Fünfzig Jahre im „Weinberg“ — ein Lebensweg
Von Clifford Keoghan erzählt
IN DEM Saal, den wir an jenem Winterabend im Jahre 1929 betraten, war es kalt. Der blanke Fußboden und die harten Holzstühle zeugten nicht von Bequemlichkeit, sondern von häufiger Benutzung. Wir besuchten damals Mitte der Woche eine Zusammenkunft der Wachtturm-Leute oder der Internationalen Bibelforscher, wie man sie nannte. Dies sollte ein Wendepunkt in unserem Leben sein. Edna und ich beabsichtigten, im Frühjahr zu heiraten und uns in Auckland niederzulassen. Ich hatte eine Arbeitsstelle, und wir hatten uns auch ein Haus gesucht und einige Möbel gekauft.
Kurze Zeit zuvor hatten wir uns taufen lassen, um unsere Weihung (Hingabe) zu symbolisieren. Jetzt saßen wir da und hielten das Bulletin (heute Unser Königreichsdienst), ein monatliches Mitteilungsblatt, in der Hand, in dem fettgedruckt die nachdenklich stimmenden Worte standen, die unser ganzes Leben ändern sollten: „GEHET AUCH IHR HIN IN DEN WEINBERG.“ Wir beteiligten uns bereits am Predigtwerk, doch hier ging es um etwas Besonderes. Ja, wir waren einverstanden. Wir wollten in den „Weinberg“ gehen.
Wie war es gekommen, daß wir an jenem Abend dort anwesend waren? Ich wuchs auf den Goldfeldern von Thames Valley (Neuseeland) auf. Meine gottesfürchtigen Eltern schickten mich in die Sonntagsschule der anglikanischen Kirche. Aus der Bibel erfuhren wir nicht sehr viel, aber der sportbegeisterte Vikar brachte uns bei, wie man sich beim Rugby richtig verhält. Ich glaubte an Gott, doch meine Vorstellung war aufgrund der Dreieinigkeitslehre etwas verschwommen.
Später wurde ich durch meine Arbeit immer wieder mit der Unerbittlichkeit des Todes konfrontiert. Ich war Kutscher eines Leichenwagens, der den drei Beerdigungsinstituten in der Stadt zur Verfügung stand, und sah oft junge Frauen und ihre Kinder, die durch einen tödlichen Grubenunfall ihres Ernährers beraubt worden waren und in ihrer Verzweiflung wenig Trost in ihrer Religion fanden. Ich wollte wissen, was es mit dem Tod auf sich hat, und begann nach einer Antwort zu suchen. Die Antworten des Vikars befriedigten mich nicht. Ich las viel — christliche und nichtchristliche Werke —, fand aber keine Lösung für die Probleme des Lebens.
Ende 1927 zog ich aus Tauranga, dem Wohnort Ednas, meiner Verlobten, weg, um mich in meinem Beruf als Metzger zu verbessern. Vor meiner Abreise unterhielten wir uns lange über die Bibel, und wir erkannten, daß keiner von uns allzuviel darüber wußte. Nachdem ich weg war, dachte Edna, sie hätte eine gute Gelegenheit, ihr Wissen etwas zu vermehren, und bat ihre Mutter um eine Bibel. Sie erhielt statt dessen ein Buch mit dem Hinweis, es sei eine gute Hilfe. Dieses Buch sandte sie mir. Übrigens brannte ihre Wohnung an dem Tag, als sie es absandte, völlig aus. Doch ich hatte mein Buch — das Buch Die Harfe Gottes. Schließlich fand ich auch die Antworten, die ich gesucht hatte. Und jetzt saßen wir also in der Zusammenkunft mit einer Einladung in der Hand, entschlossen, sie anzunehmen und durch die offenen „Tore“ in den Dienst im „Weinberg“ zu ziehen (Jes. 62:10).
