Serubbabel baut den Tempel wieder auf
JERUSALEM, die gefangene Stadt, muss wieder erstehen! So hatte es der Prophet Jesaja zweihundert Jahre im voraus gesagt. Als er diese Prophezeiung vom Wiederaufbau und der Wiederherstellung kundtat, war Jerusalem noch nicht einmal verwüstet und sollte tatsächlich erst etwa 130 Jahre später verödet werden. Vor dem Fall Jerusalems hatte der Prophet Jeremia vorausgesagt, dass sich die Zeit seiner Verödung über siebzig schmachvolle Jahre erstrecke, Jahre, während denen das Land verödet und seine früheren Bewohner in Babylon gefangengehalten würden. Doch am Ende dieser Zeit sollte der Tempel durch die aus Babylons Gefangenschaft Befreiten wiederaufgebaut und die Stadt wiederhergestellt werden zu ihrem regen Leben. Jehova Gott, der Zeiten und Zeitpunkte richtig einhält, hatte dies so erklärt und in seinem Worte aufzeichnen lassen. Würde die Befreiung zur bestimmten Zeit kommen?
Dass sich Babylon der jüdischen Gefangenen erbarmen würde, war nicht zu erwarten, denn prophetisch wurde von Babylons König gesagt, dass er „dessen Gefangene nicht in die Heimat entliess“ oder nach der Zürcher Bibel: „seinen Gefangenen den Kerker nicht auf schloss“. (Jes. 14:4, 17) Nur durch den Sturz des mächtigen Babylon würde die Befreiung Tatsache, und dieser Sturz sollte gemäss der Voraussage durch die Hand des Kores kommen. (Jes. 45:1, 13) Achtundsechzig Jahre der Gefangenschaft schleichen dahin ohne irgendwelche Anzeichen auf Befreiung von Babylon. Eines Abends des Jahres 539 v. Chr. steigt die Flut der Lästerungen wider den Gott der Hebräer noch höher. König Belsazar setzt der Bosheit seines wilden Festgelages und seiner Schwelgerei die Krone auf, indem er die goldenen und silbernen Gefässe, die aus dem Tempel Jehovas gestohlen worden waren, dadurch entweiht, dass er damit auf seine Dämonengötter und -götzen anstossen lässt und Wein daraus trinkt. Wer könnte das mächtige Babylon je zerschmettern und die schwachen Hebräer der Gefangenschaft entreissen? Nun, der prophezeite König Kores! Gerade in dieser Nacht erliegt Babylon den vereinten Streitkräften Darius’ des Meders und Kores’ des Persers, und Belsazar kommt um. Der kurzen Regierung des Darius über Babylon folgt im Jahre 537 v. Chr. diejenige des Kores. Nun verrinnen die letzten wenigen Sandkörnlein der Zeit, die für die siebzig Jahre der Verödung Jerusalems bestimmt ist. Die Zeit ist um! Doch mit derselben Zeitpräzision, welche die Bewegungen der Himmelskörper in den ausgedehnten Sonnensystemen des Universums kennzeichnet, hält sich der grosse Gott Jehova an das festgesetzte Programm der Befreiung und Wiederherstellung. In diesem selben Jahre, 537 v. Chr., gibt Kores den Erlass heraus:
„Und im ersten Jahre Kores’, des Königs von Persien — damit das Wort Jehovas aus dem Munde Jeremias erfüllt würde — erweckte Jehova den Geist Kores’, des Königs von Persien; und er liess einen Ruf ergehen durch sein ganzes Königreich, und zwar auch schriftlich, indem er sprach: So spricht Kores, der König von Persien: Alle Königreiche der Erde hat Jehova, der Gott des Himmels, mir gegeben; und er hat mich beauftragt, ihm ein Haus zu bauen zu Jerusalem, das in Juda ist. Wer irgend unter euch aus seinem Volke ist, mit dem sei sein Gott, und er ziehe hinauf nach Jerusalem, das in Juda ist, und baue das Haus Jehovas, des Gottes Israels, (er ist Gott) in Jerusalem. Und jeder, der übrigbleibt an irgend einem Orte, wo er sich aufhält, den sollen die Leute seines Ortes unterstützen mit Silber und mit Gold und mit Habe und mit Vieh, nebst den freiwilligen Gaben für das Haus Gottes in Jerusalem.“ — Esra 1:1-4.
