Das Millennium für die Menschheit unter Gottes Königreich — Warum buchstäblich aufzufassen?
1. Worauf wird das Wort „Millennium“ angewandt, und welche Frage erhebt sich in diesem Zusammenhang?
MILLENNIUM bedeutet einen Zeitraum von tausend Jahren. Dieses lange Wort setzt sich aus zwei lateinischen Wörtern zusammen, die wir in der lateinischen Übersetzung des letzten Buches der Bibel, in Offenbarung 20:2-7, finden, nämlich mille und anni, was „tausend Jahre“ bedeutet. Diesen Bibelversen gemäß soll Jesus Christus tausend Jahre über die Menschheit herrschen. Wegen seiner Ähnlichkeit mit Adam, dem ersten Menschen auf der Erde, wird er der „letzte Adam“ genannt. Der „erste Mensch Adam“ sündigte jedoch gegen Gott und lebte keine tausend Jahre, sondern nur 930 Jahre. (1. Mose 5:1-5; 1. Kor. 15:45-49) Da die Offenbarung ein prophetisches Buch und größtenteils in symbolischer Sprache geschrieben ist, ist schon viel über die Frage diskutiert worden, ob die tausend Jahre, in denen Christus als König herrscht, buchstäblich oder übertragen, das heißt sinnbildlich, aufzufassen seien.
2. Was wird in Offenbarung 20:4-6 über das Millennium gesagt?
2 Um auf diese wichtige Frage die Antwort zu erhalten, wollen wir zunächst einmal die prophetischen Verse, Offenbarung 20:4-6, lesen, in denen von der Herrschaft Christi die Rede ist. Sie lauten nach der katholischen Übersetzung von Prof. Dr. Josef Kürzinger wie folgt: „Und ich sah Throne, und sie setzten sich darauf, und das Gericht wurde ihnen übergeben, und ich sah die Seelen derer, die hingerichtet worden waren wegen des Zeugnisses für Jesus und wegen des Wortes Gottes, die weder das Tier und sein Bild angebetet, noch dessen Malzeichen auf ihre Stirne und ihre Hand angenommen hatten. Sie wurden lebendig und traten die Herrschaft an mit Christus für tausend Jahre. Die übrigen Toten wurden nicht lebendig bis zur Vollendung der tausend Jahre. Dies ist die erste Auferstehung. Selig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung. Über sie hat der zweite Tod keine Gewalt, sondern Priester Gottes und Christi werden sie sein und mit ihm herrschen tausend Jahre.“
3, 4. (a) Warum wird die Frage aufgeworfen, ob der Zeitabschnitt von „tausend Jahren“ symbolisch aufzufassen sei oder nicht? (b) Was dachte Johannes, wie lange das Millennium dauern würde, und welcher frühchristliche Schreiber gibt uns darüber Aufschluß?
3 Das in diesen Versen erwähnte „Tier“ und „sein Bild“ sind Symbole, die etwas anderes darstellen. Sind deshalb auch die „tausend Jahre“ symbolisch aufzufassen? Ist damit ein längerer Zeitabschnitt als nur tausend Jahre gemeint? Nun, was verstand der Schreiber, der christliche Apostel Johannes, darunter? Von ihm selbst liegt keine Erklärung vor. Über Pa’pias, der im zweiten Jahrhundert lebte und einige Gefährten des Apostels Johannes kannte, heißt es jedoch im elften Band der Catholic Encyclopedia (Ausgabe 1911) auf Seite 308, unter der Überschrift „Millennium“ folgendes:
4 „Papias von Hierapolis, ein Jünger des heiligen Johannes, war ein Verfechter des Millenarismus [Chiliasmus]. Er behauptete, seine Lehre von Zeitgenossen der Apostel übernommen zu haben. Irenäus berichtet, andere ‚Presbyter‘, die den Jünger Johannes sahen und hörten, hätten von ihm gelernt, daß die Lehre des Herrn den Glauben an das Tausendjährige Reich einschließe. Eusebius schreibt (Historia Ecclesiastica, III, 39), Papias verfechte in seinem Werk die Ansicht, daß sich der Auferstehung der Toten tausend Jahre einer sichtbaren, glorreichen Herrschaft Christi auf der Erde anschließen würden ...“a
5, 6. (a) Was erwarteten Pa’pias und andere christliche Älteste aufgrund der Vision des Apostels Johannes? (b) Vor welchem „Tag“ beginnt die Tausendjahrherrschaft Christi nicht?
