Auf Besuch bei Jehovas Zeugen in Zentral-Amerika (2. Teil)
IN Britisch-Honduras freuten sich Jehovas Zeugen wochen-, ja monatelang auf den angekündigten Besuch N. H. Knorrs, des Präsidenten der Gesellschaft. Sie veranstalteten einen dreitägigen Kongreß für die Zeit vom 3.—5. Dezember, der im Memorial-Park in Belize stattfinden sollte.
Im Dezember beginnt die Regenzeit und damit das unsichere Wetter. So wurde denn nur ein provisorischer Kongreßplan aufgestellt. Der Präsident war fünf Jahre lang nicht mehr dagewesen. Die örtlichen Zeugen Jehovas sorgten für eine gute Bekanntmachung, indem sie Schilder in Läden, auf Gebäuden, in Kinos, auf Lastwagen, Schiffen usw. anbringen ließen. Ferner erschienen Zeitungsinserate, und es wurden Einladungsbriefe und Handzettel zu Tausenden verwendet. Auch spannte man ein großes Banner über die Hauptstraße der Hauptstadt, und über den Rundfunk vermittelte man regelmäßig Bekanntmachungen. Jehovas Zeugen planten einen großen Kongreß und hießen jedermann, der ihn besuchen wollte, willkommen.
Der Memorial-Park ist überaus lieblich gelegen. Man sieht von dort auf die grünblauen Wasser des Karibischen Meeres hinaus. Der achteckige Musikpavillon diente als ein vorzügliches Rednerpodium, und die Brüder hatten die Anlagen direkt davor prächtig mit Blumen und Topfpflanzen geschmückt. Welche Überraschung, als sich zur Eröffnungszusammenkunft 241 Personen einfanden, um N. H. Knorr über das Thema „Unser Zusammenkommen nicht versäumen“ sprechen zu hören. Dies war ganz ungewöhnlich, in Anbetracht der Tatsache, daß nur 90 Verkündiger dort im Monat November Bericht erstattet hatten. So wird es denn noch viele weitere Menschen geben, die sich für den Kongreß und für die Botschaft des Königreiches interessieren.
Am Sonnabend symbolisierten 19 Personen ihre Hingabe an Jehova Gott, indem sie sich im Karibischen Meere taufen ließen. Nach diesem Untertauchen zog eine Fahrradparade durch die Stadt und kündigte den Vortrag vom Sonntag „Gottes Liebe — die einzige Rettung in der Krise der Menschheit“ an. Die Brüder vom Orte, alles Nachkommen von afrikanischen Vorfahren, freuten sich bestimmt, mit Bruder Knorr in dieser Fahrradparade mitzufahren, die durch all die gewundenen Straßen der Stadt über 15 Kilometer weit ging. Motorisierte Polizei begleitete sie. Dieser letzte Hinweis auf unsere Veranstaltung trug samt all den anderen Bekanntmachungen dazu bei, daß sich bis Sonntag abend, 8 Uhr, 689 Personen im Park versammelt hatten. Dies spornte bestimmt die 90 regulären Zeugen dieses Landes sehr an, als sie sahen, daß noch viele weitere den Wunsch hegen, die gute Botschaft zu hören, und es wird sie beschäftigt halten, solchen zu helfen.
Als der Kongreß vorbei war, wurde ein Herr, der sich darüber beklagt hatte, daß man die Zeugen Jehovas den Park benutzen ließ, auf Grund ihres Benehmens anderen Sinnes, denn er erklärte, sie bettelten nicht um Geld, sondern böten einfach treffende Belehrungen aus der Bibel dar. Sie seien nicht so wie jene Erweckungsprediger, die den Park vor einem Jahr benutzt hätten! Ein Polizist sagte ebenfalls zu einem Zeugen Jehovas, daß ihn die Veranstaltung sehr gefreut habe, und er wünsche, andere Leute möchten dem Beispiel der Zeugen Jehovas folgen, denn das würde seine Arbeit bedeutend erleichtern. Eine andere Interessierte sagte: „Ich habe Dutzende von Evangelisten und Prediger gehört, doch der hier auf Besuch weilende ist der erste, der mich wirklich davon überzeugt hat, daß wir in den letzten Tagen leben.“ Sie wünscht, die Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! nun regelmäßig zu erhalten.
