Das Denguefieber — Ein Stich mit Folgen
Von unserem Korrespondenten auf den Philippinen
UNBEMERKT landet ein Moskito auf dem nackten Arm des kleinen Mädchens. Das Insekt ritzt blitzschnell die Haut auf und zapft die Blutbahn an. Wenig später ruht der Blick der Mutter auf ihrer Tochter, und sie entdeckt den Moskito. Mit einer schnellen Bewegung verscheucht sie ihn. Das war’s also. Oder vielleicht doch nicht? Der Moskito ist wohl fort, aber sein kurzes Eindringen in die Blutbahn des Kindes hat Organismen zurückgelassen, auf die man lieber verzichten würde, weil sie Krankheiten verursachen können.
Innerhalb von zwei Wochen stellen sich bei der Kleinen Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Schmerzen hinter den Augen, extrem starke Gelenkschmerzen und hohes Fieber ein. Während die Krankheit fortschreitet, bekommt sie einen roten Ausschlag und ist völlig erschöpft. Sie hat sich das Denguefieber zugezogen, das durch den Biß einer Stechmücke übertragen wird.
Besonders wenn das Kind bereits eine Dengueinfektion hinter sich hat, kann sich die ernstere Verlaufsform der Krankheit entwickeln, das hämorrhagische Denguefieber (DHF). Dabei werden die Kapillaren hochgradig durchlässig, was zu Hautblutungen führt. Auch innere Blutungen sind möglich. Ohne die richtige Behandlung kann es bei Patienten zu einem schweren Schock mit akutem Kreislaufversagen kommen, der rasch zum Tod führt.
Worum genau handelt es sich beim Denguefieber? Könnte man selbst davon betroffen werden? Wie kann man sich und seine Familie schützen? Darauf soll nun näher eingegangen werden.
Was ist das Denguefieber?
Das Denguefieber, auch Knochenbrecherfieber genannt, ist nur eine von vielen Krankheiten, die durch einen Moskitostich übertragen werden können. Der eigentliche Krankheitserreger ist ein Virus. Eine infizierte Stechmücke (das heißt eine Stechmücke, die zuvor einen infizierten Menschen gebissen hat) trägt das Virus in ihren Speicheldrüsen. Beim Blutsaugen überträgt sie das Virus auf den Menschen.
Es gibt vier Typen des Denguevirus. Die Infizierung mit einem Typ bietet keine Immunität gegenüber den drei anderen. Wird ein Opfer, das bereits eine Infektion hinter sich hat, von einer Stechmücke gestochen, die einen anderen Virustyp überträgt, kann DHF die Folge sein.
„Zwei Fünftel der Weltbevölkerung“ gefährdet
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bedroht das Denguefieber 2,5 Milliarden Menschen, „zwei Fünftel der Weltbevölkerung“. Die Asiaweek berichtete: „Über 100 tropische und subtropische Länder haben Dengueausbrüche gemeldet. Jedes Jahr wird von zigmillionen gemeldeten Fällen berichtet, wobei es sich bei 95 Prozent der Infizierten um Kinder handelt.“
Unklar ist, wann das Denguefieber zum ersten Mal als solches erkannt wurde. Ein Bericht über ein „Kniefieber“ in Kairo im Jahr 1779 könnte sich in Wirklichkeit auf das Denguefieber bezogen haben. Seit jener Zeit sind weltweit Fälle von Dengueerkrankungen beobachtet worden. Besonders seit dem Zweiten Weltkrieg hat das Denguefieber, beginnend in Südostasien, nennenswerte Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen gehabt. Multiple Typen des Virus begannen zu zirkulieren, und das führte zu den gefährlicheren hämorrhagischen Erscheinungen. In einer von der WHO veröffentlichten Publikation heißt es: „Der erste echte Ausbruch hämorrhagischen Fiebers in Asien wurde 1954 in Manila beschrieben.“ Andere Länder folgten, besonders Thailand, Vietnam, Malaysia und benachbarte Regionen. Diese frühen Ausbrüche in Südostasien wiesen noch eine Sterblichkeitsrate von 10 bis 50 Prozent auf, doch als man mehr über die Krankheit in Erfahrung brachte, ging die Mortalität zurück.
Eine in den 60er Jahren beginnende Nachlässigkeit bei den Bekämpfungsstrategien gegen die virusübertragende Stechmücke hat zu dem explosionsartigen Anstieg der Dengueerkrankungen beigetragen. Mit der Ausbreitung des klassischen Denguefiebers hat sich auch DHF ausgebreitet. Vor 1970 gab es in nur 9 Ländern Epidemien, bis 1995 war diese Zahl jedoch auf 41 angewachsen. Die WHO schätzt, daß bei jährlich 500 000 Fällen von DHF ein Krankenhausaufenthalt erforderlich wird.