5 Der Apostel Johannes, der die prophetische Vision über die Tausendjahrherrschaft Jesu Christi und dessen Versammlung der 144 000 erlösten Nachfolger empfing, betrachtete diese Vision als eine Darlegung der Wahrheit. Er glaubte, daß das Millennium ein Zeitabschnitt von buchstäblich tausend Jahren ist. Das bestätigt das Zeugnis des Märtyrers Pa’pias und anderer christlicher Ältester, „‚Presbyter‘, die den Jünger Johannes sahen und hörten“. Sie erwarteten, daß die 144 000 Glieder der erlösten Versammlung Christi auferstehen würden, um lebendig zu werden und während seiner Tausendjahrherrschaft zu herrschen und als Priester zu dienen.
6 Sie erwarteten, daß dies an dem bevorstehenden „letzten Tag“ geschehen werde, da ja der Apostel Johannes folgende, diesen Gedanken bestätigenden Worte Jesu niedergeschrieben hatte: „Wenn ihr nicht das Fleisch des Sohnes des Menschen eßt und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst. Wer sich von meinem Fleisch nährt und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn am letzten Tage auferstehen lassen.“ (Joh. 6:53, 54) Martha, die Schwester des Lazarus, eines lieben Freundes Jesu, sagte zu Jesus: „Ich weiß, daß er auferstehen wird, in der Auferstehung am letzten Tage.“ (Joh. 11:24) Die Tausendjahrherrschaft Christi sollte demnach nicht vor diesem „letzten Tag“ beginnen.
ZEIT SEINER HERRSCHAFT
7. (a) Wie bewies Jesus, daß er bereit war, zu warten, bis die von Gott bestimmte Zeit für seine Herrschaft käme? (b) Welche Frage erhob sich im Hinblick auf seine Nachfolger, und wie dachte Paulus hierüber?
7 Jesus Christus war bereit, die von Gott bestimmte Zeit, da er als König für tausend Jahre herrschen sollte, abzuwarten. Als ihn Satan, der Teufel, in der Wildnis verführen wollte, indem er ihm alle Königreiche der Welt anbot, weigerte sich Jesus Christus, vor ihm niederzufallen und einen Akt der Anbetung vor ihm zu verrichten, um diese irdischen Königreiche zu empfangen. (Luk. 4:1-8; Matth. 4:8-11) Würden aber auch Jesu Nachfolger bereit sein, die von Gott bestimmte Zeit, da sie mit seinem Sohn Jesus Christus herrschen sollten, abzuwarten, und würden sie der Verfolgung und den Leiden, die bis dahin über sie kämen, standhalten? Der Apostel Paulus schrieb als Gefangener an einen Mitchristen: „Ich [werde] weiterhin alle Dinge um der Auserwählten willen erdulden, damit auch sie die Rettung erlangen mögen, die in Gemeinschaft mit Christus Jesus samt ewiger Herrlichkeit zu finden ist. Zuverlässig ist das Wort: Gewiß, wenn wir mitgestorben sind, werden wir auch mitleben; wenn wir weiterhin ausharren, werden wir auch als Könige mitherrschen.“ (2. Tim. 2:10-12) Ja, Paulus war bereit zu warten; einigen ehrgeizigen Christen in Korinth schrieb er jedoch:
8. Was schrieb Paulus über das Warten gewissen ehrgeizigen Christen in Korinth?
8 „Seid ihr etwa schon gesättigt? Seid ihr etwa schon reich? Habt ihr etwa ohne uns als Könige zu herrschen begonnen? Und ich wünsche in der Tat, ihr hättet als Könige zu herrschen begonnen, damit auch wir mit euch als Könige herrschen könnten. Denn mir scheint, daß Gott uns, die Apostel, zuletzt zur Schau gestellt hat als zum Tode bestimmte Menschen, denn wir sind der Welt ein Schauspiel geworden.“ — 1. Kor. 4:8, 9.
9. Durch welche Worte zeigte Paulus, ob er vor seinem Tode herrschte?
9 Der Apostel Paulus herrschte vor seinem Tode nicht als König auf der Erde, sondern er schrieb vom Gefängnis aus: „Ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt. Fortan ist mir die Krone der Gerechtigkeit aufbehalten, die mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tage als Lohn geben wird, doch nicht nur mir, sondern auch allen denen, die sein Kundwerden geliebt haben.“ — 2. Tim. 4:7, 8.
10. (a) Welche Worte des Apostels Johannes zeigen, ob er vor seinem Tode herrschte? (b) Welche Frage erhebt sich deshalb in Verbindung mit gewissen religiösen Führern der Christenheit?