IN DEN „WEINBERG“
Nach unserer Heirat bewarben wir uns beim Büro der Watch Tower Society in Strathfield (Australien) um Gebiet. Es wurde uns ein 644 Kilometer langer Streifen an der Ostküste der Nordinsel Neuseelands zugeteilt, eine Gegend mit hohen Bergen und Küstenebenen, großen Schafstationen, größeren und kleineren Maorisiedlungen und drei Provinzstädten. Es gab zwei kleinere Versammlungen, die in Privatwohnungen zusammenkamen; zwei Schwestern wohnten in einem abgelegenen Gebiet. „Die Ernte“ war wirklich „groß“, und „der Arbeiter“ waren „wenige“ (Matth. 9:37). Alles, was wir in unserem Buick, Baujahr 1920, auf die Reise mitnahmen, waren ein Kattunzelt (2,4 mal 1,8 Meter), mehrere Kartons mit Büchern, einige Habseligkeiten und wenig Geld. Dafür hatten wir aber einen großen Glauben, und dieser sollte sich als unser wertvollstes Gut erweisen.
Der Sommer des Jahres 1930 war lang, heiß und trocken. Das Gras verdorrte. Rinder und Schafe magerten ab, nachdem die Dürre auf einst fruchtbare Täler übergegriffen hatte. Flüsse wurden zu Rinnsalen. Wir führten auf den Trittbrettern unseres Buick zwei 20-Liter-Kanister Wasser mit, die wir immer wieder auffüllten, wo es möglich war. Wachte Jehova über uns? Wir waren an einen kleinen Wasserlauf gekommen und beschlossen, hier über das Wochenende zu zelten, unsere Wäsche zu waschen und unseren Wasservorrat aufzufüllen. Ich schlug das Zelt auf und wollte einen Behälter ausgießen, um aus dem Fluß frisches Wasser zu schöpfen, doch aus irgendeinem Grund stellte ich den Behälter beiseite und tat etwas anderes. Zehn Minuten später erschien ein Maori-Hirte an unserem Lagerplatz. Er hatte uns vom Berg aus beobachtet und war heruntergeritten, um uns zu sagen, daß wir kein Wasser aus dem Fluß trinken sollten, da es stark verschmutzt sei. Ich blickte auf den Wasserkanister, den ich noch nicht ausgeleert hatte, und sagte: „Ich danke dir, Jehova!“
Auf unserer Fahrt nach Norden in Richtung Ostkap gaben wir viel Literatur bei den Maori und den Besitzern der Stationen ab. Unser Zelt schlugen wir dort auf, wo wir uns gerade bei Sonnenuntergang befanden. Wir kochten und aßen im Zelt und schliefen im Wagen. Sowohl die Maori als auch die Pakeha (Weißen) waren freundlich zu uns. Die große Wirtschaftskrise hatte sich in dieser Gegend noch nicht ausgewirkt. Eine Erfahrung lehrte mich, beim Verkündigen der Wahrheit niemanden auszulassen. Es war ein heißer Tag, und ich war müde. Das Haus stand nahe an der Straße, doch es war niemand zu sehen. Allerdings hörte ich, daß jenseits eines Wasserlaufes auf einem entfernten Hügel Holz gesägt wurde. Ich dachte an die Bequemlichkeit und den Schatten im Wagen und ging wieder zurück. Ich hatte schon fast den Wagen erreicht, als mir der Gedanke in den Sinn schoß: Warum tue ich das? Ich war meilenweit gefahren, um mit Menschen über das Königreich Gottes zu sprechen, und nun lief ich wie Jona in die entgegengesetzte Richtung davon. Ich kehrte um, stampfte durch den Morast und gelangte zu der Stelle, wo ein Mann arbeitete. Er hörte interessiert zu und nahm sämtliche Schriften, die ich in meiner Tasche hatte: 15 Bücher und 17 Broschüren!
EINE NACHT, DIE WIR NICHT VERGESSEN
An der Spitze des Kaps verbrachten wir eine Nacht, die wir nie vergessen werden. Wir fuhren am Ufer entlang und schauten nach einem geeigneten Zeltplatz aus. Auf einer Rasenfläche etwas außerhalb einer Kleinstadt der Maori ließen wir uns nieder. Am gegenüberliegenden Ende befand sich ein größerer Hügel, auf dem Steine verstreut lagen. Das ganze Gebiet war ein ausgetrocknetes, steiniges Flußbett. Deshalb fiel es mir schwer, die Zeltpflöcke einzuschlagen. Hinter den Hügeln war bereits ein herrlicher Vollmond aufgegangen, als wir zu Abend aßen — gekochte Kartoffeln und kumera (eine Süßwurzel), die wir am Tag gegen einige Bücher eingetauscht hatten. Bald fand sich ein Besucher ein, ein Weißer, der auf dem Hügel wohnte. Er zeigte sich aufrichtig um unsere Sicherheit besorgt und fragte sogar, ob wir etwas hätten, um uns zu verteidigen. Nach seiner Überzeugung würden wir in jener Nacht nicht schlafen können, wenn wir dort blieben. Wir könnten irgendwo auf seinem Grundstück zelten. Nein, was wir täten, sei nicht ungesetzlich; es handle sich um gewöhnliches Land, doch es sei nicht weise, dort zu bleiben. Wir wollten zwar nicht verwegen sein, doch entschlossen wir uns zu bleiben. Bevor der wohlwollende Mann wegging, sagte er, er werde in seinem Haus ein Licht brennen lassen, und wir könnten hinaufkommen, falls wir es uns anders überlegten.
