Vorsicht, Betrüger am Werk!
STELLEN wir uns folgende Szene vor: Eben noch wütete ein heftiger Sturm. Die tobenden Winde haben sich gelegt und ihr zerstörerisches Werk beendet. Es droht keine Gefahr mehr durch reißende Wassermassen. Verängstigte Überlebende kommen aus ihrem Unterschlupf heraus; in der Ferne sieht man einige der evakuierten Bewohner zaudernd und furchtsam zurückkehren, um die Sturmschäden zu inspizieren. Ganze Häuser wurden abgedeckt; Bäume wurden entwurzelt und liegen kreuz und quer auf den abgedeckten, vom Regen durchnäßten Häusern. Stromleitungen sind gerissen, so daß man keinerlei Nachricht oder Notruf senden kann. Manche Häuser, die noch kurz zuvor das Zuhause glücklicher Familien waren, sind völlig zerstört und lassen sich nicht mehr instand setzen. Die einst so friedliche und beschauliche Gemeinde bietet ein Bild der Zerstörung und der Verzweiflung.
Die Gemeinde zeigt sich der Situation gewachsen und macht sich voller Tatendrang an den Wiederaufbau. Nachbarn helfen Nachbarn, von denen sie bisher nicht einmal die Namen kannten. Männer tauschen Werkzeuge und Fachkenntnisse aus. Frauen versorgen die Aufräumtrupps mit Essen, ältere Kinder passen auf jüngere auf. Aus anderen Gegenden kommen Hilfskonvois angerollt — Dachdecker, Räumkommandos für Bäume, Zimmerleute und Maler. Mit ihnen erscheinen allerdings auch Betrüger auf der Bildfläche, die es auf das Geld der Überlebenden abgesehen haben.
Als Vorauszahlung für Reparaturarbeiten verlangen sie riesige Geldsummen in bar. Die verzweifelten Hauseigentümer händigen ihnen das Geld aus, müssen dann aber feststellen, daß die Handwerker damit auf Nimmerwiedersehen verschwunden sind. Dachdecker, die für Qualitätsarbeit „garantieren“, pfuschen bei den Reparaturen der abgedeckten Dächer derart, daß es beim ersten Regen wieder hineinregnet. Unter dem Vorwand, für die Arbeiten am darauffolgenden Tag große Maschinen mieten zu müssen, ziehen Räumkolonnen den Geschädigten als Vorauszahlung Tausende von Dollar aus der Tasche. Doch am nächsten Tag sind sie längst über alle Berge.
Für den Hausbesitzer, der ohnehin Verluste zu beklagen hat und dessen Eigentum zerstört ist, ist es eine besonders bittere Pille, wenn sich zahlungsunfähige oder betrügerische Versicherungen, denen er stattliche Prämien gezahlt hat, weigern, für den Schaden aufzukommen, oder ihre Büros plötzlich leer stehen und sich die Verantwortlichen abgesetzt haben. Wer das Glück hat, das Geld von der Versicherung zur Schadensregulierung in den Händen zu halten, muß feststellen, daß die wenigen Fachkräfte die Arbeit allein nicht bewältigen können und daß skrupellose, unqualifizierte Auftragnehmer nur allzuoft zur Stelle sind, um in die Bresche zu springen. Sehr zum Kummer der sowieso schon leidgeprüften Hauseigentümer werden die Reparaturen zudem noch liederlich ausgeführt.
Immer wieder wird aus der Situation Leidtragender bei Katastrophen Kapital geschlagen. Was so gut anfängt — eine leidgeplagte Gemeinde rückt zusammen, um sich gegenseitig zu helfen —, endet für manche mit einem bösen Erwachen.
In einer Stadt stieg der Preis für einen Schokokeksriegel nach einem Wirbelsturm auf sage und schreibe 4 Dollar an, und für eine Dose Babynahrung mußten die Mütter 6 Dollar hinlegen. In einem Laden konnte man nur dann Batterien kaufen, wenn man gleichzeitig ein Fernsehgerät oder ein Radio erwarb. Der Verkauf von völlig überteuerten Waren brachte Baulieferanten gefüllte Kassen. Besitzer transportabler Wohnhäuser, die ihr Haus wegen einer Überschwemmung in eine höher gelegene Region schleppen ließen, mußten einen Preisanstieg von 600 Prozent hinnehmen. Eine 84jährige Frau, deren Haus durch ein Erdbeben stark beschädigt worden war, erhielt einen Anruf von einem Mann, der vorgab, von der Behörde zu sein. Die Frau dachte, daß es in den Papieren, die sie später unterzeichnete, um Anträge auf staatliche Unterstützung und Lebensmittelkarten ging. In Wirklichkeit handelte es sich jedoch um eine Hypothek von 18 000 Dollar auf ihr Haus, mit der Reparaturen finanziert werden sollten, die nur einen Wert von 5 000 Dollar hatten.
Betrug via Telemarketing
„Herzlichen Glückwunsch, Frau S.! Heute ist Ihr Glückstag!“ heißt es möglicherweise aus heiterem Himmel am Telefon. „Sie sind die Hauptgewinnerin des ...“ Schon vielen Leuten wurde am Telefon gesagt, sie hätten „bereits gewonnen“ und einen Preis „sicher“. Bei dem „Preis“ handelt es sich womöglich um ein neues Auto, einen Stereoturm mit Fernseh- oder Videogerät oder sogar um einen Diamantring.
