Wir beobachten die Welt
Das letzte absolutistische System
„In der katholischen Kirche Deutschlands nimmt die Unzufriedenheit wegen der konservativen Ausrichtung des Vatikans zu“, berichtete die in Rom erscheinende Tageszeitung La Repubblica nach der Ernennung 30 neuer Kardinäle durch Johannes Paul II. Der bekannte streitbare Theologe Hans Küng ist der Meinung, für die nächste Papstwahl bestehe dringender Bedarf an einer Wählerschaft, die wirklich für die gesamte katholische Kirche repräsentativ sei. Seiner Ansicht nach hat der Papst das Vertrauen eines Großteils der Gläubigen verloren. Es sei nicht von der Hand zu weisen, daß nach dem Zusammenbruch des Stalinismus das römische System das letzte noch verbliebene absolutistische System in der westlichen Welt sei.
Vorbeugung gegen vorzeitiges Altern
„Wohnungen werden kindgerecht gestaltet. Warum sie nicht auch den Bedürfnissen älterer Menschen anpassen?“ fragt der Gerontologe Wilson Jacob Filho von der Universität São Paulo (Brasilien). Er tritt für mehr Sicherheit in Wohnungen älterer Menschen ein und rät Senioren, ihre Muskulatur durch sportliche Betätigung zu kräftigen, um das Risiko eines Sturzes zu vermindern. Was ist einem langen Leben am ehesten abträglich? Rogério Izar Neves, Facharzt für plastische Chirurgie, ebenfalls von der Universität São Paulo, zählt als Risikofaktoren „eine sitzende Lebensweise, unausgewogene Ernährung (vor allem fettreiche Kost), Rauchen, übermäßigen Alkoholgenuß, Streß und Schlafmangel“ auf. In der Zeitung Jornal da Tarde wird erklärt, daß extremer Streß das Immunsystem schwächt, „was in enger Beziehung zum Ausbruch verschiedener Krankheiten steht und folglich auch zum Alterungsprozeß“. Dr. Neves behauptet außerdem: „Die Hauptursache für vorzeitiges Altern ist Desinteresse am Leben.“
Bodypiercing gesundheitsgefährdend
„Die Leute lassen sich heute an Körperstellen Löcher stechen, wo man es vor Jahren nicht getan hätte“, sagt John Pelton, Leiter der Abteilung für Sozialmedizin bei der Gesundheitsbehörde von Calgary (Kanada). Das schließt laut einem Bericht der Vancouver Sun die Augenbrauen ein, die Lippen, die Zunge und den Nabel. Die Befürchtung, durch diese immer beliebter werdende Modeerscheinung könne Aids oder Hepatitis B und C übertragen werden, hat das Amt für Sozialmedizin am Gesundheitsministerium von Alberta veranlaßt, Richtlinien zur Kontrolle des Bodypiercing (Durchstechen von Körperteilen) einzuführen. In dem Bericht wird gesagt: „Mit den neuen Bestimmungen wird letztlich eine ganze Palette von persönlichen Dienstleistungen abgedeckt, für die bisher keine Verordnungen galten, darunter Branding [Einbrennen von Zeichen in die Haut], Enthaarung mit Wachs oder elektrischem Strom, Tätowierungen und sensorische Deprivation [Isolierung von Sinneseindrücken].“ Weiter heißt es, daß ein Entwurf dieser Verordnungen von Gesundheitsbeamten und Herstellern durchgesehen wird. Über den Einsatz von Instrumenten beim Bodypiercing, die sonst zum Ohrlochstechen benutzt werden, sagt ein Insider: „Wir haben erlebt, daß Leute wegen Infektionen ins Krankenhaus mußten. Es sieht im Moment wirklich erschreckend aus.“