10 Auch der Apostel Johannes, der das bevorstehende Kundwerden des Herrn Jesus Christus ebenfalls liebte, starb nicht als ein herrschender irdischer König. Kurz vor dem Ende seines langen irdischen Lebens schrieb er: „Liebt nicht die Welt, noch die Dinge in der Welt. Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm; denn alles in der Welt — die Begierde des Fleisches und die Begierde der Augen und die auffällige Schaustellung der Mittel, die jemand zum Leben hat — stammt nicht vom Vater, sondern stammt von der Welt.“ (1. Joh. 2:15-17) Wieso gibt es denn in der Christenheit seit Jahrhunderten Päpste und Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe, die herrschen, die auf prunkvollen Thronen und Stühlen sitzen und sich mit den für Könige üblichen Insignien zur Schau stellen? Wie kommt das?
11. Was haben diese Männer offenbar gedacht, und welche Frage erhebt sich mit Bezug auf den römischen Papst?
11 Haben diese religiösen Amtsträger der Christenheit gedacht, die Tausendjahrherrschaft Christi habe bereits begonnen und sie hätten deshalb das Recht, mit ihm auf der Erde zu herrschen, obwohl er im Himmel ist? Hat der unsichtbare Christus jemals durch einen sichtbaren menschlichen Vertreter auf der Erde geherrscht, von dem der National Almanac sagt: „Seine Heiligkeit, der Papst, ist Bischof von Rom, Stellvertreter Jesu Christi, Nachfolger des heiligen Petrus, Apostelfürst ... Erzbischof und Primas der römischen Kirchenprovinz und Souverän der Vatikanstadt.“?
12. Wie lange herrschen diese religiösen Amtsträger der Christenheit schon, und haben sie die Worte nach Offenbarung 20:4-6 erfüllt?
12 Diese religiösen Amtsträger herrschen schon seit mehr als tausend buchstäblichen Jahren, nämlich schon seit den Tagen des römischen Kaisers Konstantin des Großen oder seit der Zeit kurz danach.b Papst Leo I. (440 bis 461 u. Z.) sagte: „Ich werde abermals auf dieser Erde eine Herrschaft ins Leben rufen, nicht indem ich die Cäsaren zurückbringe, sondern durch die Ausrufung einer neuen Theokratie, indem ich mich kraft der Verheißung, die an Petrus erging, dessen Nachfolger ich bin, selber zum Statthalter Christi mache ... Nicht ein Diadem, sondern eine Tiara werde ich tragen, ein Sinnbild universeller Souveränität, vor der das Barbarentum fliehen und die wieder glückliche Zustände herbeiführen wird.“c Doch keiner dieser angeblichen Stellvertreter Christi oder dieser Erzbischöfe oder Bischöfe saß tausend Jahre auf seinem Bischofsstuhl um so lange zu herrschen, wie Jesus Christus herrschen wird. Keiner von ihnen hat daher das erfüllt, was in Offenbarung 20:4-6 über das Herrschen mit Christus gesagt wird.
DER ZEIT VORAUSGEEILT
13—15. (a) Welche Fragen erheben sich daher im Hinblick auf den Wechsel in der Auffassung über Offenbarung 20:4-6? (b) Wieso helfen uns die Ausführungen der Catholic Encyclopedia über Augustinus, diese Fragen zu klären?
13 Wann, wie und warum trat denn dieser Wechsel in der Auffassung über Offenbarung 20:4-6 ein? Wann und warum begannen religiöse Führer das Millennium symbolisch zu erklären, es in die Zeit vor der Wiederkunft Christi zu verlegen und es als eine irdische Herrschaft aufzufassen, die im Fleische und von buchstäblichen Thronen aus ausgeübt werden sollte? Ein katholisches Nachschlagewerk (The Catholic Encyclopedia) hilft uns, diese Fragen zu klären. Unter der Überschrift „Millennium“ heißt es im zehnten Band dieses Werkes (Ausgabe 1911) auf Seite 309:
14 „Der heilige Augustinus gelangte schließlich zu der Überzeugung, daß es kein Millennium geben werde. Das Ringen zwischen Christus und seinen Heiligen einerseits und der bösen Welt und Satan andererseits geht in der Kirche auf der Erde vor sich. So beschreibt es der große Kirchenvater in seinem Werk De Civitate Dei [Der Gottesstaat]. In diesem Werk erklärt er das zwanzigste Kapitel der Apokalypse in symbolischem Sinne. Die erste Auferstehung, von der in diesem Kapitel die Rede ist, soll sich demnach auf die geistige Wiedergeburt bei der Taufe beziehen; der Tausendjahrsabbat, der sich den sechstausend Jahren Geschichte anschließt, ist die Gesamtheit des ewigen Lebens; oder, mit anderen Worten, die Zahl Tausend soll Vollkommenheit ausdrücken, und der letzte Zeitraum von tausend Jahren muß sich auf das Ende der Welt beziehen; auf alle Fälle kann sich das in der Apokalypse erwähnte Reich Christi nur auf die Kirche beziehen.d ...“
15 „Diese Erklärung des berühmten Kirchenvaters wurde von späteren westlichen Theologen übernommen, und der frühere Millenarismus [Chiliasmus] fand keine Unterstützung mehr ... Darüber hinaus war in der Einstellung der Kirche zur weltlichen Obrigkeit ein Wechsel eingetreten, durch den eine engere Verbindung zwischen ihr und dem Römischen Reich entstand. Dieser Wandel trug ohne Zweifel viel dazu bei, daß die Christen von dem ursprünglichen Millenarismus abkamen, der in der Zeit der Verfolgung ein Ausdruck ihrer Hoffnung auf die baldige Wiederkunft Christi und die Besiegung der Feinde seiner Auserwählten war ... Im Mittelalter fehlt jede Spur des Millenarismus; er war sowohl der damaligen Theologie als auch der religiösen Vorstellung des Volkes fremd ... Mit dem Protestantismus brach im sechzehnten Jahrhundert eine neue Epoche millenaristischer Lehren an.“
16. Wieso hielten schließlich die religiösen Führer eine künftige Tausendjahrherrschaft Christi nicht mehr für nötig, und wie rechtfertigten sie ihre Nichtbeachtung seines Beispiels?