Wir fragten uns, was das solle. Die neueste Ausgabe des Wacht-Turms enthielt das Thema „Engel in Zion“. Wir setzten uns auf den Boden unseres Zeltes und lasen bei Kerzenlicht, wie ‘der Engel des HERRN sich um die her lagert, die ihn fürchten’. Die Nacht verging, der Mond wich der Morgensonne, und alles war in Ordnung. Am Tag erkundigten wir uns und erfuhren, daß wir auf einem alten Schlachtfeld der Maori gezeltet hatten. An der Stelle, an der wir unser Zelt aufgeschlagen hatten, hatte sich einst ein schreckliches Massaker abgespielt, und die Einheimischen glaubten, daß bei Vollmond die Geister der toten Krieger zurückkehren und erneut kämpfen würden. Unser Freund vom Vorabend hatte schon so lange unter den Maori gelebt, daß er diesen ihren Glauben teilte. Für ihn war es unverständlich, wie wir die Nacht überleben konnten (Ps. 34:7, Luther).
DURCH ERDBEBEN GEFÄHRDET
Der Sommer ging vorbei, es wurde Herbst, und wir fuhren die Küste entlang und kamen nach Gisborne, einer Provinzstadt, in der es eine kleine Versammlung gab. Inzwischen machte sich die Wirtschaftskrise bemerkbar. Die Brüder hatten wenig, doch das, was sie hatten, teilten sie freudig. Im Juni des darauffolgenden Jahres kam für uns die Zeit, in dem uns zugeteilten Gebiet weiterzuziehen. Einige Monate zuvor hatte ein schweres Erdbeben einen großen Teil der Gegend verwüstet. Die Städte Napier und Hastings waren praktisch zerstört. Schriften gaben wir jetzt nicht besonders viel ab. Das Geld war rar. Deshalb tauschten wir Bücher gegen Nahrungsmittel, und wenn wir Bargeld hatten, kauften wir Benzin. Es gab ständig Erdbeben, acht oder neun an einem Tag. Nachts konnten wir hören, wie die Erschütterungen über die Felder näher kamen. Es rumpelte, als ob ein schwerer Lastwagen vorbeifahren würde.
Am unheimlichsten war mir zumute, glaube ich, als ich bei einem heftigen Stoß im Wagen saß. Das Fahrzeug setzte sich in Bewegung. Unwillkürlich trat ich auf die Bremse, doch selbstverständlich umsonst; denn der Wagen bewegte sich einfach mit der Erde. Als wir daher eine Nacht in der Nähe des Mohaka River zelteten, wo während eines großen Bebens mehrere Morgen gutes Weideland in den Fluß gerutscht und auf das Meer hinausgetragen worden waren, banden wir den Wagen, bevor wir uns darin schlafen legten, an einen großen Baum. In jener Nacht ereignete sich ein ziemliches Beben, doch wir waren in Sicherheit.