Existenz einer Kirche bedroht
Die Anhängerschaft der größten protestantischen Glaubensgemeinschaft Kanadas, der Vereinigten Kirche von Kanada, „altert rapide und wird zusehends kleiner; auch sind sich ihre Oberen mit den Gemeindegliedern über die zu setzenden Prioritäten uneins“, schreibt der Toronto Star. Während sich über 3 000 000 Personen der Kirche zugehörig fühlen, sind nur 750 000 im Kirchenregister aufgenommen. Die Mehrheit der treuesten Unterstützer ist über 55 Jahre alt, und für deren Kinder und Enkel hat die Kirche keinen Reiz. Der Kirche wurde dringend angeraten, umgehend ihren Kurs zu ändern, sonst könne sie schließen. Die Mitglieder wünschen, daß dem Gottesdienst und der Spiritualität Vorrang eingeräumt wird, wogegen die Kirchenführung sozialen Belangen und Fragen von globaler Bedeutung mehr Beachtung schenken will. Ein Zusammenbruch der Kirche würde anzeigen, daß „das, was für die Vereinigte Kirche von Bedeutung war, für die Kanadier keinen hohen Stellenwert hatte“, sagt der Soziologe Reginald Bibby aus Alberta mahnend. „Es ist ihnen dann die Zeit, das Geld oder die Aufmerksamkeit nicht wert gewesen.“
Vermächtnis des Krieges
Siebentausend Veteranen, die vor 51 Jahren an der Landung der alliierten Truppen auf dem europäischen Festland teilgenommen haben, kehrten im Juni 1994 an die Küste der Normandie zurück. Hunderten von ihnen waren die Erinnerungen allerdings zuviel, weshalb sie psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen mußten, um mit den Ängsten fertig zu werden, die durch die Gedenkfeiern ausgelöst wurden. „Eine Anzahl Veteranen waren nach dem D-Day extrem beunruhigt“, sagte Dr. Graham Lucas als Sprecher für die wohltätige Organisation Combat Stress, die ehemaligen Soldaten beisteht. „Sie hatten Schuldgefühle, weil sie meinten, sie hätten es nicht verdient, am Leben geblieben zu sein, während andere sterben mußten. Sie hatten Alpträume und litten an Schlafstörungen.“ Die jahrelang unterdrückten Gefühle haben, wie die Londoner Sunday Times berichtete, zu Magengeschwüren, Asthma und Hautleiden geführt. Ein Veteran, dessen Erinnerungen ihn immer noch in Alpträumen heimsuchen, sagte: „Man kann es mit solchen Anlässen auch zu weit treiben. Wer es nicht erlebt hat, kann nicht verstehen, wie das war.“
Schmarotzerfisch
Der Candiru ist ein Schmarotzerwels, der in den Flüssen des Amazonasbeckens laicht. Dieses durchsichtige wurmartige Fischchen, das etwa zweieinhalb Zentimeter lang ist, bewohnt meist die Kiemenhöhlen größerer Fische und ernährt sich von deren Blut. Es kann auch in menschliche Körperöffnungen eindringen, wo es Entzündungen und Blutungen hervorruft, manchmal sogar mit tödlichem Ausgang. Unlängst hat man in Brasilien eine kleinere — kaum halb so lange — und noch gierigere Spielart entdeckt. Dieser Fisch hat zwei hakenförmige Zähne im hinteren Teil seines Mauls, mit denen er sich festbeißt, so daß es unmöglich ist, ihn wieder herauszuziehen. „In flußnahen Siedlungen, die über wenige oder gar keine medizinischen Einrichtungen verfügen, können schwere Infektionen auftreten“, meldet die Zeitschrift New Scientist.
