Die Bibel — ein harmonisches Buch
EINER der vielen Beweise in der Bibel selbst, durch die deren Echtheit bestätigt wird und die deren göttliche Herkunft anzeigen, ist ihre Harmonie. Der Gelehrte Orr macht in seinem Buche The Problem of the Old Testament (Das Rätsel des Alten Testaments) diesbezüglich einige interessante Feststellungen:
„Das erste, was uns in diesem Zusammenhang auffallen muß, ist unseres Erachtens die Tatsache, daß dieses Buch in einem bemerkenswerten Sinne ein harmonisches Ganzes bildet. Von einem anderen Gesichtspunkt aus ist die Bibel natürlich nicht nur ein Buch, sondern eine Sammlung von Büchern, ‚eine göttliche Bücherei‘, wie Hieronymus es nannte. Wir haben sie ‚in verschiedenen Teilen und auf verschiedene Weise‘ erhalten. Sie enthält Schriften, die in einem Zeitraum von mindestens 1000 Jahren entstanden sind. Dennoch — und das ist gerade das Einmalige dabei — bilden diese, zusammengenommen, als Buch ein Ganzes, eine ‚Bibel‘, wie wir es nennen, mit einem Anfang, einem Hauptteil und einem Schluß, und das erweckt den Eindruck von Harmonie und Vollständigkeit.
Diese Eigentümlichkeit der Bibel, die durch nichts, was die Kritik vorbringt, wesentlich beeinträchtigt wird — denn je mehr der Kritiker sein Material unterteilt und zerlegt, desto wunderbarer tritt dieses Buch, wie wir es heute haben, hervor —, kann am besten durch eine Gegenüberstellung veranschaulicht werden. Das Christentum ist ja nicht die einzige Religion in der Welt und die Bibel nicht die einzige Sammlung heiliger Bücher, die es gibt. Es gibt viele Bibeln verschiedener Religionen. Der Mohammedaner hat seinen Koran, der Buddhist seinen Kanon der heiligen Schriften, der Zoroaster-Anhänger sein Zendawesta, der Brahmane seine Weden. Auf Grund dieser Tatsache faßt die vergleichende Religion eine Anzahl dieser Religionen als ‚Buchreligionen‘ zusammen. Diese heiligen Bücher sind uns durch zuverlässige Übersetzungen zugänglich, so daß wir sie mit unserer Heiligen Schrift vergleichen können.
Aber ganz abgesehen davon, daß die Bibel diesen anderen Büchern, sogar was ihren literarischen Wert betrifft, weit überlegen ist — denn wir glauben, daß nur wenige, die imstande sind, ein Urteil abzugeben, daran denken würden, selbst die herrlichsten babylonischen oder wedischen Hymnen oder die zoroastrischen Gathas in bezug auf ihre Wucht und Großartigkeit mit den hebräischen Psalmen zu vergleichen oder eine Parallele zu ziehen zwischen den ausgefallenen Geschmacksverirrungen des buddhistischen Lalitawistaras und der Einfachheit, Schönheit und Zurückhaltung der christlichen Evangelien —, wollen wir unsere Aufmerksamkeit nur auf einen Punkt lenken, und zwar auf den Gegensatz hinsichtlich der Harmonie. Wir suchen in diesen heidnischen Schriften vergeblich nach etwas Derartigem. Der Koran zum Beispiel ist ein Gemisch von unzusammenhängenden Texten, aus denen man unmöglich eine Ordnung, eine Reihenfolge oder Einteilung ableiten könnte. Die 114 Suren oder Kapitel, aus denen er besteht, sind zur Hauptsache nach ihrer Länge angeordnet, wobei die längeren den kürzeren vorangehen. Und mit den zoroastrischen und buddhistischen Schriften verhält es sich nicht anders. Wir vermissen bei ihnen auch einen Anfang, einen Hauptteil und einen Schluß; es handelt sich dabei meist um Sammlungen von grundverschiedenen, lose zusammengebrachten Schriften.
Wie ganz anders verhält es sich doch mit der Bibel; das wird jedermann zugeben müssen! Vom 1. Buche Mose an bis zur Offenbarung erscheint uns dieses Buch wirklich als ein harmonisches Ganzes. Es ist keine Sammlung von Fragmenten, sondern hat, wie wir sagen, inneren Zusammenhang. Es enthält eine zusammenhängende Geschichte von Anfang bis Ende; wir sehen, wie etwas vor unseren Augen ersteht; wir sehen darin Planung, ein Vorhaben und Fortschritt; das Ende greift auf den Anfang zurück, und wenn das ganze vollendet sein wird, dann werden wir auch in diesem Falle sehen, daß Gott — wie es bei der ersten Schöpfung der Fall war — alle seine Werke vollendet, und siehe! sie sind sehr gut. Diese Art, die Bibel zu betrachten, ist — zugegeben — eine rein äußerliche, aber eine sehr wichtige. Sie rückt die Bibel als ein einzigartiges Buch an die erste Stelle. Es gibt in der ganzen Literatur nichts, was ihr genau entspräche oder ihr auch nur annähernd gleichkäme. Um eine Erklärung hierfür zu finden, sind wir gezwungen, über den fragmentarischen Charakter ihrer einzelnen Teile hinauszugehen und die ihr als Ganzem zugrundeliegende Harmonie der Gedanken und Absichten in Betracht zu ziehen. Die Harmonie der Bibel ist nicht etwas Künstliches, Gemachtes … Die biblische Geschichte ist nicht nur ein Bericht über Geschehnisse, sondern sie verrät Planung, ein Vorhaben und ein Ziel, was darauf hinweist, daß Gott dahinter steht.“