Die Brüder sahen später die Ergebnisse des Kongresses, denn gemäß ihrem Bericht haben sich in ganz Britisch-Honduras im Januar 104 Personen am Predigen dieser guten Botschaft vom Königreich beteiligt.
HONDURAS
Zwei Tage, bevor Präsident Knorr in Honduras eintraf, war die verfassungsmäßige Regierung gestürzt worden. Die politische Lage war gespannt. Auch hatte sich eine ernste Situation innerhalb der Versammlung der Zeugen Jehovas selbst entwickelt. Bruder Knorr mußte einen neuen Zweigdiener ernennen, weil jener, der zuvor die Verantwortung trug, sich als untauglich erwiesen hatte und ihm daher die Gemeinschaft entzogen wurde. So gab es denn für Jehovas Volk Spannungen von innen und von außen! Während der vergangenen vier Jahre hatten Jehovas Zeugen Segnungen empfangen, und viele waren in die Neue-Welt-Gesellschaft eingesammelt worden. Im Jahre 1950 gab es im Lande 208 Verkündiger, und zur Zeit, da das Dienstjahr 1954 zu Ende ging, im Durchschnitt 410. Die Missionare und die anderen örtlichen Verkündiger hatten gut gearbeitet; als sich dann aber Verderbtheit innerhalb der Organisation zeigte, waren einige der Schwächeren beunruhigt, da sie eher auf Menschen als auf Jehova Gott blickten. Wenn wir nun den Bericht vom Februar 1955 nachsehen, finden wir, daß es dort jetzt nur noch 392 Verkündiger gibt, und diese Zahl bedeutet einen Rückgang im Vergleich zum Durchschnitt des Jahres 1954 und steht weit unter der Höchstzahl von 460 Verkündigern im April 1954. Die Missionare und andere reife Brüder der Versammlung werden hart arbeiten müssen, um jenen zu helfen, sie zu stärken und zur Reife zu bringen, die einst Stellung für das Königreich bezogen hatten. Leute, die Jehovas Organisation durch einen unsittlichen Lebenswandel verderben, haben sich dafür vor Jehova Gott zu verantworten.
Eine kleine Schwester berichtete einer der Missionarschwestern über die schlechte Aufführung des Zweigdieners. Diese Nachricht führte zur Enthüllung des Skandals, der die Ortsorganisation verderbt hatte. Dieses Mädchen hatte erzählt, es habe gesehen, wie der Zweigdiener, ein verheirateter Mann, regelmäßig Besuche mache in der Einzimmerwohnung einer Prostituierten. Es fiel der betreffenden Missionarin schwer, den Bericht zu glauben. So wollte sie es mit eigenen Augen sehen. Und sie sah es auch und berichtete die Sache dann gewissen Brüdern, Missionaren. Nun wurde der Zweigdiener mehrere Tage lang beobachtet und sein Verhalten geprüft. Es gab Tage, da er bis dreimal zu diesem Mädchen von üblem Ruf ging. Bisweilen nahm er sie ins Theater mit. Der Fall wurde dann dem Büro des Präsidenten berichtet, und es wurden Anweisungen gesandt, ihn gründlich zu untersuchen und die Taten des Betreffenden durch eine genügende Anzahl von Zeugen feststellen zu lassen. Auch die Frau des Zweigdieners wurde eingeladen, zu einem Nachbesuch in der Nähe der Wohnung der Hure mitzugehen, damit sie genau sehen könne, was ihr Mann tue, bevor ihm die Anklagen unterbreitet und der Gemeinschaftsentzug vorgenommen werde.
Der Präsident der Gesellschaft hatte Anweisungen gegeben, den Betreffenden unparteiisch abzuhören, aber gleich von Anfang an suchte er sich durch Lügen auszureden. Er sagte sogar, er sei gar nicht an den betreffenden Ort gegangen. Doch war eine genügende Anzahl Zeugen vorhanden, Jehova Gott völlig ergebene, die täglich beobachtet hatten, was vor sich ging, aber trotz all seiner Lügen wurde dem Manne die Gemeinschaft entzogen.
Wenn jemand wie die Welt leben will, so bleibe er in der Welt. Wenn wir Leute in der Organisation finden, die solchen gleich sind, wie Judas sie beschreibt — nämlich „ungöttliche Menschen, die die unverdiente Güte unseres Gottes zu einer Entschuldigung für zügellosen Wandel machen und sich gegen unseren einzigen Gebieter [Eigentümer] und Herrn Jesus Christus als falsch erweisen“ —, dann sollten sie aus der Organisation hinausgetan werden, und dies schnell. — Judas 4, NW.