16 Da haben wir es also! Was geschah denn, als die religiösen Führer des vierten Jahrhunderts vom Römischen Reich offiziell anerkannt wurden, kirchliche Machtstellungen übernahmen und ihre Religion dadurch mit dem Staat verbunden wurde? Die religiösen Führer sahen keine Notwendigkeit mehr für eine künftige buchstäbliche Tausendjahrherrschaft Jesu Christi mit seiner verherrlichten Versammlung im Himmel. Sie herrschten mit der Unterstützung des Römischen Reiches bereits in hohen kirchlichen Stellungen. Um ihre Nichtbeachtung des Beispiels Christi und ihre Annahme von Machtstellungen vor der Auferstehung der Toten, oder während sie noch im Fleische mit den Politikern zusammen auf der Erde waren, zu rechtfertigen, sagten sie, die Worte in Offenbarung 20:4-6 erfüllten sich an ihnen. Sie veranlaßten auch ihre Gläubigen, ihre Auffassung über die Tausendjahrherrschaft Christi für die Menschheit zu ändern. Das bestätigt die Cyclopædia von M’Clintock und Strong, ein religiöses Nachschlagewerk (Band 6, Seite 265, Spalte 2), durch folgende Ausführungen:
17. Wie bestätigt die Cyclopædia von M’Clintock und Strong das oben Gesagte?
17 „Ein triftiger Grund für diesen bemerkenswerten Wechsel in der Meinung ist in den anders gewordenen Zuständen und Aussichten der Kirche zu suchen. Die Christen hatten sich zuerst nach dem Wiedererscheinen des Herrn gesehnt. Ferner konnten sie ihren Glauben und ihre Hoffnungen unmöglich so hoch schrauben, daß sie die Eroberung des Römischen Reiches durch die moralische Kraft des Kreuzes unabhängig von dem persönlichen und übernatürlichen Eingriff Christi erwarteten. Als jedoch das Evangelium Fortschritte machte, gewann der Gedanke der Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit eines friedlichen Sieges der christlichen Sache über all ihre Widersacher, kraft der Wahrheit und des Geistes, in den Überzeugungen guter Menschen Raum. Man nimmt an, daß Origenes (geboren 180, gestorben 254) der erste Kirchenschriftsteller des Altertums war, der die Möglichkeit eines solchen Sieges des Evangeliums wegen der ihm innewohnenden Anziehungskraft als sicher annahm.“
18, 19. (a) In welcher Zeit zu leben glaubte die Kirche der Christenheit aufgrund ihrer Beziehungen zum Staat? (b) Welcher lateinische Kirchenvater förderte diesen Gedanken, und wodurch?