Wem man schon einmal am Telefon eröffnet hat, daß er einen Preis gewonnen habe, dessen Herz hat sicher etwas schneller geschlagen. Wahrscheinlich hat er seinen Ohren kaum getraut. Hat er den Preis aber wirklich erhalten? Oder wurde er Opfer eines Betrugs via Telemarketing? Falls ja, ist er nicht der einzige. Gemäß der Zeitschrift Consumers’ Research werden allein in den Vereinigten Staaten via Telemarketing 10 Menschen pro Minute von Hochstaplern um ihr Geld gebracht. Jedes Jahr ergaunern skrupellose Trickbetrüger von Verbrauchern zwischen 10 und 40 Milliarden Dollar, das sind ungefähr 7 500 Dollar pro Minute.
„In Kanada“, so meldete Reader’s Digest, „werden jedes Jahr bis zu 150 000 Menschen von Telemarketing-Betrügern telefonisch informiert, sie hätten ‚gewonnen‘ oder seien für einen Hauptgewinn ‚ausgewählt worden‘. Und jedes Jahr fallen Tausende von Kanadiern auf solche Anrufe herein und geben durchschnittlich jeweils 2 000 Dollar aus, um ihren Preis zu erhalten.“ Ein Polizeibeamter aus der Provinz Ontario erklärte: „Die Masche mit dem Telefon zählt zu den größten Gaunerstreichen in der Geschichte Kanadas.“ Weiter meinte er: „Wir wissen, daß die Kanadier dadurch im Jahr Millionen Dollar verlieren.“ Diese Zahlen beziehen sich jedoch im wesentlichen nur auf die Fälle, die der Polizei gemeldet werden. Da nur schätzungsweise 10 Prozent der Opfer ihren Verlust melden, ist es unmöglich, sich ein genaues Bild von der Tragweite des Problems zu machen.
„Wir sagen den Leuten, daß sie gewonnen haben, dann können sie nämlich nicht mehr klar denken“, gab ein Trickbetrüger zu. Er sagte: „Anschließend setzen wir sie unter Druck, uns Geld zu schicken; ein Nein wird von uns nicht akzeptiert.“ Ist jemand auf den Betrug hereingefallen, wird sein Name unter Umständen an andere Telemarketing-Unternehmen verkauft und auf eine Liste für „Naivlinge“ gesetzt. Die Namen werden möglicherweise auch an andere Personen weiterverkauft, die die Betreffenden dann wiederholt anrufen. „Wenn wir mit dieser Liste arbeiten“, sagte eine frühere Telemarketing-Telefonistin aus Toronto, „können wir ungefähr 75 Prozent der Leute dazu bewegen, gleich beim ersten Anruf etwas zu kaufen. Arbeiten wir die Liste das dritte Mal durch, sind es nur noch 50 Prozent. Aber manche Leute zahlen auf der Jagd nach dem großen Geld immer und immer wieder, wenn sie erst einmal angebissen haben.“
Wie weit gehen die Menschen, die auf solche Telemarketing-Schwindler hereinfallen, bei der Jagd nach dem großen Preis? „Wir mußten uns schon mit Banken kurzschließen und das Guthaben mancher Rentner einfrieren lassen, damit die älteren Herrschaften nicht völlig geschröpft wurden“, sagte ein Kriminalbeamter. Eine Frau, deren Mann kurz zuvor gestorben war, bezahlte bei 16 verschiedenen Telemarketing-Unternehmen 36 Rechnungen im Wert von insgesamt 85 000 Dollar. Als Gegenleistung erhielt sie „ein halbes Zimmer voll wertloser Kinkerlitzchen“.
Raffinierte Tricks bei gebildeten Leuten
Diejenigen, die solche Gaunermethoden anwenden, beschränken sich jedoch nicht nur auf e i n e Personengruppe. Ihre Opfer kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Sogar sogenannte gebildete, hochqualifizierte Leute haben sich täuschen lassen. Der Schwindel ist mitunter so raffiniert eingefädelt, daß sogar der wachsamste Verbraucher darauf hereinfallen kann. Hochstapler werben manchmal im Fernsehen und durch farbige Broschüren, die sie mit der Post versenden, für ihre betrügerischen Geschäfte, bei denen es zumeist um höhere Preisklassen geht und die auf anspruchsvollere Käufer abzielen. Dazu gehören möglicherweise Investitionen in vielversprechende einträgliche Geschäfte — Investitionen in Filmstudios, Gold, Goldminen oder Ölquellen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Das Ergebnis ist jedoch immer dasselbe — totaler Verlust.
„Ihr Erfindungsreichtum ist unglaublich“, sagte eine hochgebildete Frau, die sich täuschen ließ. „Als Lehrerin dachte ich, intelligent genug zu sein. ... Sie versprechen einem das Blaue vom Himmel herunter.“ Bei einem Geschäft mit einer betrügerischen Filmgesellschaft hatte sie 20 000 Dollar verloren.
Betrügereien via Telemarketing sind ein internationales Problem. Und wie Ermittlungsbeamte prophezeien, „werden sie in diesem Jahrzehnt noch zunehmen“. Doch Vorsicht! Es gibt noch andere Formen des Betrugs, und manche professionelle Betrüger zielen vorzugsweise auf eine Gruppe ab: ältere Menschen.
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Vorsicht! Nach einem Wirbelsturm können Betrüger auftauchen!
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„Sie haben einen Preis gewonnen!“ — Oder doch nicht?