In katholischen Ländern, wie es jene von Zentral- und Südamerika sind, ist eine Ehe nach dem Gewohnheitsrecht und das Verhältnis mit einer Mätresse nichts Ungewöhnliches. Somit betrachten viele Katholiken diese Handlungsweise als etwas, das jedermann ja überall tue. Die Katholische Kirche unternimmt nichts, um diesen unsittlichen Bräuchen abzuhelfen, sondern läßt solche Männer in der katholischen Organisation bleiben. Nicht so aber Jehovas Zeugen. Viele, die mit Jehovas Zeugen neu verbunden waren, waren nicht überrascht, als der Gemeinschaftsentzug in der Versammlung bekanntgegeben wurde, weil viele von der Welt bereits von dem unreinen Wandel des Übeltäters wußten und davon sprachen. In Jehovas Organisation wird kein Unterschied gemacht, wenn sich jemand dreist der Unmoral schuldig gemacht hat, sei es nun in hoher oder niedriger Stellung, denn es wird ihm gleichwie irgendeiner anderen getauften Person die Gemeinschaft entzogen. Die Organisation, die Neue-Welt-Gesellschaft, muß rein bleiben. Den einheimischen Brüdern und Missionaren in Honduras drückt es schwer aufs Herz, weil Jehovas Name und seine Organisation in Honduras herabgewürdigt worden sind. Unsere treuen Brüder in Honduras beten aber, daß ‚ihnen Jehova unverdiente Güte erweisen möge‘. Ferner erklärten sie, daß sie ‚die Hoffnung hegen, die Schmach, die von diesem Lande über Jehovas Namen gebracht worden sei, durch ihr eigenes richtiges Benehmen in der Zukunft zu beseitigen, und betend, wollen sie treulich auf die künftige Zeit warten, da Gott ihnen wieder Gelingen schenkt‘.
Zweifellos werden Jehovas Zeugen überall zu Jehova beten, daß er unsere treuen Brüder in Honduras segne, ihnen Kraft gebe, die Menschen guten Willens richtig zu speisen und zur Reife zu bringen, und daß dieser Makel der Unsittlichkeit denen, die Gerechtigkeit lieben, nicht den Weg versperren möge.
Mit diesen Gefühlen der Niedergeschlagenheit und Sorgen führten Jehovas Zeugen ihre drei Veranstaltungen durch. Die erste begann am Sonntag, dem 5. Dezember, im Fußball-Stadion von San Pedro Sula, und nicht weit davon entfernt war eine weitere Versammlung in La Lima im Gange.
Aber noch etwas anderes trug sich in Honduras zu. Die politische Lage um das Hauptgebäude in Tegucigalpa war überaus gespannt, und die Armee stand mit Gewehr und Kanonen Wache. Die Regierung war gestürzt worden; der Präsident wollte um jeden Preis den Frieden bewahren. Daher war eine Ankündigung ergangen, alle öffentlichen Veranstaltungen abzusagen. Ausgehverbote traten in den unruhigen Vierteln in Kraft. Während die Brüder im Stadion ihr Abendessen in einer wohlgeordneten Cafeteria einnahmen, trafen Soldaten ein mit dem Befehl der Regierung, keine weiteren Zusammenkünfte mehr zuzulassen und das Stadion zu räumen. Indes wurde Erlaubnis erteilt, sich in die örtlichen Königreichssäle zurückzuziehen und das übliche Wachtturm-Studium abzuhalten. So kamen beide Kongresse, soweit es ihre zentrale Veranstaltung betraf, zum Ende. In La Lima trat das Ausgehverbot um 18 Uhr und in San Pedro um 21 Uhr in Kraft.
Inmitten all dieser Unruhen traf der Präsident der Gesellschaft, Bruder Knorr, in San Pedro Sula ein. Wegen der im Lande herrschenden gespannten Lage holten ihn nur einige Missionare und der Stellvertreter des Zweigdieners am Flughafen ab. Nach Passierung der Zollformalitäten begab sich der Präsident der Gesellschaft zum amerikanischen Konsul, um die neuesten Meldungen über die bestehende Notlage zu hören. Er erfuhr die Tatsachen. So setzte man die Versammlungen denn im Königreichssaal fort. Sie waren freudig, enthusiastisch und erhebend.
