; wenn es um gewisse Vorrechte und Verantwortlichkeiten ging, kam das jüngste Kind erst viel später an die Reihe. (Vergleiche 1. Mose 25:31; 43:33.) Auch heute neigen Eltern dazu, hohe Anforderungen an ihr ältestes Kind zu stellen. Nicht, daß sie es mehr als ihre anderen Kinder lieben würden, aber weil es älter ist, wird ihm wahrscheinlich die Verantwortung übertragen, sich um die jüngeren Geschwister zu kümmern. Es wird als erstes erwachsen, und deswegen genießt es häufig einige beneidenswerte Privilegien und Freiheiten.
Das jüngste Kind dagegen wird gern als das „Küken“ der Familie angesehen, und manchmal erstickt es sozusagen vor elterlicher Zuneigung. In dem Buch Sibling Rivalry von Seymour V. Reit berichtet eine Frau aus ihrer Kindheit: „Ich war die Jüngste ... Ich wurde viel zu viel verhätschelt und umsorgt, sogar von meinen älteren Geschwistern. Natürlich gefiel mir das, aber ich glaube, daß es mich ein bißchen ins Hintertreffen brachte. Es hat mich wahrscheinlich am Erwachsenwerden gehindert und daran, mich Problemen zu stellen.“
Auch kann es durchaus sein, daß deine Eltern es in ihrem Bemühen, dich zu beschützen, ziemlich übertreiben. Deinen älteren Geschwistern erlauben sie, mit Freunden auszugehen, aber du sollst zu Hause bleiben; oder du mußt so früh zu Hause sein, daß es sich deiner Meinung nach überhaupt nicht lohnt wegzugehen.
Vielleicht vergleicht man dich ungerechterweise mit anderen. „Wenn ich mit meinen Eltern schlimmen Ärger hab’ oder zu Hause irgend etwas Dummes anstell’, sagen sie: ‚Alan tut so etwas nicht‘ oder: ‚Warum kannst du dein Zimmer nicht genauso aufräumen wie Alan?‘“ klagt der 16jährige Karl. Gib acht, wenn eines deiner älteren Geschwister ein Rebell gewesen ist, als er so alt war, wie du jetzt bist. Deine Eltern versuchen vielleicht alles mögliche, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. „Ich hasse es, für die Fehler meiner älteren Schwestern büßen zu müssen“, beschwert sich ein Mädchen. „Nur weil sich meine Schwester das Auto ausgeliehen hat und irgendwohin gefahren ist, wo sie nicht hinfahren sollte, darf ich das Auto nicht haben!“
Streit mit den Geschwistern
Am meisten magst du dich jedoch darüber beschweren, wie deine Geschwister dich behandeln. Womöglich respektieren sie deine Privatsphäre oder deine persönlichen Sachen nicht. Ständig ärgern sie dich oder machen dich zum Sündenbock. „Mein großer Bruder schlägt mich, wenn er Probleme hat“, seufzt ein Junge.
Die junge Susannah sagt klipp und klar, was meistens hinter solchen Konflikten zwischen Geschwistern steckt. „Ich denke, bei vielen Streitereien geht es einfach um die Machtfrage und darum, wer was tun darf.“ Klar, jeder möchte die Zuneigung, die Anerkennung und das Wohlwollen der Eltern haben. Da es für Eltern fast unmöglich ist, alle Kinder gleich zu behandeln, können Unstimmigkeiten und Groll aufkommen. Der Patriarch Jakob „liebte Joseph mehr als alle seine anderen Söhne“. Wie reagierten Josephs Geschwister darauf? Sie „begannen ... ihn zu hassen, und sie vermochten nicht, friedlich mit ihm zu reden“ (1. Mose 37:3, 4). Es kann sein, daß sich deine Eltern mehr um dich kümmern und dir mehr als den anderen ihre Zuneigung zeigen, eben weil du das jüngste Kind bist. Wenn dem so ist, könnten deine Geschwister dir böse sein. „Ich dachte, meine jüngere Schwester würde alles bekommen, was sie wollte“, sagt Roseanna, die das älteste Kind in der Familie ist. „Ich merkte, daß ich eifersüchtig war.“
Die Vorteile
Doch hat es durchaus auch einige Vorteile, das jüngste Kind zu sein. Deinen Eltern mag es jetzt finanziell besser gehen als zu Anfang ihrer Elternschaft. Dadurch können sich für dich materielle Vorteile ergeben; möglicherweise hast du zum Beispiel ein eigenes Zimmer, was deine Geschwister nicht hatten, als sie so alt waren wie du. Und obwohl sich manche Jugendliche dagegen sträuben, getragene Kleidungsstücke anzuziehen, hast du vielleicht durch die Sachen deiner Geschwister eine viel größere Garderobe als deine Altersgenossen.
