Rund um die Welt mit dem Vizepräsidenten (5. Teil)
IN ALTEN Zeiten mischten sich die buddhistischen Priester auf eine Weise in die Politik ein, die dem japanischen Hofe in Nara so mißfiel, daß der Kaiser im Jahre 794 nach Kioto umzog, um von den Priestern von Nara wegzukommen. Bis zum Jahre 1868 blieb Kioto die Hauptstadt Japans, dann wurde Tokio Hauptstadt. Doch jetzt fuhren wir nach Kioto, nach der Stadt, von der aus der königliche „Sohn des Himmels“ — entweder tatsächlich oder angeblich — Japan während mehr als tausend Jahren beherrscht hat. Kioto hat im zweiten Weltkrieg keine Bombardierungen erfahren. Wegen seiner alten Kultur und seiner Tempel wurde es davon verschont. Es ist eine Stadt mit breiten Straßen und schönen Parkanlagen, ist aber auch das Zentrum der vielen Sekten des Buddhismus in Japan. Sie ist voll Dämonengötter. Da befindet sich die Halle von Kwannon, der Göttin der Barmherzigkeit, mit 1001 Bildnissen dieser Göttin. Ferner gibt es dort mächtige Nachbildungen des buddhistischen Rosenkranzes, der 108 Perlen zählt, vielhändige Götter und auch ein mächtiges Seil, das aus Haar gewoben worden ist, welches Tausende der anbetenden Frauen gespendet haben.
Am 23. Januar stand indes in Kioto der Landeskongreß der Zeugen Jehovas im Mittelpunkt des Interesses. Der zweite Tag dieser Veranstaltung war nun gekommen, und viele eifrige Zeugen Jehovas waren aus jedem Winkel dieses Insellandes herbeigeströmt. Zwei Monate zuvor hatte Japan eine neue Höchstzahl tätiger Königreichsverkündiger und damit eine Zunahme von 20 % gegenüber dem Vorjahr erreicht, indem insgesamt 657 Prediger im Felde gestanden hatten. Als der Kongreß begann, waren Hunderte zugegen, und am letzten Tage waren 470 Glieder der Neuen-Welt-Gesellschaft anwesend, also etwa 60 mehr als neun Monate vorher, d. h. zu der Zeit, da der Präsident der Gesellschaft das Land besucht hatte. Es trat klar zutage, daß die japanischen Zeugen jetzt aus ihrer Reserve heraustreten und sich nicht mehr so förmlich benehmen, wie es unter den Japanern so allgemein üblich ist. Hier auf dem Kongreß waren sie glücklich, lachten und spendeten Beifall, denn hier war man eine einzige große Familie. Als wir das Kongreßgebäude, den Okazaki-Kokaido-Saal, erreichten, war die Zahl der Anwesenden auf 420 gestiegen. Als erstes wurde der Vizepräsident gebeten, hinter der Bühne für den Vertreter einer Radiostation eine 5-Minuten-Ansprache in Englisch für eine Tonbandaufnahme zu halten. Diese wurde darauf von unserem japanischen Übersetzer ganz aus dem Gedächtnis wiedergegeben, und diese letztere Aufnahme sollte dann bei der Sendung über Rundfunk das ursprüngliche englische Original übertönen.
Unter den Anwesenden befanden sich 66 Missionare, Gileadabsolventen aus zehn verschiedenen Ländern, und dazu noch über 40 japanische Sonderpioniere, junge und ältere. Zweimal erlebten diese überglücklichen Prediger und Fred W. Franz die Freude, ihr Zusammentreffen äußerst nutzbringend zu gestalten und sich gegenseitig auszusprechen. Einige der japanischen Sonderpioniere bereiteten sich darauf vor, in ein neues Gebiet zu ziehen. Vier davon standen im Begriff, die Arbeit in der von der Atombombe heimgesuchten Stadt Hiroschima zu beginnen, deren Einwohnerzahl wieder auf 400 000 angestiegen ist und in der man sich sehr für Gottes Königreichsbotschaft interessiert. Eine andere Familie, vier Erwachsene und zwei Kinder, soll binnen kurzem die Arbeit in Fukuoka aufnehmen, in einer Stadt von 600 000 Einwohnern auf der südlichen Insel Kyushu, wo die Wahrheit noch gepredigt werden muß. Im Laufe der Versammlung überraschte ein zehnjähriges Mädchen, das zu dieser Gruppe gehört und noch die Schule besucht, die Zuhörer durch seine gut ausgearbeitete Haus-zu-Haus-Bibelpredigt, die es vom Podium aus hielt. Diese Predigt vervollständigte es, indem es Schrifttexte aus der japanischen Bibel vorlas und darauf das Wachtturm-Angebot machte. Ferner erzählten Sonderpioniere viele schöne Erfahrungen, die sie bei Rückbesuchen und Heimbibelstudien gemacht hatten. Eine Gruppe hatte in weniger als einem Jahr eine Versammlung von vierzehn Verkündigern gegründet, und von diesen ließen sich nun vier für den Ferienpionierdienst einschreiben. Eine weitere Gruppe, die im fernen Norden arbeitet, wo der Schnee manchmal die Namen verdeckt, die der Briefträger an den Häusern ablesen muß und wo alle anderen Religionen einen Winterschlaf halten, hatte in vier Monaten ein Wachtturm-Studium in Gang gebracht, dem dreizehn Personen beiwohnten; vier von diesen sind bereits Verkündiger des Königreiches.
