Was ist radiale Keratotomie?
In diesem Artikel wird über ein Operationsverfahren, die radiale Keratotomie, Auskunft gegeben; es wird beschrieben, was sie bewirken kann und welche Risiken damit einhergehen können. Erwachet! macht keine Empfehlungen. Mancherorts gibt es neuere Methoden, bei denen Laserstrahlen eingesetzt werden. Es liegt in der persönlichen Verantwortung eines jeden, nachdem er selbst Informationen eingeholt hat, sich für oder gegen diese Methode zu entscheiden.
UNLÄNGST wurde die radiale Keratotomie in einigen Ländern durch Funk und Fernsehen, Zeitschriften und Zeitungsartikel in besonderem Umfang publik gemacht. In den vergangenen zwei Jahren war sie auf internationalen Tagungen von Ophthalmologen eines der häufigsten Diskussionsthemen. Obwohl dieses Operationsverfahren seit über zwanzig Jahren praktiziert wird und schon davor von Medizinern beschrieben wurde, ist es erst seit kurzem ein Begriff. Immer mehr Augenchirurgen nehmen an Seminaren teil und lernen, wie man die radiale Keratotomie durchführt.
Millionen Menschen sind entweder von Geburt an kurzsichtig oder werden es im Laufe ihres Lebens. Was heißt es, „kurzsichtig“ zu sein? Jemand, der kurzsichtig ist, sieht Dinge in der Ferne undeutlich, sofern er keine Brille oder Kontaktlinsen trägt. In der Regel brauchen Kurzsichtige zum Lesen keine Brille; allerdings halten sie das Lesematerial sehr dicht vor die Augen, um scharf sehen zu können.
Die radiale Keratotomie ist ein operativer Eingriff, durch den Kurzsichtige entweder ganz von der Brille befreit werden sollen oder durch den die Kurzsichtigkeit reduziert werden soll. Die Hornhaut des Auges wird modelliert, so daß das Bild statt vor der Netzhaut — wie dies bei Kurzsichtigen der Fall ist — auf der Netzhaut entsteht. In die äußeren Schichten der Hornhaut werden strahlenförmig Schnitte gesetzt, und zwar zum Hornhautrand hin, um ein scharfes Bild im Zentrum des Gesichtsfelds zu erhalten. Die Einschnitte unterscheiden sich in Tiefe, Länge und Anzahl.
Keine neue Operationstechnik
Die alten Chinesen versuchten, die Fehlsichtigkeit zu beheben, indem sie mit Sandsäckchen auf den Augen schliefen. Das brachte allerdings nur eine vorübergehende Besserung. Schon 1894 berichteten medizinische Fachzeitschriften über Operationsmethoden zur Korrektur oder Modellierung der Hornhaut. Seitdem haben Chirurgen in Südamerika und später in Japan beschrieben, wie durch eine chirurgische Modellierung der Hornhaut ein scharfes Sehen ermöglicht werden kann. Die Versuche der Japaner ermutigten einen russischen Chirurgen, die Operationstechnik abzuwandeln und zu verbessern.
Als sich sein Verfahren bewährte, sahen sich mehrere Chirurgen aus anderen Ländern an, wie er dabei vorging. Sie reisten wiederholt nach Rußland, um die Ergebnisse zu überprüfen, und führten dann die Methode in ihrem jeweiligen Land ein. 1979 wurden Abhandlungen über die Operationstechnik, die Ergebnisse sowie über die Modifikationen verfaßt, die zur Erzielung besserer Resultate nötig waren. Vielleicht hören wir zum ersten Mal etwas über die radiale Keratotomie, doch Operateuren ist sie gut bekannt.
Um Patienten vor Schaden zu bewahren, wurde in verschiedenen Forschungszentren in den Vereinigten Staaten eine Studie durchgeführt, die die Effektivität beziehungsweise die Ineffektivität dieses Verfahrens belegen sollte — die Ergebnisse wurden in den 80er Jahren in der sogenannten PERK-Studie veröffentlicht. Die American Academy of Ophthalmology erkannte die radiale Keratotomie als ein wirksames Verfahren an, um Myopie (Kurzsichtigkeit) zu korrigieren.