Universitäten in Schwierigkeiten
„Die vernachlässigten Universitäten Afrikas stehen vor dem Aus“, berichtet die Johannesburger Zeitung WeekendStar. Wegen mangelnder Geldmittel verfügen sie über nur wenige Computer, und zum Teil sind die Telefone abgestellt worden. In einer Universität sind 35 000 Studenten immatrikuliert, obwohl sie ursprünglich nur für 5 000 geplant war. An einer ehemals renommierten Universität in Uganda ist nur die Hälfte der Stellen für Lehrbeauftragte besetzt. Das Einkommen eines Dozenten entspricht dort offenbar etwa 19 Dollar im Monat. Es ist schon vorgekommen, daß Universitäten monatelang geschlossen waren, weil die Lehrbeauftragten oder die Studenten streikten. Ein Professor in Kenia meinte: „Mit der Selbstzerstörung im akademischen Bereich wird es immer schlimmer.“
Wer macht die Hausarbeit?
„In die häusliche Sphäre, so scheint es zumindest, ist die Gleichberechtigung noch nicht vorgedrungen“, schrieb die Zeitung Corriere della Sera über eine Erhebung des Zentralinstituts für Statistik, bei der es um die Zeiteinteilung in italienischen Familien ging. Ob berufstätig oder nicht, es ist immer noch die Frau, die „die Last der Haushaltsführung übernehmen“ muß, wobei sie, sofern Kinder da sind, im Durchschnitt täglich 7 Stunden und 18 Minuten für Hausarbeit aufwendet, ihr Partner dagegen 1 Stunde und 48 Minuten. Paradoxerweise sind unverheiratete Mütter anscheinend besser dran, da es ihnen gelingt, der Hausarbeit pro Tag zwei Stunden weniger zu widmen. „Mädchen werden schon in zartem Alter von der Mutter für die Hausarbeit ‚ausersehen‘“, schrieb die Zeitung La Repubblica.
Verlorene Schlacht gegen Tuberkulose
Im Krieg gegen Krankheiten sei die Schlacht gegen Tuberkulose „weltweit eine absolute Niederlage“ gewesen, sagte Professor Jacques Grosset, Leiter der Abteilung für Bakteriologie und Virologie an der Pariser Klinik La Pitié-Salpétrière. Ohne Behandlung sterben zirka 50 Prozent der Tbc-Kranken. Professor Grosset wies darauf hin, daß ungefähr die Hälfte der Tbc-Kranken weltweit nicht die Möglichkeit hat, untersucht und behandelt zu werden, hob aber gleichzeitig hervor, die eigentliche Katastrophe bestehe darin, daß in den technologisch entwickelten Ländern, wo Antibiotika ohne weiteres erhältlich sind, nur die Hälfte der Erkrankten ihre Behandlung bis zur völligen Heilung fortsetzt. „Die andere Hälfte nimmt die Medikamente gar nicht oder nur sehr unregelmäßig, wodurch sich die Sterblichkeit wesentlich erhöht (25 Prozent der Behandelten) und zudem ein Tuberkelbazillusstamm herangezüchtet wird, der gegen Antibiotika resistent ist.“
Venezuela und Aids
Gemäß der in Caracas erscheinenden Zeitung El Universal steht Venezuela, was die Verbreitung von Aids betrifft, nach Brasilien und Mexiko an dritter Stelle in Lateinamerika. Dr. Arellano Médici schätzt, daß in dem Land 350 000 Menschen mit dem tödlichen Virus infiziert sind, wogegen das Gesundheitsministerium nur die Zahl von 3 000 Infizierten gelten lassen will. Daß auf jeden Infizierten womöglich 100 weitere kommen, die ohne ihr Wissen infiziert sind, liegt nach den Worten Dr. Médicis an der „ausgeprägten Promiskuität in unserer Gesellschaft“. Weiter erklärte er, ein Infizierter solle ein moralisch reines Leben führen, und zwar nicht nur wegen des Risikos, andere zu infizieren, sondern auch, weil verschiedene Aidsviren existierten. Er könne sich leicht mit einem anderen Virus infizieren, wodurch sich seine Gesundheitsprobleme noch verschlimmern würden. Nach einer Schätzung wird es im Jahr 2000 in jeder Familie auf der Welt einen Aidsinfizierten geben.