Die Kongreßorganisation funktionierte gut, und in der Cafeteria, einem großen Raum im ersten Stock des Gebäudes, in dem Tische standen, konnten bei jeder Mahlzeit Hunderte von Kongreßbesuchern rasch gespeist werden. Der Reis und andere Speisen wurden in großen Kesseln außerhalb des Saales gekocht. Am Tisch in der Cafeteria aß Bruder Franz wie die anderen mit Stäbchen und leistete ganz gute Arbeit, indem er einen Teller voll Fisch und Reis „abräumte“.
Nun, am Abend des 23. Januar, sollten die versammelten Zeugen Jehovas in Japan einen Vortrag in Englisch hören. Dies war erst das dritte Mal im Laufe von acht Jahren; die zwei vorherigen Anlässe waren die früheren Besuche des Präsidenten der Gesellschaft gewesen. Durch einen fähigen Dolmetscher, ein japanisches Glied des Zweigbüros von Tokio, sprach Bruder Franz um 19.30 Uhr zu einer Zuhörermenge, die jetzt auf 437 Personen angewachsen war. Viele Anwesende, die nicht sehr gut, nur wenig oder gar nicht Japanisch verstanden, waren hochbeglückt und wie neubelebt, wieder einmal eine Ansprache in Englisch zu hören, auch wenn sie von der Übersetzung in die lokale Sprache unterbrochen wurde. Es schien, daß fast jeder Zuhörer eine Bibel bei sich hatte. Wann immer der Redner einen Text erwähnte, neigten sich die Köpfe, die zuvor zu ihm aufgeschaut hatten, Bibeln wurden geöffnet, und jeder folgte in seinem Exemplar des Wortes Gottes dem Gesagten. Es war eine auffallend aufmerksame und begeisterte Zuhörerschaft. Zu ihr zählte auch die Schwester, die neben dem Eingang stand. Sie hatte ihr Kleines auf den Rücken gebunden und schaukelte es sanft, damit es weiterschlafe, während sie, die Mutter, zuhörte.
Das Podium des Kokaido-Saales war mit farbenprächtigen Blumen geschmückt, darunter waren viele Chrysanthemen, die Landesblume Japans, und auf der Rückwand der Bühne sah man groß das Bild des Kalenders der Gesellschaft für 1957. In der Eile hatte der Künstler aber versehentlich etwas einzuzeichnen vergessen, nämlich die Verbindungsbrücke, die die neue Druckerei mit der alten verbindet. Geschickt benutzte Bruder Franz diese Auslassung, um auf die Einheit hinzuweisen, die zwischen allen Teilen der Organisation Jehovas besteht. Aber siehe da, am nächsten Morgen war auch die Verbindungsbrücke deutlich auf dem Bilde zu sehen.
An diesem Donnerstagmorgen, dem 24. Januar, fand ein Ereignis statt, das fast immer ein Merkmal größerer Versammlungen ist — die Taufe derer, die sich nun Gott hingegeben hatten. Nach der Taufansprache im Saale wanderten viele zur nahen japanischen Badeanstalt, und dort taufte der Täufer, der in dem mittleren quadratischen Bassin stand, durch Untertauchen zuerst sechs Brüder und dann zwanzig Schwestern, also insgesamt sechsundzwanzig Personen. Die langen Nachmittagsversammlungen bedeuteten eine Zeit besonderer Freude, da Donald Haslett, der Missionar und frühere Zweigdiener der Gesellschaft, als Vorsitzender zuerst dem Bezirksdiener das Wort zu einem Vortrag gab, dann dem stellvertretenden Zweigdiener, W. Lloyd Barry, und schließlich dem auf Besuch weilenden Vizepräsidenten. Ein Missionar, Gileadabsolvent aus Hawaii, schloß die Nachmittagsveranstaltungen mit Gebet, da die letzte Ansprache an diesem Abend der öffentliche Vortrag sein sollte. An diesem Nachmittag war die Zahl der Anwesenden noch mehr gestiegen, denn es waren nun 470 Personen anwesend.