Etwas für jeden?
Bisher haben wir etwas über die Geschichte der radialen Keratotomie kennengelernt; wie kann aber jemand wissen, ob sie für ihn in Frage kommt? Zunächst einmal sollten die Augen gründlich untersucht werden. Wenn der Arzt sie für die Operation geeignet hält, wird er Auskunft über den zu erwartenden Erfolg geben — dieser hängt von dem Grad der Myopie ab. Je kurzsichtiger ein Patient ist, desto weniger erfolgreich ist die Operation.
Hat der Arzt seine Zustimmung zur radialen Keratotomie gegeben, wird sich der Patient einen Spezialisten für refraktive Chirurgie suchen wollen. In den meisten Großstädten praktiziert mindestens ein Experte, der schon einige Jahre Erfahrung auf diesem Gebiet hat. Durch Informationsveranstaltungen, Erfahrungsberichte, Gespräche mit ehemaligen Patienten und verschiedenen Ophthalmologen läßt sich wahrscheinlich ein Ophthalmologe ausfindig machen, der eine beachtliche Liste positiver Operationsergebnisse vorweisen kann.
In den Vereinigten Staaten ist der Prozentsatz der Ophthalmologen, die die radiale Keratotomie durchführen, innerhalb eines Jahres (1991—1992) von 13 auf 25 Prozent gestiegen. Das zeigt zum einen, daß einige Ärzte auf diesem Gebiet Neulinge sind, zum anderen läßt es aber auch die steigende Akzeptanz des Verfahrens erkennen. Jetzt fordern die in der radialen Keratotomie erfahrenen Operateure, daß ungeübte Chirurgen geschult werden, damit die Komplikationen vermieden werden, zu denen es häufig bei den Operationen der Pioniere der radialen Keratotomie kam.
Bevor man sich für die radiale Keratotomie entscheidet, wäre es gut, Informationen darüber einzuholen, um eventuelle Fragen klären zu können. Erfolgreiche Chirurgen können jeden Fall analysieren und sind bei der Operation flexibel, damit sie ein gutes Ergebnis erzielen. Sie gehen jedesmal ganz individuell vor und richten sich bei der Operation nach den speziellen Bedürfnissen des jeweiligen Patienten. Wie Forschungen nachgewiesen haben, bestimmt die Anzahl der Einschnitte sowie ihre Tiefe und Länge das Ergebnis. Das Alter und das Geschlecht des Patienten sowie der Augendruck und die Krümmung der Hornhaut werden ebenfalls in Betracht gezogen. Jeder Chirurg mag andere Aspekte berücksichtigen, um präzise Arbeit leisten und ein gutes Ergebnis erzielen zu können.
Ob ein Chirurg Erfahrung hat, läßt sich daraus ableiten, seit wie vielen Jahren er die radiale Keratotomie bereits vornimmt und wie viele Patienten er gehabt hat. In neueren Ausgaben medizinischer Fachzeitschriften wird empfohlen, daß zur Standardausrüstung eines jeden Experten der refraktiven Chirurgie ein Gerät gehören sollte, das mit Hilfe eines Computers die Hornhaut räumlich darstellt. Je besser die Ausrüstung, desto wahrscheinlicher ist ein optimales Operationsergebnis.
Die Operation
Womit muß man rechnen, wenn man sich für die radiale Keratotomie entscheidet? Einige präoperative Vorbereitungen werden getroffen — dazu gehören eine Augenuntersuchung und Ultraschallmessungen des Auges einschließlich seiner Größe; die Hornhaut und der Augendruck werden gemessen; und unter Umständen wird mit Hilfe eines Computers die Hornhauttopographie auf einem Monitor abgebildet. Mit Hilfe all dieser Daten wird die Operation geplant. Nachdem der Patient eine Einverständniserklärung durchgelesen und unterschrieben hat, erhält er gewöhnlich ein Beruhigungsmittel.