18 Da die Kirche der Christenheit nun den Schutz des Staates genoß, mit ihm in gutem Einvernehmen lebte und auch Macht und Einfluß auf ihn ausübte, ja sogar Waffengewalt anwandte, um die Heiden zu zwingen, sich zur Religion der Christenheit zu bekehren, behauptete man, das von dem Apostel Johannes vorhergesagte Millennium habe für die Kirche der Christenheit bereits begonnen. Die Abhandlung des Kirchenvaters Augustinus über das Millennium beeinflußte die allgemeine religiöse Auffassung nach dieser Richtung ganz bedeutend. In der oben angeführten Cyclopædia heißt es:
19 „Die Behandlung des Themas durch Augustinus kennzeichnet eine Epoche. Er sagt (De Civitate Dei, XX, 7), daß er einmal an einen Tausendjahrsabbat geglaubt habe; auch betrachtet er die Lehre nicht als verwerflich, vorausgesetzt, daß die Freuden der Gerechten als geistige Freuden betrachtet werden. Doch in seinen weiteren Ausführungen über dieses Thema befürwortet er den Lehrsatz, daß das irdische Königreich Christi die Kirche sei, die schon damals in die Tausendjahrzeit eingetreten und auf dem Weg zu einer glorreichen Erhebung über alle ihre Feinde gewesen sein soll. Diese abgeänderte Auslegung der Prophezeiung, die durch die Autorität des größten lateinischen Kirchenvaters [durch Augustinus] gestützt wurde, hat die mittelalterlichen Mutmaßungen über dieses Thema offenbar wesentlich beeinflußt.“ — Band 6 (Ausgabe 1890), Seite 265.
20. (a) In welcher Zeit soll sich ein buchstäbliches Millennium am römischen Papsttum erfüllt haben? (b) Als was betrachtete man die anschließenden Schwierigkeiten? Warum kann diese Ansicht aber nicht stimmen?
20 Aurelius Augustinus, der lateinische Kirchenvater, der diese Auslegung von Offenbarung 20:4-6 verbreitete, lebte von 354—430 u. Z. In Übereinstimmung mit seiner Ansicht, daß sich die Tausendjahrherrschaft Christi an der römisch-katholischen Kirche auf der Erde erfülle, dachte man später an die buchstäbliche Tausendjahrherrschaft der römisch-katholischen Päpste, die im Jahre 800 u. Z. begann, als Papst Leo III. Karl den Großen in Rom zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches krönte, und im Jahre 1799 u. Z. endete, als der von Napoleon Bonaparte bereits abgesetzte Papst Pius VI. am 20. Februar im Vatikan gefangengenommen und nach Valence (Frankreich) verschleppt wurde, wo er am 29. August 1799 starb.e Die Schwierigkeiten, die sich danach für die römisch-katholische Kirche einstellten, betrachtete man als ein Merkmal der „kurzen Zeit“, in der Satan, der Teufel, am Ende des Millenniums losgelassen werden sollte. (Offb. 20:1-3, 7, HSK) Seit dem Jahre 1799 sind aber nun bereits 168 Jahre vergangen. Das ist keine kurze Zeit, während der der Teufel losgelassen sein soll. Außerdem verschlechtert sich die Lage für das römische Papsttum zusehends. Ja, die Vernichtung Groß-Babylons, des Weltreiches der falschen Religion, dessen einflußreichster Bestandteil das Papsttum ist, steht jetzt kurz bevor.
DIE AUFFASSUNG VON EINEM SINNBILDLICHEN MILLENNIUM — EIN IRRTUM
21. Was beweist heute, daß Augustinus, der glaubte, die Kirche der Christenheit befinde sich auf dem Weg zu einer glorreichen Erhebung über ihre Feinde, im Irrtum war?
21 Daß Augustinus, der katholische „Heilige“, im Irrtum war, ist nun ohne weiteres zu erkennen. Die Kirche der Christenheit befand sich nie in einer „Tausendjahrzeit“, in der sie die politischen Königreiche ihrer Feinde zerschmettert hätte. Auch heute kann niemand mit Recht sagen, die Kirche der Christenheit befinde sich — nach den Worten des Augustinus — „auf dem Weg ... zu einer glorreichen Erhebung über alle ihre Feinde“. Die nichtchristliche Welt wächst im Verhältnis schneller als das Kirchensystem der Christenheit. Der atheistische Kommunismus breitet sich sogar in römisch-katholischen Gebieten aus. Die Auffassung des Augustinus, die in Offenbarung 20:4-6 erwähnte Tausendjahrherrschaft Christi sei sinnbildlich oder allegorisch zu deuten, hat sich somit eindeutig als Irrtum erwiesen. Die Menschheit hat unter dem Kirchensystem der Christenheit nie die verheißenen Millenniumssegnungen verspürt.
22, 23. (a) Was ist über die Hoffnungen dieser religiösen Führer auf einen friedlichen Sieg der christlichen Sache über deren Feinde zu sagen? (b) Welcher Einwand, der von dieser Seite gegen die Auffassung erhoben wird, Christus müsse vor der Tausendjahrherrschaft wiederkommen, ist nicht stichhaltig?