Zwar ist die Seuche außerhalb der tropischen Regionen weniger bekannt, in manchen Fällen haben sich aber Reisende in Gebieten infiziert, wo eine Infektionsgefahr besteht, und haben die Krankheit in ihre Heimat eingeschleppt. Ende 1996 berichtete beispielsweise die New York Times von Dengueerkrankungen in den Vereinigten Staaten — in Massachusetts, New York, Oregon und Texas.
Besondere Gefahren des DHF
Wie schon erwähnt, ist das DHF die lebensbedrohende Form des Denguefiebers. Das Gefährliche an DHF ist unter anderem, daß man sich täuschen läßt und es nicht ernst genug nimmt. Viele halten es irrtümlicherweise für eine Grippe. Wird nicht rechtzeitig etwas unternommen, kann die Erkrankung aber in ein ernsteres Stadium übergehen, in dem die Thrombozytenzahl drastisch sinkt, Blutungen einsetzen (innere Blutungen oder Zahnfleischbluten, Nasenbluten, Hautblutungen) und der Blutdruck stark sinkt. Es kann zum Kollaps kommen. Wenn den Angehörigen des Patienten endlich klar wird, wie ernst sein Zustand ist, gerät er bereits in einen Schockzustand. Sie bringen ihn schnellstens ins Krankenhaus. Dort finden die Ärzte heraus, daß sein Kreislauf bereits versagt. Wegen der kritischen Lage wird das intravenöse Verabreichen einer Ersatzflüssigkeit verordnet.
Die Familie schützen
Was kann man tun, um die negativen Auswirkungen dieser Seuche so gering wie möglich zu halten? Wenn in einer Familie, die im Verbreitungsgebiet des Denguefiebers lebt, jemand länger als einen Tag hohes Fieber hat, zieht man klugerweise einen Arzt hinzu. Das ist besonders wichtig, wenn der Kranke noch weitere Denguesymptome hat, wie beispielsweise Ausschlag oder Muskel- und Gelenkschmerzen oder Schmerzen hinter den Augen.
Der Arzt wird vielleicht eine Blutuntersuchung anordnen. Das klassische Denguefieber erfordert womöglich nur eine einfache Behandlung. Wenn die Untersuchungen allerdings auf DHF hindeuten, rät der Arzt wahrscheinlich zu einer gezielten Stabilisierung des Flüssigkeitshaushaltes. Dazu eignen sich Lösungen für die orale Rehydratationstherapie, wie man sie bei Diarrhö verwendet, oder in ernsteren Fällen intravenöser Flüssigkeitsersatz mit Ringer-Lösungen, Kochsalzlösungen oder anderen. Beim Schockzustand verschreibt ein Arzt vielleicht bestimmte Medikamente, die den Blutdruck heben und den Thrombozytenspiegel normalisieren helfen.
Bestehen beträchtliche Blutungen, mögen Ärzte dazu neigen, eine Bluttransfusion zu empfehlen. Manche tun dies womöglich sofort, ohne Alternativen zu berücksichtigen. Doch eine Bluttransfusion verletzt nicht nur Gottes Gesetz, sie ist gewöhnlich auch nicht nötig (Apostelgeschichte 15:29). Die Erfahrung hat gezeigt, daß die sorgfältige Stabilisierung des Flüssigkeitshaushaltes gleich von Beginn der Erkrankung an der wichtigste Faktor einer Behandlung ist. Wenn der Patient und der Arzt dabei gut zusammenarbeiten, kann das dazu beitragen, Konfrontationen zum Thema Bluttransfusion zu vermeiden. All das betont die Wichtigkeit des schnellen Handelns, wenn jemand DHF vermutet. (Siehe Kasten „Welche Symptome treten auf?“)
Präventivmaßnahmen
Einer der Hauptüberträger des Denguevirus ist die Stechmücke Aedes aegypti. Diese Art kommt überall auf der Welt in tropischen und subtropischen Gebieten vor. (Siehe Karte oben.) Aedes aegypti gedeiht in dichtbesiedelten Gegenden. Das Bekämpfen der Stechmücke ist einer der wesentlichen Faktoren, die Seuche unter Kontrolle zu halten.
Die Stechmücke auf weltweiter Ebene zu bekämpfen ist kein einfaches Unterfangen. Doch man kann selbst einiges tun, um das Risiko im eigenen Umfeld zu verringern. Das Stechmückenweibchen legt seine Eier im Wasser ab. Die Larve kann sich in irgendwelchen Behältern entwickeln, in denen sich seit etwa einer Woche Wasser befindet, wie zum Beispiel in ausrangierten Autoreifen, weggeworfenen Dosen, Flaschen oder offenen Kokosnußschalen. Durch das Entfernen derartiger Behälter beseitigt man die Brutplätze der Stechmücke. Außerdem empfiehlt es sich, Eimer und auch Boote umzudrehen. Abgestandenes Wasser aus Regenrinnen zu entfernen ist ebenfalls hilfreich. Bemerkenswerterweise riet das Gesundheitsministerium der Philippinen Anfang des Schuljahres 1997/98 aus dem gleichen Grund von Blumentöpfen in Klassenzimmern ab.