Betrachten wir nun einige der auf der Einverständniserklärung erwähnten Risiken. Die Operation wird an der Hornhautoberfläche vorgenommen. In der Regel treten Nebenwirkungen auf wie Blendungserscheinungen, „Sternesehen“, eine schwankende Sehschärfe, ein Fremdkörpergefühl im Auge sowie zuwenig Tränenflüssigkeit; außerdem „fühlt“ der Patient das Auge, was einige Stunden, Tage, Wochen oder Monate anhalten kann. Das Auge wird durch die Einschnitte geschwächt. Wie lange dies anhält, ist von Patient zu Patient verschieden. Viele Komplikationen lassen sich vermeiden, wenn der Patient nach dem Eingriff Augentropfen nimmt und sich an die Anweisungen des Arztes hält, was die Einschränkung gewisser Tätigkeiten betrifft. Ein kooperativer Patient vergrößert die Erfolgschancen.
Was geschieht, wenn der Patient für die Operation bereit ist? Nach der Einnahme des leichten Beruhigungsmittels, das innerhalb von einer halben Stunde zu wirken beginnt, begibt er sich in den Operationssaal. Die Augenlider werden gereinigt, und das Gesicht wird mit einem Operationstuch abgedeckt. Dann werden unter Umständen noch zum letzten Mal ganz feine Messungen gemacht, und die Operationsinstrumente werden unter einem Mikroskop überprüft. Durch Betäubungstropfen wird das Auge örtlich betäubt. Wenn die Wirkung einsetzt, werden Ober- und Unterlid mit einer Klammer festgeklemmt, wodurch das Blinzeln verhindert wird. Der Patient blickt in eine Lichtquelle, und das Hornhautzentrum wird für den Chirurgen markiert, so daß er weiß, von wo aus er arbeiten kann. Dann legt der Chirurg eine Schablone auf das Auge, um das „Schnittmuster“ zu markieren — die Operation kann beginnen.
Nach weniger als 20 Minuten ist alles überstanden. Das Auge bleibt gewöhnlich noch eine gewisse Zeit abgedeckt, doch bereits innerhalb von 24 Stunden kann der Patient eine Verbesserung seines Sehvermögens feststellen. Die größten Veränderungen des Sehvermögens stellen sich in den folgenden 7 bis 30 Tagen ein. Nach 3 Monaten schwankt die Sehschärfe nur noch wenig, und nach einem Jahr ist sie relativ stabil. Während der folgenden 20 Jahre treten bei jedem vierten Patienten Veränderungen der Sehschärfe auf.
Nicht für jeden etwas
Bis jetzt haben wir ein wenig über die Komplikationen gesprochen; beschäftigen wir uns jetzt ausführlicher mit den vorhersehbaren und den unvorhersehbaren Nebenwirkungen. Durch die radiale Keratotomie lassen sich nicht alle Myopien korrigieren. In der Regel ist der Eingriff erfolgreich — nur bei einigen Graden der Kurzsichtigkeit hilft er nicht. Bei manchen Operierten schwankt die Sehschärfe. Das heißt, ihr Sehvermögen am Morgen unterscheidet sich von dem am Abend. Das trifft vor allem auf Personen zu, die den ganzen Tag am Computerbildschirm arbeiten. Die allermeisten Patienten leiden jedoch nicht ständig unter Schwankungen der Sehschärfe, lediglich ein kleiner Prozentsatz ist davon betroffen. Etliche klagen über eine erhöhte Blendempfindlichkeit bei Nacht, doch das ist bei der Mehrheit wiederum kein Dauerzustand. Patienten, die trockene Augen hatten und sich deswegen womöglich von ihren Kontaktlinsen trennen mußten, werden bis zu 6 Monate nach der Operation immer noch darunter zu leiden haben. Bei anderen ist es zu einer Überkorrektur gekommen — sie können Dinge in der Nähe nur unscharf sehen und erkennen möglicherweise auch Dinge in der Ferne ohne Brille oder Kontaktlinsen nur undeutlich. Dazu kommt es nicht oft, aber es kann passieren.
