Wissenswertes über Gallensteine
ZU DEN Operationen, die häufig vorgenommen werden, gehört die operative Entfernung der Gallenblase, weil sie mit Steinen gefüllt ist. In den Vereinigten Staaten steht die Gallenblasenoperation an fünfter Stelle der Gründe, aus denen die Amerikaner sich zur Behandlung in ein Krankenhaus begeben müssen. Auch in gewissen westeuropäischen Ländern ist die Gallenkrankheit weit verbreitet.a In anderen Ländern dagegen, zum Beispiel in Indonesien, ist dieses Leiden so gut wie unbekannt.
Die Gallenblase, in der sich die Steine bilden, ist ein birnenförmiger Sack, der unterhalb der Leber liegt. Bei einem erwachsenen Mann ist sie bei mäßiger Ausdehnung etwa zwölf Zentimeter lang und knapp acht Zentimeter breit. Eine Anzahl kleiner Kanäle führt von der Leber zu dem „gemeinsamen Gang“, der in den Zwölffingerdarm, den oberen Abschnitt des Dünndarms, mündet. Die Verbindung zwischen dem gemeinsamen Gang und der Gallenblase stellt der Gallenblasengang her. Durch diese Gänge fließt die in der Leber gebildete Galle in den Dünndarm, wo sie eine wichtige Rolle bei der Fettverdauung spielt. Da die Leber ständig Galle bildet, diese aber nur zur Verdauung von Speisen benötigt wird, dient die Gallenblase als Behälter, in dem die Galle zwischen den Mahlzeiten gespeichert wird; ihr Fassungsvermögen beträgt durchschnittlich 0,5 Liter. Wenn der Speisebrei in den Dünndarm gelangt, öffnet sich die Mündung des Gallenblasengangs und läßt die Galle in den Zwölffingerdarm fließen.
Funktionsstörungen der Gallenblase führen häufig zur Bildung von Steinen. Steine können sich in der Gallenblase selbst oder in den Gallengängen befinden. Es mögen Hunderte von winzigen Steinen von der Größe eines Sandkorns vorhanden sein oder nur ein einziger Stein, der so groß ist, daß er die ganze Gallenblase füllt. Wie die chemische Analyse ergibt, bestehen Gallensteine vorwiegend aus Cholesterin, Gallenfarbstoff und Kalksalzen. Eine gefährliche Komplikation, die sofortige ärztliche Behandlung erfordert, ist die Verstopfung der Gallenwege durch wandernde Steine.
Wie kann man feststellen, ob man Gallensteine hat? Eine zuverlässige Methode, um das zu ermitteln, ist das Röntgen. Es kommt häufig vor, daß ein Chirurg, wenn er eine Operation an einem anderen Organ in der Bauchhöhle vornehmen muß, plötzlich feststellt, daß der Patient auch Gallensteine hat. Gewöhnlich machen sich Gallensteine jedoch durch heftige Schmerzen rechts unter den Rippen bemerkbar. Ein Anfall stellt sich sehr wahrscheinlich nach einer fettreichen schweren Mahlzeit ein und mag begleitet sein von Völlegefühl, Aufstoßen und anderen Beschwerden. Weitere Anzeichen können Übelkeit, Erbrechen und sogar Gelbsucht sein. Häufig bleiben die Gallensteine jedoch „stumm“, sie sind zwar vorhanden, machen sich aber nicht bemerkbar.
Was verursacht die Gallensteinbildung?
Die Frage, was die Gallensteinbildung verursacht, ist ziemlich umstritten, doch haben die neuesten Forschungen einige Erkenntnisse darüber zutage gefördert. So hat man festgestellt, daß viel Fleischessen die Bildung von Steinen begünstigt. Die Europäer, die in der Woche nur ein- bis zweimal Fleisch aßen, hatten wenig unter Gallensteinen zu leiden. Als sie aber nach Australien auswanderten und anfingen, täglich ein- bis zweimal Fleisch zu essen, war das Gallensteinleiden unter ihnen bald so verbreitet wie unter den Australiern, bei denen es Sitte ist, täglich ein- bis zweimal Fleisch zu essen.
Versuche mit Hamstern haben gezeigt, daß eine zucker- und stärkereiche Kost die Bildung von Gallensteinen ebenfalls begünstigt. Auch der Genuß von viel tierischem Fett hat offenbar diese Wirkung, denn häufig tritt eine Gallenkolik nach einer fettreichen schweren Mahlzeit auf. Wie erwähnt, ist das Gallensteinleiden unter den Indonesiern so gut wie unbekannt, doch die Indonesier, die in westliche Länder übergesiedelt sind und sich den in diesen Ländern üblichen Eßgewohnheiten angepaßt haben, leiden jetzt ebenso an der Gallensteinkrankheit wie die übrige Bevölkerung dieser Länder.