König Kores verabfolgte auch dem jüdischen Überrest, der von Babylon auszog, „die Geräte des Hauses Jehovas, welche Nebukadnezar aus Jerusalem weggeführt und in das Haus seines Gottes gelegt hatte.“ Diese Geräte zum Tempeldienst überreichte Kores den Händen eines Fürsten von Juda namens „Sesbazar“. Doch war dies nur der babylonische Name für Serubbabel, einen Nachkommen aus der Linie des Königs David, der zum Landpfleger des wiederhergestellten Überrests gemacht und mit der Beaufsichtigung des Wiederaufbaus des Tempels betraut wurde. (Esra 1:7, 8; 2:2; 5:14-16) „Serubbabel“ bedeutet „Zerstreuer oder Angst Babylons; Fremder oder Verbannter in Babylon“. Mit dem Landpfleger Serubbabel kehrten nahezu 50 000 geweihte Männer und Frauen zurück, Wiederaufbauer, darunter die Nethinim und andere Diener guten Willens. — Esra, Kapitel 2.
Die Rückkehr des Überrests in sein Heimatland wurde der Zeit nach so gelenkt, dass gerade im Monat des Jahres, in welchem die vollständige Verödung des Landes Tatsache wurde, sich ein neuer Altar an der Tempelstätte in Jerusalem erhob und somit der Überrest das Laubhüttenfest siebzig Jahre später, auf den Monat genau, feiern konnte. (Esra 3:1-6) Das Werk des Wiederaufbaus des Tempels wurde eifrig betrieben, und bald wurde unter Rufen der Lobpreisung und unter Freudentränen die Grundlage gelegt. (Esra 3:7-13) An diesem Punkt jedoch erhebt der Widerstand gegen das Werk sein hässliches Haupt. Als heidnische Widersacher vom Wiederaufbau des Tempels hören, kommen sie mit schlauen Hilfsangeboten herbei, worauf Serubbabel und seine Ratgeber antworten: „Ihr habt mit uns nichts zu schaffen, um unserm Gott ein Haus zu bauen; sondern wir wollen allein dem Herrn, dem Gott Israels, (ein Haus) bauen, wie uns der König Cyrus [Kores], der König der Perser, geboten hat.“ — Esra 4:1-3, van Ess.
Doch als die unaufrichtigen Hilfsangebote der Feinde zurückgewiesen wurden und ihre Versuche, sich durch eine fünfte Kolonne einzuschleichen, scheiterten, wich die Verschlagenheit offenem Widerstand. Während all der Tage des Kores wurden die Tempelbauleute durch religiöse Verfolgung geplagt, und ein Verleumdungsfeldzug des Briefeschreibens an Artaxerxes, den Nachfolger des Kores, wobei man die Juden des Aufruhrs bezichtigte, bewirkte ein offizielles Verbot, das dem Aufbauwerk am Tempel einen Schlag versetzte. Der Brief an Artaxerxes lautete:
„Wenn die Stadt wieder aufgebaut wird und die Mauern vollendet werden, [werden] sie keinen Tribut, keine Abgaben und Zölle mehr entrichten und so das Einkommen der Könige schädigen. Weil wir nun das Salz des Palastes gegessen haben und es uns nicht geziemt, die Schädigung des Königs mitanzusehen, darum senden wir hin und tun es dem König zu wissen, damit man im Buche der Chronik deiner Väter nachforsche. Du wirst dann im Buche der Chronik finden und erfahren, dass jene Stadt aufrührerisch und den Königen und Provinzen schädlich gewesen ist und dass man vor alters her Empörung in ihr anstiftet.“ (Zürcher B.) Artasasta, d. h. Artaxerxes, antwortete: „So gebet nun Befehl, diesen Männern zu wehren, damit diese Stadt nicht wieder aufgebaut werde.“ Als die Gegner diese befriedigende Antwort erhielten, „gingen sie eilends nach Jerusalem zu den Juden und wehrten ihnen mit Gewalt und Macht“, den Tempel wiederaufzubauen. Das Werk unterblieb bis zum zweiten Jahr der Regierung Darius’ II., des Königs von Persien. — Esra 4:4-24.