Der letzte Abend des Kongresses kam herbei, und die Zeit für den bekanntgemachten öffentlichen Vortrag „Der Friede einer neuen Welt in unseren Tagen — Warum?“ näherte sich. Würden die als selbstzufrieden bekannten Einwohner von Kioto dem Winterwetter wohl trotzen und erscheinen? Etwas ermutigte sie hierzu, nämlich der Umstand, daß der Kongreß in dem schönen Okazaki-Kokaido von Kioto stattfand, denn die Stadt ist stolz auf diesen Saal japanischen Stils. Überdies war die Stadt, die nahezu zwei Millionen Einwohner zählt, mit Flugzetteln überflutet worden, und es schien, als ob in fast jedem Schaufenster ein Plakat hänge, durch das die Öffentlichkeit über den Vortrag unterrichtet werde. Auch Radio Kioto hatte den Kongreß auf vorzügliche Weise bekanntgemacht, indem es einige Königreichslieder und ein 10 Minuten dauerndes Interview darüber ausgesandt hatte. Nach all diesem brachte die Zahl der zum Vortrag „Friede einer neuen Welt“ Erschienenen keine Enttäuschung. Und siehe da! als man sie zählte, waren es 605, was im Vergleich zu den am Nachmittag erschienenen Kongreßteilnehmern anzeigte, daß 130 Fremde gekommen waren, nämlich gut ein Fünftel aller Zuhörer. Und was für ein aufmerksames, gespannt lauschendes Publikum gab es doch in diesem buddhistischen Bollwerk! Auf die begeistertste Weise brachte es seinen Beifall zum Ausdruck. Später wurde mit vielen Menschen guten Willens Fühlung genommen, und man traf Anstalten, mit ihnen weiterhin zu studieren.
Bei diesem Landeskongreß zeigte es sich auf unmißverständliche Weise, daß der Friede einer neuen Welt in unseren Tagen schon Wirklichkeit ist — nämlich unter Jehovas Zeugen in Japan und der ganzen Welt. So sagte ein Erforscher der Bibel, der das erste Mal anwesend war: „Alles ist hier so ganz anders. Es ist wirklich eine Neue-Welt-Gesellschaft!“ Die sechsundzwanzig neugetauften Brüder und Schwestern freuten sich sehr darüber, daß sie jetzt zu dieser Neuen-Welt-Gesellschaft gehören. Die ausländischen Missionare wie auch die lokalen Königreichsverkündiger waren sich alle einig, daß sich bis dahin noch kein Kongreß in Japan so glatt abgewickelt hatte und daß es die bisher genußreichste, begeistertste Versammlung war!
Es war noch nicht allzu spät, und ehe die Missionare, alle Absolventen der geliebten Gileadschule, abreisten, um ihre weithin verstreuten Missionarposten einzunehmen, versammelten sich fast alle im Missionarheim von Kioto, und mit diesen mehr als 60 Missionaren waren die beiden Zimmer überfüllt; einige hatten sogar auf dem Boden Platz genommen. Ein Büfet war eingerichtet, und man genoß ungewohnte Leckerbissen und hörte dem Bericht über wichtige Erfahrungen zu, die von theokratischem Interesse waren. Da diese Missionare selten eine Gelegenheit haben, so zahlreich zusammenzukommen, lohnte es sich bestimmt, über die Mitternachtsstunde hinaus aufzubleiben und etwas Schlaf einzubüßen. Jene, die nicht dort übernachteten, reisten erfrischt und voller Freude und Dank ab. Nun folgten einige Stunden Schlaf, und um 5 Uhr war die Zeit gekommen, aufzustehen und zum Flugplatz von Osaka zu fahren, um nach Tokio zu fliegen. Am Nachmittag konnte in Tokio das Besitztum und die Tätigkeit der Zweigstelle der Watch Tower Society von Tokio überprüft werden. Am darauffolgenden Morgen befand sich der Vizepräsident wieder unterwegs nach dem Flugplatz Haneda, und ein Viertel nach neun Uhr flog er nach Korea. Er und die in Tokio zurückgelassenen Freunde fühlten sich etwas getröstet in der Hoffnung, daß er nächste Woche auf seinem Weg von Südkorea nach den hawaiischen Inseln in Tokio nochmals einen Tag haltmachen würde.