Hat sich jemand das Denguefieber einmal zugezogen, sind Schritte zu unternehmen, damit er nicht von weiteren Moskitos gestochen wird, die ihrerseits die Infektion weitertragen können. Ein ordnungsgemäß mit Fliegengittern oder mit einer Klimaanlage versehenes Gebäude kann ein Schutz sein.
Wie sieht es mit einer Schutzimpfung aus? Derzeit ist kein geeigneter Impfstoff verfügbar. Es laufen Forschungen zur Entwicklung eines Impfstoffs. Diese werden allerdings dadurch erschwert, daß ein vollständiger Schutz eine Immunisierung gegen alle vier Typen des Denguevirus erfordern würde. Eine Impfung gegen nur einen Virustyp könnte sogar das Risiko erhöhen, an DHF zu erkranken. Man hofft, daß ein effektiver Impfstoff in fünf bis zehn Jahren zur Verfügung steht.
Manche Forscher versuchen, das Problem anders anzugehen. Sie wollen durch die Gentechnik eine Vermehrung des Denguevirus im Speichel der Stechmücke verhindern. Falls das wie geplant funktioniert, wären die Nachkommen solcher gentechnisch veränderten Stechmücken gegen das Denguevirus resistent. Zwar sind einige Fortschritte erzielt worden, doch bleibt abzuwarten, wie groß der Erfolg sein wird.
Gegenwärtig scheint es nicht möglich zu sein, das Denguefieber völlig auszurotten. Praktische Vorsichtsmaßnahmen können einem allerdings helfen, sich und seinen Angehörigen die lebensgefährlichen Komplikationen des Denguefiebers zu ersparen — ein Fieber, das durch einen einzigen Insektenstich übertragen wird.
[Kasten auf Seite 22]
Welche Symptome treten auf?
Symptome, die auf Denguefieber und hämorrhagisches Denguefieber (DHF) hinweisen können
• Plötzliches hohes Fieber
• Starke Kopfschmerzena
• Schmerzen hinter den Augen
• Gelenk- und Muskelschmerzen
• Lymphdrüsenschwellung
• Ausschlag
• Erschöpfung
Symptome, die eher bei DHF auftreten
• Plötzlicher Kollaps
• Hautblutungen
• Allgemeine Blutungsneigung
• Kalte, feuchte Haut
• Unruhe
• Schockzustand mit schwachem Puls (Dengue-Schock-Syndrom)
Bei diesen Symptomen ist es höchste Zeit, einen Arzt hinzuzuziehen. Kinder sind besonders gefährdet.
[Fußnote]
a Von medizinischer Seite wird geraten, kein Aspirin zu nehmen, weil es blutungsfördernd sein kann.
[Kasten auf Seite 23]
Tips für Reisende
Gelegentlich erkranken Tropenreisende an Denguefieber; das hämorrhagische Denguefieber tritt bei ihnen jedoch viel seltener auf, weil man es sich normalerweise erst nach einer Zweitinfektion zuzieht. Es folgen einige Sicherheitsvorschläge für Reisende:
• Langärmelige Hemden und lange Hosen tragen
• Ein Insektenschutzmittel verwenden
• Von dichtbesiedelten Gebieten fernbleiben
• Sich eine Unterkunft suchen, wo man die Fenster schließen und Moskitos fernhalten kann
• Dem Arzt sagen, in welchem Land man war, sollte sich nach der Rückkehr Fieber einstellen
[Karte/Bild auf Seite 23]
Verbreitungsgebiet der Stechmücke „Aedes aegypti“, die das Denguefieber überträgt
Gegenden, in denen unlängst das Denguefieber aufgetreten ist
Gegenden, die von einem epidemischen Ausbruch des Denguefiebers bedroht sind
[Bildnachweis]
Source: Centers for Disease Control and Prevention, 1997
© Dr. Leonard E. Munstermann/Fran Heyl Associates, NYC
[Bilder auf Seite 24]
Mögliche Brutplätze sind (1) ausrangierte Autoreifen, (2) Regenrinnen, (3) Blumentöpfe, (4) Eimer oder andere Behälter, (5) weggeworfene Dosen und (6) Fässer
[Bildnachweis auf Seite 21]
© Dr. Leonard E. Munstermann/Fran Heyl Associates, NYC