BEDEUTSAME ERFAHRUNGEN
In Napier hatten wir die freundliche Unterstützung der Familie Tareha, einer großen Maorifamilie, deren Glieder alle in der Wahrheit waren. Sie stellte uns ein kleines Haus zur Verfügung, von wo aus wir das Gebiet bearbeiteten. In unserem Dienst von Tür zu Tür machten wir viele schöne und ermutigende Erfahrungen. In die Zeit unseres dortigen Aufenthalts fielen zwei wichtige Ereignisse. An einem Sonntagnachmittag im Oktober 1931 kamen wir mit Familie Tareha zusammen, um dem neuen Namen, „Jehovas Zeugen“, zuzustimmen, der zuvor auf dem Kongreß in Columbus (Ohio, USA) in einer Resolution angenommen worden war. Wir waren begeistert, nun einen bestimmten Namen zu haben. Als ich am darauffolgenden Vormittag voll Eifer an eine Tür klopfte, sagte ich stolz: „Guten Morgen! Ich bin ein Zeuge Jehovas.“ Die Reaktion? Ein erstauntes Gesicht und die Frage: „Wer ist das? Ich habe noch nie von ihnen gehört.“ Heute ist es indes ganz anders. Oft hören wir: „Sind Sie schon wieder da? Warum kommen Sie denn so oft?“
Die nächste wichtige Aufgabe bestand darin, die Broschüre Das Königreich — die Hoffnung der Welt an alle Geistlichen, Politiker und Industriellen zu verteilen. Die Anweisung lautete: Laßt sie bei den Leuten zurück, ganz gleich, ob sie sie annehmen wollen oder nicht. In Napier und Hastings gab es viele Priester. Sie alle zu besuchen bereitete mir ein besonderes Vergnügen. Einige verhielten sich tolerant, andere gerieten in Zorn. In zwei Fällen wurden wütende Priester handgreiflich. Einer von ihnen, ein Hüne von Mann, packte mich zorngerötet am Kragen, zerrte mich einige Meter bis zur Treppe und warf mich hinunter und die Broschüre hinterher. Ich rappelte mich auf, hob die Broschüre auf, ging zurück, legte sie vor seine Füße und sagte: „Treten Sie das Königreich Gottes nicht mit Füßen!“ Es verschlug ihm fast die Sprache. Er wurde auf alle Fälle gewarnt.
WÄHREND DER WELTWIRTSCHAFTSKRISE
Als die Zeit für die Geburt unseres ersten Kindes näher rückte, fuhren wir nach Norden zu meinen Eltern, die in Waihi wohnten. Dort gab es eine kleine Versammlung, die in der Wohnung von Fred Franks in Waikino zusammenkam. Die Halbinsel Coromandel gehörte zum Gebiet Waikino, wurde aber nicht bearbeitet. Fred fragte mich, ob ich sie bearbeiten wolle. Sehr gern! Mit zwei neuen Reifen, die die Versammlung freundlicherweise gespendet hatte, war ich bereit, es mit den holperigen Straßen der felsigen Halbinsel aufzunehmen. Ich ließ Edna in Waihi zurück und nahm im Wagen ein Zelt mit sowie ein Fahrrad, um an Orte gelangen zu können, die mit dem Wagen nicht zu erreichen waren, zum Beispiel Hütten im Busch und abgelegene Bauernhöfe an der Küste. Da die Bauern gewöhnlich um 5 Uhr früh zu melken anfingen, besuchte ich sie um 6 Uhr im Stall und gab einmal bis 8 Uhr bereits 26 Bücher ab. In der kleinen Stadt Coromandel hatte ich an einem Vormittag bis 11 Uhr einen ganzen Karton Bücher verbreitet. Während der ganzen Zeit streikte der nun zwölf Jahre alte Wagen kein einziges Mal, außer daß wir ihn einmal beinahe verloren hätten, als wir einen Fluß, der den Gezeiten unterworfen war, bei Flut überqueren wollten.
Nun machte sich die Weltwirtschaftskrise auch bei uns bemerkbar. Im Frühjahr des Jahres 1932 unternahmen wir — Edna, unser neun Monate alter Sohn David und ich — zusammen mit der Familie von Arthur Rowe und mit Mary Willis eine längere Reise nach Wellington, um einen Kongreß zu besuchen. Auf dem Kongreß wurden zwei Pioniergruppen organisiert, die eine für die Nordinsel von Neuseeland und die andere für die Südinsel. Unsere Gruppe, die Gruppe für die Nordinsel, sollte von Palmerston North aus tätig sein, wo uns ein Bruder eine schöne Wohnung zur Verfügung stellte. Wir wurden zu einer eng verbundenen Gruppe von acht Pionieren, die sowohl Stadt- als auch Landgebiet bearbeiteten. Daher nahmen wir die Anweisungen vom australischen Büro der Watch Tower Society, als Gruppe nach Auckland zu gehen, mit gemischten Gefühlen auf. Dort waren Schwierigkeiten mit den „Wahlältesten“ entstanden, was zu Spaltungen in der Versammlung geführt hatte. Wir sollten ein Pionierheim einrichten und mit den Brüdern, die loyal zu Gottes Organisation hielten, zusammenarbeiten und sie stärken.
