Eine merkwürdige Mischung zweier Religionen
Vom „Awake!“-Korrespondenten in Bolivien
VON den rund fünf Millionen Einwohnern Boliviens sind etwa zwei Millionen Aymará und Quechua. Obschon sich diese Indianer zum Katholizismus bekennen, sehen sie in den „Heiligen“ die Götter, die ihre Vorfahren verehrt haben. Wie ist so etwas möglich, da doch die katholische Kirche in Bolivien schon seit etwa vierhundert Jahren besteht?
Robert Barton schreibt in seinem Buch A Short History of Bolivia (Ein Abriß der Geschichte Boliviens) über die Tätigkeit der katholischen Missionare: „Ihnen lag daran, die Massen zu bekehren, anstatt den Eingeborenen das Christentum verständlich zu machen, ja viele taten so, als bestünde zwischen ihrem Glauben und den abergläubischen Vorstellungen der Eingeborenen eine Ähnlichkeit. Das erklärt die Mischung der beiden Religionen, die auch heute noch besteht.“
Die „Mischung der beiden Religionen“ ist deutlich in Verbindung mit Todos los Santos (Allerheiligen) zu sehen. In dem Buch Discover Bolivia (Entdecke Bolivien) schreiben die beiden Verfasser, Kip Lester und Jane McKeel: „Für den campesino [Landarbeiter] ist Todos Santos eine Mischung der christlichen Begehung dieses Feiertages und des Chulpa-Kultes.“ Chulpas sind runde, aus unbehauenen Steinen erbaute Türme, die im Gebiet des Titicacasees zu finden sind. Man vermutet, daß es sich dabei um die Gräber von Indianerhäuptlingen handelt.
Es ist interessant, daß die katholische Kirche viele weitere heidnische Sitten dem katholischen Glauben angepaßt und dann als christlich hat bestehen lassen. „Allerseelen“ ist in Wirklichkeit kein christlicher Feiertag. Wir lesen in dem Wörterbuch Funk and Wagnalls’ Standard Dictionary of Folklore, Mythology and Legend über den Ursprung dieses Feiertages folgendes: „Der Allerseelentag ist im wesentlichen eine Anpassung an die fast in der ganzen Welt verbreitete Sitte, einen Teil des Jahres (gewöhnlich den letzten Teil) den Toten zu widmen. Die Babylonier begingen ein monatliches Allerseelenfest, bei dem die Priester Opfer darbrachten.“
Verständlicherweise kannten die ersten Christen keinen Feiertag, an dem sie der „Seelen“ der Verstorbenen gedachten. Sie wußten, daß die inspirierten Schriften lehren: „Welche Seele sündigt, dieselbe soll sterben“ (Hes. 18:4, Allioli-Bibel, katholisch). Ja, sie verstanden, daß die Toten wirklich tot sind und auf die Auferstehung warten (Apg. 24:15).
Ein weiteres Beispiel für die merkwürdige Mischung zweier Religionen ist die Diablada (Teufelstanz). Darüber lesen wir in dem Buch Gate of the Sun, A Prospect of Bolivia: „Sie hat sich aus einer Mischung von heidnischem und christlichem Gedankengut entwickelt und ist ein interessantes Beispiel der Dualität, die immer noch überall im täglichen Leben Boliviens zu beobachten ist.“
Gemäß der bolivianischen nichtchristlichen Überlieferung haust der Teufel in den Bergwerken und ist der Eigentümer aller Mineralien und Metalle. Die Bergleute rufen ihn täglich um Schutz vor Schachteinstürzen an. Die folkloristischen Tanzgruppen (in denen alle Schichten der Gesellschaft der Bergwerksstadt Oruro vertreten sind) spielen die Rolle des Teufels. Die Tänzer tragen reichverzierte Masken und Kostüme. Sie bringen der Jungfrau von Socavón (Virgen del Socavón), der Schutzpatronin der Bergwerke, ihre Bitten vor. Für den Katholiken handelt es sich bei der Jungfrau natürlich um Maria.