22 Was ist nun von den religiösen Führern zu sagen, die die Auffassung, daß das himmlische Königreich Christi buchstäblich tausend Jahre herrschen müsse, ablehnten? Ihre Hoffnungen auf ‘einen friedlichen Sieg der christlichen Sache über all ihre Widersacher, kraft der Wahrheit und des Geistes’, haben sich zerschlagen. Sie waren der Ansicht, die Welt könne durch die Missionare der Christenheit auf friedlichem Weg bekehrt werden und es sei nicht nötig, daß der verherrlichte Jesus Christus vom Himmel aus gewaltsam Schritte unternehme, um das Millennium herbeizuführen. Diese Ansicht hat sich als eine irrige Deutung der Bibel erwiesen. Der Einwand, den diese religiösen Führer gegen die Auffassung, Christus müsse vor seiner buchstäblichen Tausendjahrherrschaft als König wiederkommen, erhoben, ist offensichtlich nicht stichhaltig. Über diesen Einwand heißt es in der Cyclopædia von M’Clintock und Strong (Band 6, Seite 266):
23 „Die Tendenz des Millenarismus [Chiliasmus], diese Hoffnungen zu zerstören und die Tätigkeit der christlichen Missionare dadurch zu hemmen, daß die Welt als im Verfall begriffen und das Bemühen der Christen, die Menschheit vor dem Kommen Christi zu bekehren, als fruchtlos hingestellt wird, hat nicht wenig dazu beigetragen, daß ihm widersprochen wird.“ — Ausgabe 1890.
24. (a) Welche Fragen werden angesichts dessen, was sich seit 1914 ereignet hat, in Verbindung mit diesem religiösen Einwand aufgeworfen? (b) Wie beweist die Geschichte der Watch Tower Society, daß die Hoffnungen der an ein buchstäbliches Millennium glaubenden Christen nicht zerstört und ihre Tätigkeit nicht gehemmt wurde?
24 Diese Erklärung wurde im Jahre 1890 oder schon vor 77 Jahren veröffentlicht. Wie steht es aber um die Welt seit 1914? Ist sie „im Verfall begriffen“? Ist das Bemühen der Christenheit, die Welt vor dem Kommen Christi vollständig zu bekehren, fruchtlos, vergeblich, gewesen? Die Entwicklung der Weltlage antwortet mit Ja! Ist jedoch die Predigt- und Missionstätigkeit der Christen, die eine buchstäbliche Tausendjahrherrschaft Christi zum Segen der Menschheit erwarten, gehemmt worden? Sind die Hoffnungen zerstört worden? Die Geschichte der letzten 88 Jahre antwortet mit einem dröhnenden Nein! Im Jahre 1879 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift Zion’s Watch Tower (Zions Wacht-Turm), und im Jahre 1884 begann die Watch Tower Bible & Tract Society mit der Veröffentlichung der sechsbändigen Bücherserie, die zuerst „Millennium-Tagesanbruch“ genannt und später als die „Schriftstudien“ bekannt wurde. Heute unterhält die Watch Tower Bible & Tract Society of Pennsylvania trotz der Verfolgung in den beiden Weltkriegen in der ganzen Welt 95 Zweigbüros. Sie veröffentlicht die gute Botschaft von Christi bevorstehender Tausendjahrherrschaft in 164 Sprachen, und ihre Missionare und Prediger sind in 199 Ländern tätig. Die Zahl der Königreichsverkündiger steigt jährlich.
25. (a) Wie bezeichnete Augustinus einst das Millennium? (b) Wie lange existiert der Mensch nach neuesten Zeitrechnungen auf der Erde?
25 Vor fünfzehnhundert Jahren sprach Augustinus, der katholische „Heilige“, von sechstausend Jahren Geschichte und bezeichnete das Millennium als einen „Sabbat“, den siebenten Tag der Ruhe. Er hielt an dieser Ansicht jedoch nicht fest. Seit Jahrhunderten haben sich Katholiken und Protestanten an die von Erzbischof James Ussher ausgearbeitete biblische Zeitrechnung gehalten. Nach dieser Zeitrechnung wurde Adam, der erste Mensch, im Jahre 4004 vor Christus erschaffen, demnach würden die sechstausend Jahre Menschheitsgeschichte noch vor Ablauf des zwanzigsten Jahrhunderts, nämlich im Jahre 1996 u. Z. enden. Nach einer aus jüngerer Zeit stammenden Berechnung der biblischen Zeitangaben, enden sechstausend Jahre Menschheitsgeschichte in der zweiten Hälfte des Jahres 1975, also noch ziemlich innerhalb des jetzigen Jahrhunderts. Das biblische Millennium steht bevor, und gemäß der Zeitrechnung und den Weltereignissen naht es heran. Es ist nicht im Begriff zu enden, wie uns das einige katholische Bibelkommentatoren glauben machen möchten. Nach der Murphy-Ausgabe der englischen Douay-Übersetzung der Bibel lautet Offenbarung 20:1, 2 wie folgt:
26, 27. (a) Seit wann ist gemäß den Fußnoten der Murphy-Ausgabe der Douay-Bibel Satan gebunden? (b) In welche Zeit fällt demnach auch das Millennium, und was sollen die als Märtyrer gestorbenen Heiligen während der tausend Jahre tun?