SEOUL, KOREA
An jenem Sonnabendmorgen, dem 26. Januar, war es eine wahre Augenweide, wiederum vom Flugzeug aus den heiligen und höchsten Berg Japans, den Fudschijama, zu betrachten, der sich in symmetrischen Konturen einsam aus seiner Umgebung erhebt und eine dicke Schneedecke trägt. Nachdem wir über sehr zerklüftetes japanisches Gebiet geflogen waren, das in der Nähe des Westufers stark verschneit war, flogen wir über das blaue japanische Meer. Auch die Zeit schien zu fliegen, denn durch den dünnen Wolkenschleier konnte man unten neue Berge erblicken, die Berge von Korea und verschneite Täler, Schluchten und Gießbäche. Uns der Hauptstadt Koreas nähernd, flogen wir durch Wolken immer tiefer, ja schließlich über schneebedeckte Felder, Terrassen und vereiste Gewässer, den zugefrorenen Han-Fluß. Etwa 15 Minuten vor 14 Uhr landeten wir glücklich im Flughafen von Seoul.
Korea liegt nicht an der Hauptlinie des internationalen Reiseverkehrs, und daher gibt es dort nur wenig ausländische Besucher. Zur Freude der Zeugen Jehovas auf dieser Halbinsel des asiatischen Festlandes hatte der Präsident der Watch Tower Society in Begleitung seines persönlichen Sekretärs jenes Land im April 1956 das erste Mal besucht. Jetzt hatte die Bekanntgabe, daß der Vizepräsident der Gesellschaft sie gegen Ende Januar 1957 besuchen werde, sehr zu ihrer Freude beigetragen. Sein Besuch spornte sie an, Vorkehrungen für einen Landeskongreß für das Wochenende vom 25. bis 27. Januar zu treffen. Die Zeugen ließen sich nicht zurückschrecken durch die Tatsache, daß dies ein Kongreß mitten im Winter war, etwas, was Jehovas Zeugen im eisigen Korea nie zuvor versucht hatten. Sei es aber im Winter oder im Sommer, so wurde doch die Aussicht auf diesen offiziellen Besuch, der mit einem Landeskongreß verbunden wurde, sehr willkommen geheißen, und man traf dazu Vorbereitungen, ohne Zeit zu verlieren. Der größte Saal von Südkorea, die Aula der neuerbauten höheren Knabenschule Kyung-gi in Seoul, war zusammen mit der Turnhalle gemietet worden. Die Turnhalle diente als Cafeteria und beim öffentlichen Vortrag des Kongresses zusätzlich als Saal. Früh im November 1956 waren während der traditionellen „kimjang“-Saison drei mächtige irdene Gefäße voll kimchi bereitet und bis zur Kongreßzeit im Boden vergraben worden. Dieses beliebte Gericht von Kohlblättern, die mit Knoblauch und rotem Pfeffer eingepökelt werden, bildet bei jeder koreanischen Versammlung der Zeugen Jehovas die Hauptmahlzeit.
Zu den Vorbereitungen gehörte auch die Bekanntmachung mittels Handzettel, 1500 zweifarbigen Schaufensterplakaten und 250 Schildern, die in den Straßenbahnwagen von Seoul angebracht wurden. Der Monat Dezember war herbeigekommen und hatte sich als der kälteste seit einunddreißig Jahren erwiesen, was sicher viele abschrecken konnte. Noch etwas anderes. Kurz vor Beginn des Kongresses verdoppelten die koreanischen Behörden die Fahrkartenpreise. Zweifellos hinderte dies einige der finanziell in Verlegenheit geratenen Brüder daran, zum Kongreß nach Seoul zu kommen. Wie sehr freute man sich daher, zu sehen, daß etwa 400 Brüder aus den südlich der Hauptstadt gelegenen Kreisen und Versammlungen herbeigekommen waren! Liebevoll gab man 324 Brüdern Unterkunft, indem man vier von den Königreichssälen, die den neun Versammlungen Seouls gehören, in große Schlafsäle umwandelte. Strohsäcke und Steppdecken wurden auf die mit Strohmatten bedeckten Fußböden ausgebreitet, und man sorgte dafür, daß die Öfen die ganze Nacht warm blieben, damit die Schlafenden nicht froren. Dieses Gemeinschaftsleben während der Tage eines Kongresses bereitet den koreanischen Brüdern viel Freude, und es erinnert einen daran, unter welchen Umständen die zu Millionen in Jerusalem weilenden Israeliten ihre Versammlungen abgehalten haben mögen.
Der Eröffnungsansprache des Kongresses wohnten am Freitagmorgen, dem 25. Januar, 647 Personen bei. Diese wurden danach zum Zeugnisgeben in die Stadtgebiete entsandt. Am Nachmittag hörte eine Menge von 1191 Anwesenden die Willkommansprache eines einheimischen koreanischen Bruders, eines Mitarbeiters vom Zweigbüro der Gesellschaft in Seoul, ferner drei halbstündige Ansprachen über zeitgemäße Themen von einem Gileadmissionar und zwei koreanischen Brüdern. Im Abendprogramm, das um 18.30 Uhr begann, dienten drei Koreaner und zwei Gileadmissionare. Einer derselben war der Zweigdiener der Gesellschaft, Donald L. Steele. Nach den Liedern und Erfahrungen folgte eine Vortragsreihe von vier halbstündigen Ansprachen über die theokratische Ehe, und trotz des Winterwetters und des Ausgehverbots für die Zeit nach 23 Uhr freuten sich die anwesenden 1043 Personen sehr darüber und zogen Nutzen daraus.