Es wurde den Brüdern die notwendige Ermahnung zuteil, die Organisation rein zu erhalten und im Dienste Jehovas treulich vorwärtszugehen, ferner die Ermahnung, während der herrschenden politischen Notlage beim Predigen der guten Botschaft einen gesunden Sinn walten zu lassen und alles Übereilte und etwas, das mit der ordentlich eingesetzten Behörde nicht in Übereinstimmung sei, zu vermeiden. An jenem ersten Abend in San Pedro Sula, Honduras, drängten sich alle Besucher des Kongresses in den Hinterhof des Missionarheims, und dort wurde eine überaus freudige Versammlung abgehalten. Der Königreichssaal in jenem Hause war zu klein, um alle zu fassen, und so versammelten sie sich im Hinterhof oder Patio. Die Brüder waren hochbegeistert und begierig, trotz innerer oder äußerer Unruhen vorwärtszugehen. Viele in der Stadt wollten wissen, wo sie nun den Vortrag „Gottes Liebe — die einzige Rettung in der Krise der Menschheit“ hören könnten, und 265 Personen kamen in das Missionarheim. Am folgenden Tag reiste der Präsident der Gesellschaft nach La Lima weiter, und auch dort war alle Kongreßtätigkeit in den Königreichssaal verlegt worden. Dennoch waren alle 108 Anwesenden sehr freudig. Indes mußten die Reisenden wegen des Ausgehverbots vor 18 Uhr die Stadt verlassen, und so wurden alle Versammlungen am Nachmittag abgehalten. Der große Kongreß sollte in Tegucigalpa stattfinden, aber allen wurde der herrschenden Schwierigkeiten wegen die Reise abgeraten.
Am Donnerstag flog Bruder Knorr mit einigen Missionaren, darunter auch Bruder Muscariello, der eben die 23. Klasse Gileads absolviert hatte und nun als Zweigdiener ernannt werden sollte, nach Tegucigalpa. Auch dort war es unmöglich, das große Stadtstadion zu benutzen. So wurden denn sämtliche Versammlungen auf den Königreichssaal beschränkt, doch erwies er sich als viel zu klein. Etwa 198 Personen füllten den Saal, und ein Teil davon ergoß sich noch in die Straßen außerhalb. Fenster und Türen wurden geöffnet, damit alle hören konnten. Die Versammlung nahm einen wohlgeordneten Verlauf, und es gab keine Störung, obwohl sie mitten in der Stadt stattfand. Geschäftige Tage folgten nun mit viel Arbeit, und die Verantwortlichkeiten für die Weiterführung des Zeugniswerkes im ganzen Lande mußten dem Neuernannten übertragen werden. Wir hegen volles Vertrauen in Jehova Gott und seine Organisation, daß unsere Brüder in Honduras in Einheit miteinander wirken werden, und wenn es dort jetzt auch etwas weniger Verkündiger gibt, da sie auf 392 zurückgegangen sind, schauen wir doch vertrauensvoll zu Jehova Gott auf, daß er seinen Geist auf sie ausgießen und sie stark machen möge, damit sie den Geist eines gesunden Sinns gebrauchen und die gute Botschaft weiterhin predigen, ungeachtet des Versagens einer Person. Es stärkt uns, zu wissen, daß wir nicht einem Menschen folgen, und wenn ein Mensch auch einige zu Fall bringen mag, wird doch der Verdorbene entfernt, damit die Neue-Welt-Gesellschaft in jedem Land der Erde rein erhalten bleibe, denn sie ist eine Gesellschaft, die unter dem heiligen, souveränen Herrscher des Universums, unter Jehova Gott, steht. Es geziemt sich für jeden, sorgfältig und mit seinen Brüdern zusammen umsichtig vor Jehova zu wandeln. Von neuem bringt uns dies zu dem Entschlusse, nicht unser eigenes Vergnügen zu suchen, denn alles sollte in rechter Weise zum Wohl der Organisation Jehovas getan werden. „Liebt nicht die Welt noch die Dinge in der Welt. Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm; denn alles in der Welt — die Begierde des Fleisches und die Begierde der Augen und die augenfällige Schaustellung von jemandes Mitteln zum Leben — hat seinen Ursprung nicht beim Vater, sondern stammt von der Welt. Überdies: die Welt vergeht und auch ihre Begierde, wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.“ — 1. Joh. 2:15-17, NW.
(Fortsetzung folgt)