JEHOVA SORGT FÜR UNS
Wie sollten wir aber unsere Habseligkeiten nach Auckland schaffen — 600 Kilometer weit? Allein schon das Benzingeld für die beiden Fahrzeuge stellte ein Problem dar, da wir sehr knapp bei Kasse waren. Wir trennten uns von allem, was wir nicht unbedingt brauchten. So hatten wir genügend Bargeld für die Bahnfracht und konnten Benzin für ungefähr ein Drittel des Weges kaufen. Wir waren zuversichtlich, daß wir in Auckland ankämen, wenn es Jehovas Wille wäre. Wir planten einen Zwischenaufenthalt in Wanganui ein, einer Stadt, die groß genug war, daß wir dort predigen konnten und hoffen durften, Literatur abzugeben, um Geld für Benzin zu haben. Unsere Post ließen wir uns nach Wanganui nachsenden. Als ich sie abholte, war ein Umschlag dabei, der nur ein Stück Pappe enthielt, die in Papier eingeschlagen war. Aber dazwischen befand sich eine 5-Pfund-Note. Fünf Pfund! Während der Wirtschaftskrise war das viel Geld (damals ein Gegenwert von 25 Dollar). Uns kamen die Tränen. Wir hatten wirklich ‘geschmeckt und gesehen, daß Jehova gut ist’, ja sehr gut (Ps. 34:8). Wie glücklich wir waren, zu ihm Zuflucht genommen zu haben! So kamen wir mit vollen Benzintanks nach Auckland.
Wir mieteten uns ein großes Haus und richteten uns darin ein. Wir konzentrierten uns darauf, den treuen Brüdern zu helfen, und bald war in der Versammlung wieder Ruhe eingekehrt. Einige, die sich zuerst nach den wenigen untreuen Wahlältesten gerichtet hatten und die zwar aufrichtig, doch verwirrt waren, gesellten sich wieder zu den Treuen.
Damals arbeiteten wir besonders mit dem Lautsprecherwagen. Auf dem Dach des Wagens war ein Lautsprecher montiert und auf dem Rücksitz ein Plattenspieler, auf dem wir Bruder Rutherfords Kurzvorträge abspielten. Viele brachten ihre Wertschätzung für diese Vorträge zum Ausdruck. In einigen katholischen Gegenden kam es zu Menschenansammlungen, und die Leute brachten ihr Mißfallen dadurch zum Ausdruck, daß sie versuchten, den Lautsprecher vom Dach zu reißen, aber er war festgeschraubt. Dann versuchten sie meistens, die Wagentüren aufzureißen. Da ihnen das nicht gelang, schaukelten sie den Wagen hin und her. Wir waren daran gewöhnt, daß immer etwas los war.
SCHWIERIGKEITEN WÄHREND DES KRIEGES
Kurz nach dem Ende der Wirtschaftskrise wurde das Pionierheim aufgelöst. Edna und ich zogen nach Morrinsville, wo es noch keine Verkündiger gab und wo ich als Metzger arbeiten konnte. Im Laufe der Zeit entstand eine Versammlung von 12 Verkündigern. Dann kam der Zweite Weltkrieg mit seinen Schwierigkeiten. Es gab überhaupt kein Benzin mehr für unsere Wagen. Das bedeutete: Zurück zum Fahrrad! Sonntags fuhren wir öfter bis zu 60 Kilometer mit dem Rad, um die Brüder zu besuchen und ein Wachtturm-Studium bei ihnen durchzuführen.
Der Krieg brachte außerdem das Verbot unseres Werkes und unserer Organisation mit sich. Anfangs waren auch die Zusammenkünfte untersagt. Selbst wenn sich zwei Zeugen auf der Straße trafen und ihre Tätigkeit von Haus zu Haus besprachen, galt das als eine illegale Versammlung. Die Beschränkungen wurden später aber gelockert.