Vor der Ankunft des Vizepräsidenten wurde am Sonnabendmorgen die Taufansprache gehalten. Als die Täuflinge gebeten wurden, aufzustehen, um die ihnen gestellten Fragen zu beantworten, klatschte die große Menge der Zuschauer, als sie 154 Personen erblickte, 96 Frauen und 58 Männer, die sich erhoben und sich bereit erklärten (und auch dazu würdig waren), sich zum Zeichen ihrer Hingabe an Jehova Gott im Wasser untertauchen zu lassen. Nach dem Gebet wurden die Täuflinge in zwei öffentliche Badeanstalten geführt, die Brüder in die eine, die Schwestern in die andere. Dort wurden sie in warmem Wasser durch Untertauchen getauft.
Die Ankunft des Vizepräsidenten in dem ziemlich entfernt liegenden Flughafen Kim Po war für 14 Uhr angesagt. Das Nachmittagsprogramm des Kongresses begann um 13.45 Uhr. Als man bei der Fluggesellschaft anfragte und die Antwort erhielt, das Flugzeug werde frühzeitig eintreffen, begaben sich die Brüder, die einen Bus gemietet hatten, und auch andere in Privatwagen eilends zum Flughafen, um ihren amerikanischen Bruder in Korea herzlich willkommen zu heißen. Etwa fünfundsiebzig waren anwesend, um ihn zu begrüßen. Als er aus dem Flugzeug trat, brachen die hinter dem Zaun zur Rechten stehenden Brüder in Freudenrufe aus. Einige Missionare waren bis zum Fuß der Treppe gekommen, die zum Flugzeug emporführte, und Zeitungsreporter machten Blitzlichtaufnahmen. Die Brüder winkten mit Exemplaren des koreanischen Wachtturms; sie trugen ihre Kongreßabzeichen und grüßten fröhlich herüber. In diesem fremden Lande festzustellen, wer Jehovas Zeugen waren, bot daher keine Schwierigkeit. Ein koreanischer Zeitungsreporter leistete auch Hilfe, leichter durch den Zoll zu kommen und die Einwanderungsformalitäten zu erledigen. Als der Vizepräsident der Gesellschaft durch die Tür des Zollamtes hinaustrat, schenkte er jedem einzelnen dieses großen Empfangskomitees seine Aufmerksamkeit, wobei er sogar einige der Koreaner bei ihrem Namen nannte. Da war nichts von einem Gefühl der Fremdheit oder Reserve zu spüren.
Im Saal der höheren Knabenschule Kyung-gi kamen die Nachmittagsversammlungen kurz nach 16 Uhr durch die Ansprache eines koreanischen Bruders gerade zu Ende, als der Vizepräsident hinten den Saal betrat. Eine Menge von 1321 Personen füllte den Saal; viele standen. Der Vizepräsident konnte sich nicht zurückhalten, aufs Podium zu gehen und, ohne auf die Zeit am Abend zu warten, die für sein Erscheinen vorgesehen war, seiner Freude und Dankbarkeit Jehova gegenüber sogleich für das Vorrecht, anwesend sein zu können, Ausdruck zu geben und den Versammelten auch die theokratischen, lieben Grüße von allen Versammlungen und Kongressen des Volkes Jehovas auszurichten, die er auf seiner zweimonatigen Reise bis zu diesem Zeitpunkt bedient hatte. In Anbetracht des einschränkenden Ausgehverbots für die Zeit nach 23 Uhr traf er von der Bühne aus Vorkehrungen, mit dem Programm etwas früher zu beginnen, damit die meisten Brüder anwesend sein und alles, was gesagt würde, hören könnten. Dies wirkte sich zum Guten aus. Statt daß die Zahl der Zuhörer an jenem Abend abnahm, nahm sie zu, und nur wenige, wenn überhaupt welche, mußten früher weggehen.