Nach etwa sechzehn Jahren der Untätigkeit erweckte Jehova Gott die Propheten Haggai und Sacharja, damit sie Serubbabel und die Bauleute zur Tat aufrüttelten. Ihre feurigen Mahnworte fielen wie Funken auf Zunder, weckten Serubbabel aus seiner Apathie auf und spornten ihn zu eifriger Tätigkeit an. Und trotz offiziellem Verbot ging das Werk weiter! Doch wiederum protestierten die Briefschreiber beim König, der jetzt Darius H. war. Mutig und glaubensvoll beharrten die Tempelbauleute auf ihrer Anbetungsfreiheit; sie traten für die Gesetzmässigkeit ihres Werkes ein, indem sie auf den ursprünglichen Erlass des Königs Kores hinwiesen. Bestand nicht die Vorschrift, dass das Gesetz der Meder und Perser nicht verändert werden durfte? Darauf liess König Darius in den Staatsarchiven nachforschen, und der Erlass Kores’ wurde zu Tage gefördert. Zurück kam des Darius Antwort an die Widersacher:
„Lasst die Arbeit geschehen an diesem Hause Gottes; der Landpfleger der Juden und die Ältesten der Juden mögen dieses Haus Gottes an seiner früheren Stätte wieder aufbauen. Und von mir wird Befehl gegeben wegen dessen, was ihr diesen Ältesten der Juden für den Bau dieses Hauses Gottes tun sollt; nämlich, von den Gütern des Königs, aus der Steuer jenseits des Stromes, sollen diesen Männern die Kosten pünktlich gegeben werden, damit sie nicht gehindert seien. Und was nötig ist, sowohl junge Stiere, als auch Widder und Lämmer zu Brandopfern für den Gott des Himmels, Weizen, Salz, Wein und Öl, soll ihnen nach dem Geheiss der Priester, die in Jerusalem sind, Tag für Tag unfehlbar gegeben werden, damit sie dem Gott des Himmels Opfer lieblichen Geruchs darbringen und für das Leben des Königs und seiner Söhne beten. Und von mir wird Befehl gegeben: Welcher Mensch diesen Erlass abändern wird, von dessen Hause soll ein Balken ausgerissen und er, aufgehängt, daran geschlagen werden; und sein Haus soll dieserhalb zu einer Kotstätte gemacht werden. Der Gott aber, der seinen Namen daselbst wohnen lässt, stürze jeden König und jedes Volk nieder, die ihre Hand ausstrecken werden, diesen Erlass abzuändern, um dieses Haus Gottes zu zerstören, das in Jerusalem ist! Ich, Darius, habe den Befehl gegeben; pünktlich (genau, Menge) soll er vollzogen werden!“ — Esra 6:7-12.
Auf Grund dieses gesetzlichen Sieges und dieser materiellen Hilfe trieben Serubbabel und seine Bauleute das Werk während der nächsten vier Jahre einem erfolgreichen Abschluss entgegen. Der Bericht lautet: „Und die Ältesten der Juden bauten; und es gelang ihnen durch die Weissagung Haggais, des Propheten, und Sacharjas, des Sohnes Iddos; und sie bauten und vollendeten nach dem Befehle des Gottes Israels, und nach dem Befehle Kores’ und Darius’ und Artasastas (Artaxerxes’, Fussnote), des Königs von Persien. Und dieses Haus wurde beendet bis zum dritten Tage des Monats Adar, das ist das sechste Jahr der Regierung des Königs Darius.“ — Esra 6:14, 15.
Beim Wiederaufbau des Tempels ist Serubbabel ein Vorbild Christi Jesu, der den geistigen Tempel auf dem himmlischen Berg Zion aufbaut. Mit noch mehr Nachdruck beziehen sich Sacharjas und Haggais Worte an Serubbabel auf Christus Jesus: „Dies ist das Wort Jehovas an Serubbabel: Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht Jehova der Heerscharen. Wer bist du, grosser Berg, vor Serubbabel? zur Ebene sollst du werden!“ „Rede zu Serubbabel, dem Landpfleger von Juda, und sprich: Ich werde den Himmel und die Erde erschüttern. Und ich werde den Thron der Königreiche umstürzen und die Macht der Königreiche der Nationen vernichten; und ich werde die Streitwagen umstürzen und die darauf fahren; und die Rosse und ihre Reiter sollen hinfallen, ein jeder durch das Schwert des anderen. An jenem Tage, spricht Jehova der Heerscharen, werde ich dich nehmen, Serubbabel, Sohn Schealtiels, meinen Knecht, spricht Jehova, und werde dich wie einen Siegelring machen; denn ich habe dich erwählt, spricht Jehova der Heerscharen.“ — Sach. 4:6, 7; Hag. 2:20-23.