In den ersten 3 Monaten nach dem Eingriff kann es durch allgemeine gesundheitliche Probleme, emotionelle Belastungen, eine Schwangerschaft, Einnahme von Medikamenten, berufliche Veränderungen, Sport, Umstellung der Ernährung und insbesondere durch zuwenig Entspannung zu Sehstörungen kommen. Ein Augenchirurg stellte fest, daß sich Patienten, die regelmäßig Gewichte heben, gewöhnlich wiederholt operieren lassen müssen, um die gewünschte Sehschärfe zu erreichen. Die Sehschärfe wird im Laufe eines Tages noch durch vieles mehr beeinflußt, ganz besonders in den ersten 3 Monaten nach dem Eingriff. Der Patient muß sich während des Heilungsprozesses auf Veränderungen seiner Sehschärfe einstellen.
Durch die radiale Keratotomie lassen sich nicht immer so präzise Korrekturen erzielen, daß eine Brille überflüssig wird oder der Patient auf Kontaktlinsen verzichten kann, denn sowohl eine Brille als auch Kontaktlinsen können den ganz speziellen Bedürfnissen eines Kurzsichtigen angepaßt werden. Doch bei der radialen Keratotomie handelt es sich um ein umfassendes Verfahren, und nur wenige Operierte entscheiden sich hinterher für eine Brille. Außerdem ist es möglich, nur ein Auge für eine geschärfte Fernsicht korrigieren zu lassen. Wenn das erwartete Ergebnis ausbleibt oder die Sehschärfe noch zu verbessern ist, können weitere Operationen folgen. Nur ein wirklich geübter Augenchirurg weiß, wie weit er gehen kann.
Erst Informationen sammeln, dann entscheiden
Sollte jemand die radiale Keratotomie in Erwägung ziehen, wäre es am besten, so viele Informationen wie möglich darüber zu sammeln, denn um klare Antworten zu erhalten, muß man die richtigen Fragen stellen können. Bevor sich jemand für ein bestimmtes Vorgehen entscheidet, sollte er mehrere Augenchirurgen konsultieren (Sprüche 15:22). Möglicherweise wird ihm bestätigt, daß er für die radiale Keratotomie geeignet ist und auf ein wesentlich schärferes Sehvermögen hoffen kann.
Unlängst wurde bei einem Treffen in Salt Lake City (Utah, USA) ein Bericht über eine Studie mit Patienten vorgelegt, die sich einer radialen Keratotomie unterzogen haben und selbst Ophthalmologen sind. Fast einstimmig hatten sie angegeben, mit dem Ergebnis zufrieden zu sein; lediglich 2 Prozent waren nicht so begeistert, im Gegensatz zu den anderen 98 Prozent.
Was für ein Gefühl, morgens aufzuwachen und auch ohne Brille scharf sehen zu können! Das wird schon bald möglich sein — allerdings nicht durch eine Operation, sondern durch göttliche Macht. In Gottes neuem System werden alle heutigen Brillenträger auch ohne Brille scharf sehen können; für diejenigen aber, die noch nie sehen konnten, wird es besonders begeisternd sein, ein gutes Sehvermögen zu besitzen. „Zu jener Zeit werden die Augen der Blinden geöffnet“ (Jesaja 35:5).
[Übersicht/Bilder auf Seite 25]
(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)
Was die radiale Keratotomie normalerweise bewirkt
Bei einem normal geformten Augapfel wird das Bild auf der Netzhaut scharf abgebildet
Netzhaut
Scharfes Bild
Das kurzsichtige Auge ist zu lang, so daß das Bild vor der Netzhaut entsteht
Netzhaut
Unscharfes Bild
Durch acht strahlenförmige Einschnitte wird die Hornhaut leicht abgeflacht
Nach der Operation trifft das Bild auf die Netzhaut und ist daher scharf
Netzhaut
Scharfes Bild
[Bildnachweis auf Seite 22]
The Complete Encyclopedia of Illustration/J. G. Heck