WEITERE VORRECHTE
Das Jahr 1945 brachte eine weitere Veränderung mit sich. Diesmal gingen wir zurück nach Tauranga, wo es nur eine Zeugin gab. Bei ihr wohnten wir so lange, bis ich eine Wohnung mieten konnte. Wir hatten nun für einen Sohn und für eine Tochter zu sorgen. Ich nahm daher eine Stelle in einem Metzgerladen am Ort an. Weitere Brüder zogen mit ihren Angehörigen zu, und bald waren wir eine kleine Versammlung, die fortgesetzt wuchs. Heute gibt es in diesem Gebiet drei Versammlungen, von denen jede einen schönen Königreichssaal hat.
Im Jahre 1952 kehrte unsere Familie nach Auckland zurück. Ich wurde zum Stadtaufseher ernannt und erfreute mich vieler Vorrechte. Nach dem Besuch von Bruder Knorr und Bruder Adams im Jahre 1956 erhielt ich die Aufgabe, den Kauf eines Grundstücks an der New North Road abzuschließen, wo die Gesellschaft ein schönes neues Gebäude errichtete, so daß das Zweigbüro der Watch Tower Society von Wellington nach Auckland verlegt werden konnte.
RÜCKBLICK
So sind aus den Tagen im „Weinberg“ Jahre geworden, aus den Jahren Jahrzehnte, in denen wir hier und dort mitarbeiten und helfen durften, wobei wir keine Zusammenkunft und keinen Kongreß versäumten und viele größere und kleinere Segnungen genossen haben. Die Liebe und die Achtung der Brüder ist stets eine Ermunterung gewesen, die wir sehr schätzten.
Auch unsere Kinder haben sich für uns als ein Segen erwiesen. Beide waren wie auch einige ihrer Kinder eine Zeitlang Pionier. Mein Sohn und mein Schwiegersohn sind Älteste in Versammlungen in Auckland, und mein ältester Enkel ist Dienstamtgehilfe. Jetzt habe ich einen Urenkel. Vielleicht erlebe ich noch, wenn es Jehovas Wille ist, daß auch er Gottes Namen preist. Was könnte man sich noch mehr wünschen? Ein enges Verhältnis zu Jehova und zu Christus Jesus zu haben ist ein Schatz, den einem kein Mensch rauben kann.
Die Jahre haben mich gelehrt, nicht ‘den Tag kleiner Dinge zu verachten’ (Sach. 4:10). Wenn ich an die Zusammenkünfte zurückdenke, die wir in den bescheidenen Wohnungen der Brüder abhielten, und heute die mit weichen Teppichen ausgelegten Königreichssäle sehe, deren immer mehr werden, so meine ich, daß sich die Prophezeiung aus Jesaja 60:17 wirklich an uns erfüllt hat. Aus den „Steinen“ ist „Eisen“ geworden, aus dem „Eisen“ „Silber“ und aus dem „Kupfer“ „Gold“. Der „Frieden“ ist tatsächlich ‘zu unserem Aufseher eingesetzt’ worden. Wir denken auch an die vielen guten Kameraden, Brüder und Schwestern, mit denen wir während der Jahre zusammen waren. Viele sind nicht mehr unter uns. Einige haben neue und größere Aufgaben übernommen; andere haben wir mit einem traurigen „Gute Nacht“ ins Grab gelegt, wo sie ruhen, bis wir sie an einem helleren Tag mit einem „Guten Morgen“ auf einer paradiesischen Erde willkommen heißen können.
Wir wissen, daß die Arbeit im „Weinberg“ noch nicht abgeschlossen ist. Sie ist ein begehrenswerter Lebensweg. Wie könnte man die Jahre, die uns Jehova schenkt, besser verbringen?
Wenn ich in die Vergangenheit blicke, tritt für mich eines besonders deutlich hervor: die Fürsorge Jehovas und seines Sohnes Jesus Christus allen gegenüber, die das Joch Jesu aufnehmen und ihm nachfolgen. Sie wird in Psalm 37:25 mit den Worten beschrieben: „Ein Jüngling bin ich gewesen, ich bin auch alt geworden, und doch habe ich keinen Gerechten gänzlich verlassen gesehen noch seine Nachkommen nach Brot suchen.“
[Karte/Bild von Edna und Clifford Keoghan auf Seite 12]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
„Gehet auch ihr hin in den Weinberg“
NEUSEELAND
NORDINSEL
Auckland
Thames
Waihi
Morrinsville
Tauranga
Opotiki
Gisborne
Napier
Hastings
Wanganui
Dannevirke
Palmerston North
Wellington