In dem erwähnten Buch Discover Bolivia wird auf die Beziehung zwischen der katholischen Kirche und dem Teufelstanz hingewiesen: „Die Teufelstänzer führen aber nicht nur den Teufelstanz auf, sondern sie begehen auch viele feierliche religiöse Handlungen. In der berühmten Socavón-Kirche am Fuß des San-Felipe-Berges huldigen sie zuerst der Jungfrau, und bei bestimmten Gelegenheiten während und nach dem Karneval wird für sie eine Messe zelebriert.“
Die als „Teufel“ verkleideten Personen suchen die Kapelle auf, wo sie von katholischen Priestern das Abendmahl empfangen. In der Kapelle sagen die Teufelstänzer zur Jungfrau von Socavón: „Wir kommen aus der Hölle und bitten dich, kleine Bergwerksmutter, uns, alle deine Söhne des Teufels, zu segnen.“ Und wenn sie die Kapelle zum letzten Mal (bis zum nächsten Jahr) betreten, sagen sie folgendes Abschiedsgebet: „Schütte, wie auf die Zinnberge das Sonnenlicht, deine Segnungen auf unser Herz aus. Göttliche Gottesmutter, versage uns, kleine Mutter, bis zum nächsten Jahr nicht deinen Schutz. Lebe wohl, bis zum nächsten Jahr!“
Über die Dualität der Diablada schreibt die Buchautorin Margaret Joan Anstee: „Der Dualität wird ein neuer Dreh gegeben, wenn der Bergmann zur Karnevalszeit der Jungfrau erneut seine Liebe bekundet, indem er sich mit dem Teufel identifiziert, den er das ganze Jahr hindurch verehrt. Diese Ambivalenz [Doppelwertigkeit] bildet keine Ausnahme, aber sie ist ein besonders auffallendes Beispiel für die synkretische [Synkretismus: Verschmelzung gegensätzlicher Religionen] Auffassung der die Anden bewohnenden Indianer gegenüber der Religion. Der neue Glaube löst den alten nicht ab. Nichts wird abgeschafft, sondern die neuen Lehren werden dem bestehenden Glaubensgefüge einverleibt, und alles wird so eng miteinander verflochten, daß es sich nicht mehr entwirren läßt.“
Diese merkwürdige Mischung zweier Religionen mag manche Leute nicht sonderlich beunruhigen. Doch die wichtige Frage lautet: Wie denkt Gott, der Allmächtige, darüber? Der Apostel Paulus schrieb an die Christen in Korinth: „Was die Heiden opfern, [opfern] sie den Dämonen ... und nicht Gott. Ich will aber nicht, daß ihr Gemeinschaft habt mit den Dämonen. Ihr könnt nicht den Kelch des Herrn trinken und den Kelch der Dämonen. Ihr könnt nicht Anteil haben am Tisch des Herrn und am Tisch der Dämonen“ (1. Kor. 10:20, 21, Kürzinger, katholisch). „Zieht nicht im fremden Joch mit Ungläubigen; denn was hat Gerechtigkeit zu tun mit Ungesetzlichkeit? Oder was haben Licht und Finsternis miteinander gemeinsam? Wie steht Christus im Einklang mit Beliar? Oder welchen Anteil hat der Gläubige gemeinsam mit dem Ungläubigen?“ (2. Kor. 6:14, 15, Kürzinger).
Zeigt nicht die merkwürdige Mischung zweier Religionen in Bolivien, daß diese inspirierten Worte mißachtet worden sind? Wie könnte Gott eine solche „Mischung“ gutheißen? Der Sohn Gottes sagte, daß der Vater Personen sucht, die ihn „mit Geist und Wahrheit anbeten“ (Joh. 4:23, 24). Zweifellos kann man nicht sagen, nichtchristliche mythische Glaubensauffassungen seien die Wahrheit. Wer daran festhält, kann Gott nicht annehmbar dienen.
Glücklicherweise sind Jehovas Zeugen in Bolivien eifrig tätig. Viele aufrichtige Bolivianer haben durch sie ein Verständnis der Bibel erlangt und haben aufgehört, nichtchristliche Bräuche zu pflegen. Sie haben den inspirierten Rat beherzigt: „Geht fort aus ihrer Mitte und sondert euch ab, ... und Unreines rührt nicht an“ (2. Kor. 6:17, Kürzinger). Hast du das schon getan, oder hast du vor, es zu tun?