Was ältere Menschen leisten
DER Sportler faßte sein Ziel fest ins Auge und begann zu laufen. Nach einem Sprint von 17 Metern bohrte er seinen Glasfaserstab in den Boden und schwang sich geschmeidig über die 2,82 Meter hohe Querlatte. Das Ereignis? Ein Schülerwettkampf? Nein. Der Sportler war 70 Jahre alt, und es handelte sich um einen Wettkampf für 600 ältere Sportler, wie das Wall Street Journal berichtete. Bei dem gleichen Anlaß lief ein Siebenundsiebzigjähriger die 100 Meter in 15,7 Sekunden, und ein Siebzigjähriger warf einen besonderen Diskus 27 Meter weit.
Überrascht es dich, von Siebzigjährigen zu hören, die sich immer noch an Sportwettkämpfen beteiligen? Natürlich können sie nicht mehr das leisten, was sie in ihren Zwanzigern geleistet haben. Aber die Tatsache, daß einige immer noch am Diskuswerfen, am 100-Meter-Lauf oder am Stabhochsprung teilnehmen, weist auf etwas Wichtiges hin. Sie zeigt, daß ältere Menschen nicht als nutzlos „abgeschrieben“ werden sollten, nur weil sie schon eine gewisse Anzahl von Jahren gelebt haben. Wenn nicht eine Krankheit dazwischenkommt, sind ältere Leute physisch viel leistungsfähiger, als man normalerweise annimmt.
Trifft das auch auf ihre geistige Leistungsfähigkeit zu? Das heißt, können alte Menschen Neues lernen und ein neues Leben beginnen? Manchmal spielen ältere Menschen selbst ihre Fähigkeit auf diesem Gebiet herunter. Oft schrecken sie vor der Herausforderung, etwas Neues zu beginnen, zurück und sagen: „Zum Lernen bin ich schon zu alt.“ Oder: „Einem alten Hund bringt man keine neuen Tricks bei.“ Aber ist das unbedingt so? Mit welchem Alter vergeht die Lernfähigkeit?
Wachsen und lernen
Es ist interessant, darüber nachzudenken, daß derjenige, der heute protestiert: „Zum Lernen bin ich schon zu alt“, einmal ein Kind mit strahlenden Augen und voller Wißbegier war. Im Wortschatz der meisten kleinen Jungen und Mädchen kommen am häufigsten Wörter vor wie „Warum?“ „Wo?“ „Wann?“ „Wie?“ „Wer?“ An ihrer Wißbegier gibt es keinen Zweifel.
Manchmal wünschen Eltern, ihre Kinder wären nicht so wißbegierig und würden sie einmal eine Zeitlang mit ihren Fragen verschonen. Die Bibel zeigt jedoch, daß es wichtig ist, was ein Kind in diesem Stadium lernt, denn wir lesen darin: „Erziehe einen Knaben gemäß dem Wege für ihn; auch wenn er alt wird, wird er nicht davon abweichen“ (Sprüche 22:6).
Bald geht das Kind zur Schule, und für mehrere Jahre besteht seine Hauptaufgabe darin, täglich neues Wissen auf verschiedenen Gebieten zu erwerben. Seine natürliche Wißbegierde wird teilweise von seinen Lehrern gestillt. Es lernt neue Ideen kennen, erwirbt neue Fähigkeiten, und allmählich eröffnet sich ihm die Welt.
Allzubald sind die Schuljahre vorüber, und ein junger Erwachsener tritt ins Leben. Jetzt muß er lernen, wie man mit Erwachsenen umgeht, und Fähigkeiten erwerben, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. In den meisten Fällen ergreift er einen festen Beruf, und hier beginnt sich der Lernprozeß zu verlangsamen. Die meisten jungen Erwachsenen heiraten, gründen eine Familie, haben Belastungen und Verpflichtungen, und allmählich hören sie auf, ihr Leben durch weiteres Lernen zu bereichern.
Wenn dann die Kinder herangewachsen sind, stellen die Eltern fest, daß sie jetzt mehr Zeit für sich haben. Aber in vielen Fällen ist die Gewohnheit, nicht mehr zu lernen, fest eingewurzelt. Sie sind nicht mehr so sehr wie in ihrer Jugend darauf bedacht, Neues zu erforschen oder Fragen zu stellen. In Japan reden viele davon, daß sie in einer anderen Ära geboren sind. Ein Mann mag sagen: „Ich bin in der Meidschi-Ära geboren.“ Das war die politische Ära, die 1912 endete. Da er nun mindestens 70 Jahre alt ist, denkt er, er brauche nichts mehr zu lernen und er könne auch in der heutigen, unverständlichen Ära keine neuen Gedanken mehr erfassen.
Muß das aber der Fall sein? Es stimmt zwar, daß mit den Jahren im Körper eines Menschen Veränderungen eintreten. Seine Gelenke mögen steifer sein, seine Muskeln nicht mehr so geschmeidig, sein Augenlicht mag etwas schwächer und sein Gehör nicht mehr so fein sein. Doch wenn er nicht krank wird, bewirkt dies lediglich eine Verlangsamung, aber nicht das Aufhören aller Aktivitäten. Die Tatsache, daß eine Gruppe von Siebzigjährigen eine Sportveranstaltung durchführen konnte, beweist das. Trifft das auch auf geistige Aktivitäten zu? Oder ist es wahr, daß man zum Lernen zu alt sein kann?