26 „Und ich sah einen Engel vom Himmel herabkommen, der den Schlüssel des Abgrundes und eine große Kette in seiner Hand hatte. Und er ergriff den Drachen, die alte Schlange, die der Teufel und Satan ist, und band ihn für tausend Jahre.“
27 Die Fußnote zu dem Ausdruck „band ihn“ lautet: „Die Macht Satans ist durch das Leiden Christi sehr eingeschränkt worden.“ Die Fußnote zu dem Ausdruck „für tausend Jahre“ lautet: „Das heißt für die ganze Zeit des Neuen Testaments, besonders aber von der Zeit der Vernichtung Babylons oder des heidnischen Rom bis zu den neuen Anschlägen Gogs und Magogs auf die Kirche kurz vor dem Ende der Welt. Während dieser Zeit leben und herrschen die Seelen der Märtyrer und Heiligen mit Christus im Himmel in der ersten Auferstehung, nämlich der Auferstehung der Seele zu einem Leben in Herrlichkeit, während die zweite Auferstehung diejenige des Leibes sein wird am Tage des allgemeinen Gerichts.“ — Herausgegeben in Baltimore (Maryland).
28. Wie viele Jahre sind nun vergangen, seitdem das „heidnische Rom“ abgelöst wurde, und was lassen die geschichtlichen Tatsachen hinsichtlich der Gefangensetzung Satans im Abgrund erkennen?
28 Seitdem das „heidnische Rom“ im fünften Jahrhundert vom päpstlichen Rom abgelöst wurde, sind nun aber schon mehr als tausend Jahre vergangen. Die geschichtlichen Tatsachen beweisen, daß Satan, der Teufel, noch nicht gebunden und in den Abgrund geworfen ist, wie das in Offenbarung 20:3 (Al) mit den Worten vorhergesagt wurde: „Und er [der Engel vom Himmel] warf ihn in den Abgrund, und verschloß und versiegelte über ihn, daß er nicht mehr verführe die Völker, bis tausend Jahre vollendet wären; und danach muß er losgelassen werden auf eine kurze Zeit.“
29. Wo findet gemäß der Offenbarung die Schlacht von Harmagedon statt, und was beweist damit in Verbindung, ob der Drache, Satan, der Teufel, schon gebunden und im Abgrund ist?
29 Die Apokalypse oder Offenbarung zeigt unmißverständlich, daß die Schlacht von Harmagedon vor Satans Fesselung und Gefangensetzung im Abgrund stattfindet. Aus dem Bibelbericht geht hervor, daß Satan, der Teufel, selbst dazu beiträgt, daß die Völker auf diesem Schlachtfeld versammelt werden, denn er zeigt, daß ein unreiner Geist aus dem Munde des Drachen, Satans, des Teufels, hervorgeht und zusammen mit den unreinen Geistern aus dem Maul des Tieres und dem Mund des falschen Propheten zu den Königen der ganzen Erde auszieht, um sie zu dem Streit an dem großen Tage des allmächtigen Gottes zu versammeln, der in Harmagedon ausgefochten wird. Jetzt ziehen diese drei Teufelsgeister, die aus diesen drei Quellen hervorgehen, zu den irdischen Herrschern aus. Jetzt marschieren diese Herrscher und ihre Heere nach Harmagedon, wie führende Männer es schon häufig warnend vorhergesagt haben. Der Drache, Satan, der Teufel, kann also noch nicht gebunden im Abgrund sein, unfähig, die Nationen zu verführen, wenn der unreine Geist aus seinem Maul am Versammeln der irdischen Herrscher und ihrer Armeen nach Harmagedon mitwirkt. — Offb. 16:13-16, Al.
30. (a) Welcher Faktor in Verbindung mit Satans politischen Werkzeugen auf der Erde spricht dafür, daß er noch nicht im Abgrund gefangengesetzt ist? (b) Was geschieht mit diesen politischen Werkzeugen in Harmagedon, und wann wird Satan ebenfalls dorthin kommen?