Von da an war der Vizepräsident auf dem Podium beschäftigt. Bei seinen Darlegungen war an jenem Sonnabendabend der Saal mit 1402 Anwesenden gedrängt voll. Aller Raum außerhalb der vielen langen Sitzreihen wurde ausgenutzt. Zwischen der vordersten Sitzreihe und der Bühne saßen viele nach koreanischer Art auf dem Boden. Die koreanischen Brüder sitzen ganz dicht beieinander, und niemand vermag mehr Leute in einem Kongreßsaal unterzubringen als sie. Vom Podium des Saales aus erblickte der Redner nur ein großes Meer aufwärtsgerichteter, lieber Gesichter, die alle aufmerksam dem köstlichen Wort Gottes lauschten. Der Gesang der großen Menge war ebenfalls bemerkenswert und wurde auf einem kleinen Harmonium mit Fußpedalen begleitet. Während des Kongresses sang ein geübter, mehrstimmiger Chor in schöner Harmonie Königreichslieder.
Am Sonntagmorgen, dem 27. Januar, hörte eine aufmerksame Zuhörerschaft, nämlich 1275 Versammelte, die Ermahnung des Vizepräsidenten, sich treulich innerhalb der Grenzen der Sicherheit bietenden Neuen-Welt-Gesellschaft zu halten. Fast alle Zuhörer folgten den Ausführungen aufmerksam, indem sie in ihren koreanischen Bibeln nachschlugen und die biblischen Erklärungen in den Randbemerkungen der Bibel beachteten. Dies zu sehen war eine Freude. Kurz nach den Schlußworten dieser Ansprache freute sich die große Menge, von Bruder Franz ein Konzert von Königreichsliedern zu hören, die er ihnen auf seiner chromatischen Mundharmonika vorspielte. Koreaner lieben etwas Spontanes, Unvorhergesehenes, und fast bei jedem geselligen Anlaß werden dort die Gäste aufgefordert, etwas vorzusingen, vorzutanzen oder auf einem Musikinstrument zum besten zu geben.
Trotz der schlechten Wirtschaftsverhältnisse gibt es in Südkorea viele Vollzeitverkündiger, die Pionierdienst tun. Um seine Wertschätzung dafür zu zeigen, bat Bruder Franz nun alle Pioniere, die Mahlzeit etwas hinauszuschieben und auf die Bühne zu kommen, damit man eine koreanische Pionierversammlung abhalten könne. Im Monat Januar waren viele Ferienpioniere tätig gewesen, und daher war es ein überwältigender Anblick, zu sehen, wie sich 147 Pioniere, allgemeine, Sonder- und Ferien-Pioniere, auf das Podium drängten, als Bruder Franz zu ihnen sprach und sie ermutigte, die von ihnen gewählte Pionierlaufbahn weiter zu verfolgen. Indem er selbst im Jahre 1913 den Pionierdienst gewählt hatte, war für ihn die Grundlage gelegt oder der Weg gebahnt worden, daß er jetzt dort, in Korea, zu dieser Mittagsstunde bei ihnen sein konnte. Somit würden auch ihnen größere Segnungen und Vorrechte zuteil werden, wenn sie im Vollzeitdienste verblieben. So viele solcher Königreichsverkündiger dort auf dem Podium zu sehen war in der Tat herzerquickend, denn es zeigte, daß fast alle Pioniere in Korea den Kongreß besuchen konnten.
Der Sonntagnachmittag war heiter und nicht sehr kalt. Deshalb hoffte man, daß der Vortrag gut besucht würde. In der Aula der höheren Schule und in der Turnhalle konnten 2100 Personen Sitzgelegenheiten finden, und man stellte sich vor, wie wunderbar es wäre, wenn beide Säle gefüllt würden. Die Zeugen Jehovas wurden gebeten, in der Turnhalle, die als Nebensaal diente, Platz zu nehmen, damit die meisten Menschen guten Willens im Hauptsaal Platz fänden und den Redner direkt hören konnten. Die Brüder nahmen darauf Rücksicht. Und die Fremden kamen herbei. Alle Erwartungen für diesen Anlaß mitten im Winter wurden übertroffen. Die Zählung ergab, daß 2254 Personen in den beiden Sälen zugegen waren, nämlich jene, die auf dem Fußboden saßen, andere, die die verfügbaren Stühle einnahmen, und weitere, die standen. Mindestens tausend Menschen guten Willens waren bei diesem öffentlichen Vortrag des Vizepräsidenten der Gesellschaft anwesend. Viele Adreßzettel wurden von diesen Zuhörern abgegeben, durch die sie um weiteren Aufschluß und den Besuch eines kompetenten Zeugen Jehovas baten.