Ein anderer Vorteil ist, daß deine Eltern Erfahrung in der Kindererziehung gesammelt haben. (Vergleiche Hebräer 5:14.) Bei deinen älteren Geschwistern mußten sie sich erst einmal in ihre Elternrolle „einarbeiten“. Da sie aus vergangenen Fehlern gelernt haben, ist es möglich, daß sie nun entspannter sind, sich in ihrer Rolle sicherer fühlen und nicht so schnell unrealistische Forderungen stellen. Du magst dich in einem Freiraum bewegen können, den deine Geschwister in deinem Alter nicht kannten.
Ein weiterer Vorteil besteht einfach in der Tatsache, ältere Brüder und Schwestern zu haben. Dir fällt es womöglich schwer, dies zu verstehen, da unter Geschwistern oft Feindseligkeit herrscht. Allerdings hassen sich Geschwister nur selten wirklich. Tatsächlich gibt ein 13jähriges Mädchen zu: „Ständig ärgert mein Bruder mich. Aber eigentlich hab’ ich ihn sehr gern.“ Deine Geschwister können deine Freunde, Gefährten und Ratgeber sein. Sie können sogar als Vorbild dienen, vor allem, wenn sie gottesfürchtig sind. Kommst du auf eine weiterführende Schule? Dein großer Bruder kann dir helfen, dort zurechtzukommen. Haben deine Eltern dir endlich erlaubt, Make-up zu tragen? Vielleicht kann dir deine große Schwester zeigen, wie man es aufträgt.
In dem Buch Sibling Rivalry heißt es interessanterweise: „Die jüngsten Kinder ... sind gewöhnlich freundlicher und geselliger und bei anderen Kindern beliebter als die mittleren oder ältesten Geschwister. Da sie es gewohnt sind, mit anderen, egal welchen Alters, zusammenzuarbeiten, kommen sie mit Gleichaltrigen, die nicht zu ihrer Familie gehören, gut aus.“
Das Beste daraus machen
Meinst du immer noch, daß das jüngste Kind benachteiligt wird? Nun, es ist für dich vielleicht interessant, zu erfahren, daß es oft die ältesten und mittleren Kinder sind, die sich lauthals beschweren, sie hätten das schwerste Los. Daher ist es nicht wichtig, an welcher Stelle du im Stammbaum der Familie stehst, sondern welche Anstrengungen du unternimmst, um biblische Grundsätze anzuwenden.
Bist du zum Beispiel der Meinung, daß deine Eltern überfürsorglich sind, dann besprich die Sache mit ihnen auf vernünftige Weise. „Pläne scheitern, wo es kein vertrauliches Gespräch gibt“ (Sprüche 15:22). Wenn du ‘friedsam und vernünftig’ bist, kannst du annehmbare Kompromisse vorschlagen und darüber reden — statt zu quengeln, wenn es mal nicht so läuft, wie du es dir vorgestellt hast (Jakobus 3:17, 18). Wenn deine Geschwister etwas machen dürfen, was du nicht darfst, solltest du nicht gleich einen Wutanfall bekommen. Zeige, daß du verantwortungsbewußt und tüchtig bist, indem du aus allem, womit deine Eltern dich beauftragen, das Beste machst. (Vergleiche Lukas 16:10.)
Biblische Grundsätze werden dir auch dabei helfen, mit deinen Geschwistern Frieden zu halten. Möchtest du, daß deine Privatsphäre gewahrt bleibt? Dann wende die Goldene Regel an, und respektiere ihre Privatsphäre und ihre Sachen (Matthäus 7:12). Haßt du es, gehänselt zu werden? Erweise deinen Geschwistern „Ehrerbietung“, und fange nicht als erster mit Beleidigungen an (Römer 12:10). Bist du ärgerlich, weil du denkst, sie würden dich vernachlässigen oder dich nicht in ihr Leben einbeziehen? Laß nicht zu, daß aus dir ein Einzelgänger wird. „Führe deine ... Rechtssache“ mit ihnen auf ruhige und erwachsene Art (Sprüche 25:9). Oftmals kommt es nur darauf an, vergeben zu lernen (Epheser 4:32; Kolosser 3:13; 1. Petrus 4:8). Wenn du jedoch meinst, daß eines deiner Geschwister dich angegriffen oder dich beleidigt hat, solltest du es deinen Eltern erzählen. Nur dann können sie ihrer Verpflichtung, ihre Kinder „in der ernsten Ermahnung Jehovas“ aufzuziehen, nachkommen (Epheser 6:4).
Nein, die Tatsache, daß du das jüngste Kind bist, verurteilt dich nicht dazu, das „Küken“ zu sein. Auch wird dadurch nicht unbedingt dein geistiger oder dein emotioneller Reifeprozeß behindert. Als jüngstes Kind kannst du Einfühlungsvermögen, Selbstlosigkeit, Freigebigkeit und die Fähigkeit, mit anderen zurechtzukommen, lernen — Lektionen, die dir in späteren Jahren sehr helfen werden.
[Bild auf Seite 23]
„Warum bin ich das fünfte Rad am Wagen?“