Es gibt aber auch noch andere Faktoren. Besonders anfällig für dieses Leiden ist das „schöne Geschlecht“; bei den Frauen unter 45 Jahren kommt dieses Leiden doppelt so häufig vor wie bei den Männern jener Altersgruppe. Früher haben die Ärzte witzig gesagt, die typischste Gallensteinpatientin sei „schön, fett, vierzig, aufgeblasen und fruchtbar“. Es stimmt, daß die Frauen unter fünfzig Jahren, die an der Galle operiert werden, im Durchschnitt zehn Kilo mehr Gewicht haben als die Frauen, die sich keiner solchen Operation unterziehen müssen. Man hat auch festgestellt, daß die Frauen im gebärfähigen Alter besonders anfällig sind für Gallensteine, ganz besonders aber solche Frauen, die Kinder haben. Zu den Anzeichen von Gallensteinen gehört auch das Völlegefühl. Vom 45. Lebensjahr an ist die Anfälligkeit für Gallensteine bei Männern und Frauen ungefähr gleich.
Ferner zeigt die Statistik, daß zwischen einem Mangel an körperlicher Betätigung und Gallensteinen eine Beziehung besteht. Personen, die eine sitzende Beschäftigung haben wie Büroangestellte, Professoren, Lehrer und Rechtsanwälte, neigen weit mehr zu Gallensteinen als Personen, die körperlich arbeiten wie Landwirte, Maurer und Tischler.
Zur Bildung von Steinen kann aber auch ein sogenannter Gallenstau führen, das heißt, wenn die Galle nicht durch die Gallenwege in den Darm abfließen kann. Der Gallensaft weist alle Bestandteile für die Bildung von Gallensteinen auf; wenn er lange in der Gallenblase bleibt, können sich daher Steine bilden.
Operieren oder nicht operieren?
Die Tatsache, daß es möglich ist, der Bildung von Gallensteinen entgegenzuwirken, deutet darauf hin, daß es nicht immer notwendig ist, die Gallenblase operativ zu entfernen, sobald Steine darin festgestellt werden. Muß sich jedoch ein Patient, wenn er schon über 65 Jahre alt ist, plötzlich wegen Gallensteinen operieren lassen, mag es zu spät sein, denn die Statistik zeigt, daß die Wahrscheinlichkeit, eine solche Operation nicht zu überleben, in jenem Alter zehn- bis zwanzigmal größer ist als bei Patienten, die noch nicht so alt sind, wenn sie operiert werden.
Früher haben einige führende Chirurgen empfohlen, in bestimmten Fällen die Gallenblase nicht zu entfernen, sondern nur die Steine. Doch dann wurde häufig eine zweite Operation erforderlich; daher entfernen heute die Chirurgen im allgemeinen bei Steinkranken die Gallenblase, um spätere Komplikationen zu vermeiden, zum Beispiel einen Durchbruch in den Bauchraum.
Vorbeugen ist offensichtlich besser als operieren. Was man heute über Gallensteine weiß, läßt erkennen, daß man die Gefahr der Steinbildung auf ein Minimum beschränken kann, wenn man im Essen maßhält. Man sollte darauf bedacht sein, üppige Kost möglichst zu meiden, vor allem Süßigkeiten, Fleisch und tierische Fette. Dagegen werden Nahrungsmittel, in denen besonders Vitamin A vorkommt (Leber, Lebertran, Eigelb, Milch, Butter), und frisches Gemüse empfohlen. Man hat auch festgestellt, daß Lezithin der Bildung von Gallensteinen entgegenwirkt. Zu den Nahrungsmitteln, die reich an Lezithin sind zählen Eier (Eigelb, obschon es reich an Cholesterin ist), Sojabohnen, Gemüse und Olivenöl, Rindfleisch, Leber, Herz, Nieren, Weizenkeime sowie andere Getreidekeime und Nüsse. Hat man eine sitzende Beschäftigung, so sollte man auch darauf bedacht sein, sich regelmäßig körperlich zu betätigen.
Wenn man auf diese Weise der Bildung von Gallensteinen vorbeugt, mag man sich die Unannehmlichkeiten des Gallensteinleidens ersparen.
[Fußnote]
a In Deutschland hat z. B. jede fünfte Frau Gallensteine.