Nach diesem öffentlichen Vortrag wurde Bruder Franz einem älteren Bruder von Suwon vorgestellt. Dieser sagte, er sei ein alter Freund von Dr. Syngman Rhee, dem Präsidenten von Korea, und stehe ungefähr im gleichen Alter. Er berichtete, wie er während der für den Felddienst vorgesehenen Zeit beim Staatsoberhaupt einen Rückbesuch gemacht und ihm ein Exemplar der Broschüre „Diese Gute Botschaft vom Königreich“ in Koreanisch überreicht habe. Einige Zeit vorher hatte er ihm ein Exemplar der besonderen Broschüre des Jahres 1955, Christenheit oder Christentum — was ist „das Licht der Welt“?, gegeben. Anläßlich dieses Höflichkeitsbesuches beim Staatspräsidenten im Laufe des Landeskongresses hatte Dr. Rhee Wertschätzung für die ihm überreichte Broschüre zum Ausdruck gebracht. Unser älterer Bruder mit dem dünnen weißen Kinnbart beeilte sich, Bruder Franz zu erklären, er habe zuerst den Kreisdiener von Korea gefragt, ob es recht sei, wenn er an jenem Morgen diesen Rückbesuch bei Dr. Rhee statt des gewohnten Zeitschriftendienstes mache.
In den Bekanntmachungen, die dem öffentlichen Vortrag folgten, wurden die Menschen guten Willens eingeladen, zur Schlußansprache dazubleiben, denn der Redner des öffentlichen Vortrages wollte etwas von seiner Reise um die Welt bis nach Korea erzählen. Voller Wertschätzung hierfür blieben 1436 Personen auf ihren Plätzen, um diesen Bericht zu hören; das war die höchste Besucherzahl, die man außer dem öffentlichen Vortrag bei einem regulären Programmpunkt des Kongresses in Korea zählte. Auf eine geäußerte Bitte hin, hielt zuerst der Zweigdiener von Korea eine Rede aus dem Stegreif direkt in Koreanisch, die alle sehr schätzten. Sie freuten sich, Bruder Steele, den Zweigdiener, in ihrer eigenen Sprache zu ihnen sprechen zu hören, der ihnen mit seiner Frau während all der prüfungsreichen, gefährlichen Jahre, seitdem die Kommunisten im Jahre 1950 von Nordkorea her eingefallen waren, so treu gedient hatte. Der Vizepräsident aber mußte sich bei seiner Abschiedsansprache und seinem Reisebericht nochmals seines gewohnten Übersetzers bedienen, eines hochgewachsenen Jungen, der noch die höhere Schule besucht und mit ihm in Briefwechsel gestanden hatte. Es war für den Jüngling eine Anstrengung, da er alles ohne Notizen oder vorherige Einsichtnahme in den Stoff übersetzen mußte, aber er bestand die Probe und führte den Zuhörern die Wahrheiten und Ermahnungen des Vizepräsidenten sehr gut zu Gemüte, indem er seiner schweren Verantwortung sehr gewissenhaft nachkam.
Der dreitägige Landeskongreß endete für alle viel zu rasch. Durch die zwei Filme der Watch Tower Society, die in Südkorea gezeigt wurden, hatten die Brüder in Korea den Präsidenten der Gesellschaft und den Vizepräsidenten schon gesehen, ehe sie diese persönlich kennenlernten. Jetzt, nach dem Besuch des Präsidenten und des Vizepräsidenten wußten sie, warum Jehovas Zeugen auf der ganzen Erde eine geeinte Organisation sind. Sie wissen, daß die Wahrheit und die gemeinsame Entschlossenheit, Gottes aufgerichtetes Königreich, das unter Christus steht, zu predigen, sowie der Grundsatz der Liebe und Brüderlichkeit Jehovas Zeugen tatsächlich miteinander verbindet. So verließen sie denn diesen Kongreß mit dem festen Entschluß, Jehovas theokratischer Organisation gegenüber loyal zu sein und innerhalb ihrer Grenzen zu bleiben.
Den folgenden Montag und Dienstag wie auch den Mittwochmorgen verbrachte Bruder Franz mit den Missionaren und den koreanischen Brüdern. Das setzte ihn instand, die großzügige Gastfreundschaft und Wärme der Koreaner zu verspüren, die sie aus Dankbarkeit für die ihnen zuteil gewordenen geistigen Segnungen zum Ausdruck brachten. Da Bruder Franz die Koreaner in ihren Wohnungen besuchte, konnte er selbst sehen, wie sie ihre Mahlzeiten, auf dem Boden sitzend, einnehmen. Der Boden wird von unten her geheizt, strahlt also Wärme aus, was als sehr angenehm empfunden wird.