30 Nein, Satan, der Teufel, befindet sich noch nicht für tausend Jahre gefesselt in dem versiegelten Abgrund. Das symbolische „Tier“ und der „falsche Prophet“ sind immer noch auf der Erde. Auch Satan, der Teufel, hält sich in der Nähe unserer Erde auf und gebraucht das „Tier“ und den „falschen Propheten“ als seine Werkzeuge, um die irdischen Herrscher und ihre Armeen zu ihrer Vernichtung im Krieg des großen Tages Gottes, des Allmächtigen, zu versammeln. Im neunzehnten Kapitel der Offenbarung wird die Schlacht von Harmagedon, die an Gottes großem Tag geschlagen wird, beschrieben und gezeigt, daß sie kurz bevor Satan gebunden und in den Abgrund geworfen wird stattfindet. In dieser bevorstehenden Schlacht werden das „Tier“ und der „falsche Prophet“ in den symbolischen Feuer- und Schwefelpfuhl geworfen, wo sie vernichtet werden. Satan, der Teufel, kommt jedoch erst dorthin, nachdem Christus tausend Jahre über die ganze Menschheit regiert hat. — Offb. 19:11 bis 20:3, 7-10, Al.
31. Warum muß also die Tausendjahrherrschaft Christi noch bevorstehen, und welche wunderbare Tatsache in Verbindung damit ist heute zu erkennen?
31 Da also die Schlacht von Harmagedon noch bevorsteht, muß auch die Fesselung und Gefangensetzung Satans im Abgrund noch bevorstehen, denn das alles geschieht erst nach der Schlacht von Harmagedon. Demnach muß auch die Tausendjahrherrschaft Christi noch bevorstehen, denn sie schließt sich der Gefangensetzung Satans im Abgrund an und besteht die tausend Jahre, in denen Satan gefangen im Abgrund ist. Auch das widerlegt die gegen das Tausendjährige Reich gerichteten Lehren des Augustinus und anderer religiöser Führer der Christenheit. Die Tausendjahrherrschaft Christi muß noch kommen. Das wunderbare ist, daß sie sehr nahe ist und wir durch sie befreit werden.
[Fußnoten]
a In der Encyclopedia Americana, Band 21 (Ausgabe 1929), Seite 268, finden wir das oben Erwähnte bestätigt; es heißt dort: „PA’PIAS, christlicher Schriftsteller, Bischof von Hierapolis. Irenäus und spätere Kirchenschriftsteller beschreiben ihn als einen ‚Hörer des Johannes‘ und einen ‚Freund des Polykarp‘. Er starb 163 n. Chr. in Pergamon als Märtyrer. Er war einer der ersten, die an das Millennium glaubten — das heißt daran, daß Christus nach der Auferstehung der Toten tausend Jahre persönlich auf der Erde herrschen werde —, und verfaßte fünf Bücher mit Kommentaren über die Aussprüche des Herrn (Lógon Kyriakôn Exegesis), von denen einige Bruchstücke noch vorhanden sind. Aus ihnen erfahren wir, daß nach der Überlieferung der heilige Matthäus sein Evangelium in hebräischer Sprache schrieb und der Evangelist Markus, der das dritte Evangelium schrieb, der Hermeneut [Dolmetscher] oder Amanuensis [Schreiber] des Petrus war.“
b In der Cyclopædia von M’Clintock und Strong, Band 8, heißt es auf Seite 396: „Vor der Zeit Konstantins wurde die Geistlichkeit nicht als ein besonderer Stand im Staate anerkannt; als man aber das Christentum als die Religion des Römischen Reiches anerkannte, wurden seine Geistlichen als solche betrachtet, die die Plätze jener heidnischen Priester einnahmen, deren Aberglaube in Verruf gekommen war.“
c Siehe Beacon Lights of History (New Yorker Ausgabe 1884), von Dr. jur. John Lord, Band III, Kapitel XXX, unter der Überschrift „Martin Luther: Die Reformation“, Seiten 244, 245.
d Siehe Augustinus, De Civitate Dei, XX, 5—7; Ausgabe von Jacques Paul Migne, „Patrologiae cursus completus“, XLI, Seite 607 ff., in lateinischer Sprache.
Über die im dritten Jahrhundert bestehenden religiösen Meinungsverschiedenheiten wegen des Millenniums geben Mosheims Institutes of Ecclesiastical History (Kirchengeschichte, Londoner Ausgabe 1848), Kapitel III, unter der Überschrift „Geschichte der Theologie“, Abschnitt 12, und die Fußnote von Dr. theol. James Seaton Reid Aufschluß.
e Siehe Die Zeit ist herbeigekommen (Band 2 der Schriftstudien), Seite 341; ferner Zion’s Watch Tower vom Dezember 1881, Seite 6, 7; Mai 1882, Seite 8; August 1889, Seite 3, 4.