Wo immer der Vizepräsident aufgenommen wurde, stellte man ihm biblische Fragen. Seine Bereitwilligkeit, auf diese einzugehen, bereitete den Koreanern, die die Bibel studieren, große Freude. Eine Gruppe von Brüdern aus dreizehn Versammlungen veranstaltete für die Missionare der Heime von Seoul und Pusan und für Bruder Franz ein Bankett mit koreanischen Speisen, und zwar im koreanischen Restaurant Nak Won Chang, das an einem Berghang liegt. Das Mittagessen begann am Dienstag, dem 29. Januar, um 13 Uhr, und allerlei schmackhafte Gerichte wurden zur Ergötzung aller Anwesenden serviert. Nachdem alle genug gegessen hatten, räumten die Kellner ab, trugen auch die Tische hinweg und räumten so den großen Bankettsaal. Dann setzten sich alle neunundvierzig Anwesenden wieder — ja, tatsächlich auf den Boden — und bestürmten den Vizepräsidenten mit biblischen Fragen. Dies ging bis 18 Uhr weiter, als viele zu ihren Buchstudien-Dienstzentren weggehen mußten. Als es für die neunundvierzig zu dunkel geworden war, in den Bibeln nachzuschlagen, setzte man die Frage- und Antwort-Versammlung beim Kerzenlicht fort. Der erste Übersetzer mußte durch einen anderen abgelöst werden, durch den Vorsteher einer höheren Schule. Wie begierig waren doch alle, die Schätze der Wahrheit und Offenbarung aus Gottes Wort auszugraben! Es war für beide Teile, die koreanischen Brüder und für die mit ihnen arbeitenden Missionare, ein unvergeßliches Erlebnis. Bei anderen Gelegenheiten war man so sehr in ersprießliche Diskussionen vertieft, daß man sich daran erinnern lassen mußte, daß die Stunde des Ausgehverbots herannahe. Dann suchte man sich eilends noch eines der wenigen Taxis oder Jeeps, die es dort gibt, zu erhaschen, um noch vor dem Geheul der Sirenen, die die Polizeistunde anzeigten, heimzukommen.
Der letzte Abend, der Dienstagabend, wurde in dem an der Bergseite gelegenen Missionarheim in Gesellschaft der elf Missionare und drei Glieder der Bethelfamilie von Seoul verbracht. Den Missionaren wurde dann mit Wärme der Rat gegeben, in ihren Gebieten zu bleiben und die Wertschätzung und Freude an ihrem wunderbaren Vorrecht zu bewahren, solch lenksamen Brüdern, wie es die Koreaner sind, dienen zu dürfen, ungeachtet all der Unbequemlichkeiten und Gefahren, mit denen sie rechnen müssen. Da diese Abschiedsversammlung im Missionarheim in Seoul stattfand und Bruder Franz jene Nacht dort weilen sollte, brauchte man sich an diesem Abend keine Sorgen wegen des Ausgehverbots zu machen. Kein Wunder, daß diese engverbundene Gruppe alle Müdigkeit abschüttelte, das Beisammensein voll auskostete und die Zeit mit Gesprächen bis nahezu zwei Uhr morgens ausfüllte.
Weil der Vizepräsident die Nacht im Zweig- und Missionarheim verbrachte, war es ihm möglich, mit den dreizehn Missionaren von Seoul und Pusan das Frühstück einzunehmen. Ehe sie die materielle Speise zu sich nahmen, führten sie unter der Leitung von Bruder Franz die morgendliche Betrachtung durch, so wie dies im Hauptbüro in Brooklyn getan wird. Die ganze Besprechung des biblischen Tagestextes erfolgte jedoch in Koreanisch, nur Bruder Franz gab seinen Kommentar, die Zusammenfassung, in Englisch und sprach auch das Gebet.
Nun kam der Mittwoch, der 30. Januar, und damit für den Vizepräsidenten der Tag der Abreise. Auf dem Flugplatz Kim Po, jenseits des zugefrorenen Han-Flusses, drängten sich zum Abschied mehr als 150 koreanische Brüder in das Flughafengebäude. Dann standen sie wieder dichtgedrängt vor dem Zaun des Flugplatzes. Tränen waren auf manchen Gesichtern zu sehen, als ihr abreisender Mitdiener zum wartenden NWA-Flugzeug schritt. Noch ein gegenseitiges Winken, und dann bestieg der Vizepräsident das Flugzeug. Das festverschlossene Flugzeug drehte ab, und einige Minuten vor 14 Uhr sahen die ihm nachblickenden Koreaner, wie es sich in die Luft erhob und Kurs auf Japan nahm. Nun galt es für alle, wieder zur Arbeit zurückzukehren, neu gestärkt durch die Vorrechte der vergangenen Woche. Während der drei vorausgegangenen Monate hatten sie eine Zunahme nach der anderen erfahren, bis sie im Monat Dezember, der doch so bitter kalt war, die Höchstzahl von 1801 tätigen Verkündigern erreicht hatten. Und jetzt sollte der Monat Januar, in dem der Landeskongreß stattfand, nicht hinter den anderen zurückbleiben.
(Schluß folgt)